Essen. In Essen leben mehr Kinder mit Adipositas als in Mülheim, Duisburg oder Oberhausen. Der AOK-Gesundheitsreport nennt einen weiteren Negativrekord.
In Essen leben auffällig viele Kinder mit starkem Übergewicht: Im vergangenen Jahr hatten 6,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren, die bei der AOK versichert sind, die Diagnose Adipositas. Zwar sinkt der Anteil seit einiger Zeit, doch im Vergleich mit den Nachbarstädten bleibt er ungewöhnlich hoch. Gleiches gilt den Daten der Krankenkasse zufolge für die Zahl der Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung (ADHS).
Sieben Prozent der Kinder in Essen sind adipös
Vergleichszahlen liegen für das Jahr 2022 vor: Damals lag der Anteil der adipösen Kinder in Essen sogar bei 7,3 Prozent. In Mülheim, Oberhausen und Duisburg bewegte er sich zwischen 5,3 und 6,2 Prozent. Ganz ähnlich sieht es bei ADHS aus: 2022 hatten in Essen knapp 5 Prozent der 6- bis 17-Jährigen eine entsprechende Diagnose, in den drei genannten Nachbarstädten bewegten sich die Werte lediglich zwischen 2,4 und 3,8 Prozent.
- Essen: Notdienstpraxis für Kinder verkürzt Öffnungszeiten
- Mit Corona zur Kita? Eltern fordern: Schützt unsere Kinder
- Mehr Kinder mit atypischer Lungenentzündung im Krankenhaus
- OB zur Gewalt gegen Kinder: „Es verschlägt einem den Atem“
- Verbrennungen, Schläge, Stockhiebe: Was Eltern Kindern antun
Die Zahlen dürften relativ aussagekräftig sein: So ist nach Angaben der Krankenkasse jedes dritte Essener Kind bei der AOK versichert. Zu berücksichtigen ist wohl, dass der Anteil der AOK-Versicherten in einkommensschwachen Stadtteilen höher ist, dort sind bis zur Hälfte aller Kinder bei der großen Krankenkasse. Die sagt über den Zuschnitt ihrer Klientel selbst: „Jedes zweite bei uns versicherte Kind wächst in einem Haushalt mit mindestens einer familiären Belastungssituation auf.“ Das gehe mit verstärkten gesundheitlichen Risiken – auch für ADHS oder Adipositas – einher.
„Es mangelt nicht an Angeboten, aber man muss die Menschen auch dort hinbekommen.“
Viele dieser Defizite sind schon länger beschrieben und manifestieren sich seit Jahren in den Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes. Die AOK hat daher für ihrem Kindergesundheitsatlas nicht einfach auf die eigene Daten zurückgegriffen – sondern die Eltern befragt. „Wir wollten wissen, wie sie die Gesundheit ihrer Kinder wahrnehmen und welche Sorgen, Nöte und welchen Informationsbedarf sie haben“, sagt AOK-Regionaldirektor Oliver Hartmann. Im Mittelpunkt stehen dabei zehn häufige chronische Krankheiten; beleuchtet wird auch der Suchtmittelgebrauch, Medienkonsum und das Wohlbefinden in Kitas und Schulen.
Eltern geben sich eine Mitschuld am Übergewicht der Kinder
Auffällig ist, dass viele Eltern sich zwar Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder machen, gleichzeitig aber oft falsch einschätzen, wo eine Gesundheitsgefährdung beginnt. So wurden sie gefragt, ob ihr Kind adipös ist oder ob es sogar schon eine entsprechende Diagnose hat. „Uns hat überrascht, dass das nur zwei bis drei Prozent der Eltern bejahten“, sagt AOK-Marktforschungsreferent Raphael Noll. Da auch Alter, Größe und Gewicht der Kinder erfragt wurde, konnte man ihren Body-Mass-Index errechnen. Und siehe da: Laut BMI sind sieben Prozent der Kinder adipös. Bei der krassen Fehleinschätzung mag eine Rolle spielen, dass hohes Übergewicht oft als Versagen empfunden wird. Fast 60 Prozent der Eltern glauben, dass sie eine Mitschuld tragen. „Oft spielt Scham eine Rolle“, sagt Oliver Hartmann.
- Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!
Unkenntnis sei in vielen Familien auch beim Thema ADHS zu beobachten, sagt Sabine Tiedtke, die das regionale Gesundheitsmanagement der AOK leitet. Es handle sich um ein Problem, das durch zunehmenden Medienkonsum verstärkt werde. „Doch manche Eltern sind sich nicht mal bewusst, dass sie ihrem Kind nichts Gutes tun.“
- Wohnungsloser bei eisiger Kälte auf der Rü: „Man härtet ab“
- Seaside Beach: Diese Acts spielen 2025 Open-Air in Essen
- Parkleuchten in Essen: Was Gruga-Besucher 2025 erwartet
- Uniklinik klagt gegen Reform: Das ist ein Schlag ins Gesicht
- Film aus dem OP: Schüler sehen Krebs-Eingriff ihrer Lehrerin
Gerade in Ruhrgebietsstädten wie Essen beobachtet die AOK ein Informationsdefizit der Eltern, oftmals verschärft durch Sprachprobleme. Tatsächlich fürchten fast 30 Prozent der Befragten, „nicht ausreichend informiert zu sein oder ihrem Kind nicht bestmöglich helfen zu können“. Die Experten der AOK folgern daraus, dass man die Gesundheitskompetenz der Familien stärken müsse: Etwa, indem man gezielt über bestimmte Krankheitsbilder und über Prävention informiere.
Krankenkasse befragte 5000 Familien
Für ihren Kindergesundheitsatlas hat die AOK Hamburg/Rheinland im Februar und März 2024 Eltern mit Kindern von 0 und 17 Jahren online befragt. Insgesamt nahmen 5000 Eltern an der Befragung teil, 663 der Familien leben im Ruhrgebiet. Um ein repräsentatives Bild zu erstellen, habe man nicht nur die eigenen Versicherten befragt, sondern einen Querschnitt der Gesamtbevölkerung.
Im Mittelpunkt standen dabei zehn häufige chronische Erkrankungen. Abgefragt wurde, ob es eine Vermutung oder schon eine Diagnose für das jeweilige Krankheitsbild gibt, welche Ängste und Belastungen damit verbunden sind und welche Informations- und Unterstützungsangebote sich die Familien wünschen. Infos auf: aok.de/rh/kindergesundheitsatlas
„Wir müssen unsere Lotsenfunktion noch verstärken“, glaubt Oliver Hartmann. „Es mangelt nicht an Angeboten, aber man muss die Menschen auch dort hinbekommen.“ Als Erfolgsmodell nennt der Regionaldirektor die beiden Gesundheitskioske in Essen, die Ratsuchenden erste Informationen liefern und sie an andere Stellen weitervermitteln.
Defizite sollten nicht erst bei der Schuleingangsuntersuchung auffallen
In Zusammenarbeit mit der Kommune wolle man darauf hinwirken, solche Präventionsangebote gezielt in Stadtteilen mit hohem Anteil an Ärmeren und Zugewanderten anzusiedeln. Man müsse die Kinder früh erreichen, sagt Hartmann. „Wenn die Defizite bei den Schuleingangsuntersuchungen auffallen, ist das eigentlich schon zu spät.“
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]