Essen. „Man härtet ab“, sagt Daniel. Er lebt auch bei Frost auf der Straße, bettelt in Essen-Rüttenscheid. Kennt er die Winterhilfen für Wohnungslose?
Die nasse Kälte draußen tut weh. Schon, wenn man nur auf den Bus nach Hause warten muss. Erst recht, wenn man überhaupt kein Zuhause hat. Wie Daniel.
Gegen Mittag steht er auf der Rolltreppe in der U-Bahn-Station Rüttenscheider Stern, fährt hoch ins Freie. Sein Rücken ist gebeugt, seine Kleidung verschmutzt, die Haut seiner Hände rauh und blutig-wund. Ein Kumpel ist dabei – beides Männer, die man hier im Viertel häufig sieht. Sie kommen gerade aus der Innenstadt. Sie leben auf der Straße.
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Essener Wohnungsloser schläft bei Kälte im Parkhaus am Hauptbahnhof
Obwohl die Temperaturen kaum über dem Gefrierpunkt liegen, schläft Daniel, nach eigenen Angaben 43 Jahre alt, draußen. Heute habe er im Parkhaus am Hauptbahnhof übernachtet, erzählt er. Es sei nicht erlaubt, werde aber geduldet. Die zerschlissene Tasche, die er dabei hat, ist fast leer. Seine Sachen, sagt Daniel, habe er in einer Kiste versteckt, irgendwo in der City. Viel sei es nicht, „nur eine Sommerdecke und ein Schlafsack“. Die Kälte sei momentan für ihn noch zu ertragen, meint der wohnungslose Essener, der sich tagsüber rund um die Rüttenscheider Straße etwas Bargeld erbettelt. „Man härtet ab.“ Er redet freundlich und bereitwillig. Fotografiert werden möchte er nicht.
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Kälteschutz für wohnungslose Menschen: Schon im November hat die Stadt Essen eine Übersicht aller aktuellen Hilfsangebote veröffentlicht. Angebote verschiedenster Träger sind aufgeführt: Aufenthaltsmöglichkeiten für den Tag und die Nacht, Verpflegung, Kleidung, medizinische Versorgung. Sicher hilfreich für viele, nur Menschen wie Daniel erreicht man damit nicht. Er hat kein Smartphone. Wo man Hilfe bekommt, „das spricht sich unter den Leuten herum“, sagt er. Auch Streetworker der Suchthilfe seien regelmäßig draußen auf der Straße unterwegs, mit warmen Getränken, Essen, Informationen.
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Suchthilfe Essen: Dank Spende Großeinkauf für die Winterhilfe
Einer von ihnen ist Caspar Stolz, Streetworker bei der Suchthilfe Direkt Essen gGMBH, einer Tochtergesellschaft der Stadt. Die City-Parkhäuser seien vor allem im Winter beliebte Übernachtungsstellen für Wohnungslose und zur Zeit stark frequentiert, bestätigt er, „weil man dort relativ geschützt ist“. Er und andere Streetworker seien regelmäßig vor Ort.
Die Suchthilfe betreibt auch das Krisencafé an der Hoffnungsstraße, in dem sich drogenkranke Menschen tagsüber aufhalten können. Für diesen Winter bekam die Suchthilfe nach eigenen Angaben eine großzügige Spende, mit der Wärmendes gekauft werden konnten. Vieles sei noch im Lager, sagt Stolz, und zählt exemplarisch auf: „Thermoskannen, Isomatten, Fleecejacken, warme Socken, Mützen und Schals, Thermodecken.“ Die Sachen würden mitgenommen, wenn die Teams nach draußen gehen. Sie sind nicht nur in der City unterwegs, auch in Essener Außenbezirken.
„Unbedingt wichtig ist, vor allem bei Kälte, dass die Leute genügend essen“, ergänzt der Streetworker. Daher gibt es seit Anfang Dezember bis Mitte Februar im Krisencafé kostenloses warmes Mittagessen. Offenbar wird es dankbar angenommen: „Es sind 50 bis 70 Essen, die hier täglich rausgehen.“
Noch freie Plätze in Notschlafstellen für Männer und Frauen
In den Essener Notschlafstellen sind noch Plätze frei. Für Männer stehen an der Licht- und an der Papestraße insgesamt 98 Übernachtungsplätze bereit. Nach Angaben der Stadt sind davon aktuell 81 belegt. Im Rahmen der Winterhilfe könnten an der Papestraße notfalls 14 weitere Plätze geschaffen werden. Die Notschlafstelle für Frauen an der Grimbergstraße bietet maximal 35 Wohnungslosen Platz, doch in der Regel übernachten dort nur 16 Frauen.
Jugendliche können im Raum 58 unterkommen, wo es sechs reguläre Plätze gibt und zwei für Notfälle. Seit Herbst 2024 wurden weitere acht Plätze in einem Gebäudetrakt der Flüchtlingsunterkunft Kloster Schuir geschaffen. Der Bedarf ist groß und wächst. „Alle diese Plätze sind durchgängig belegt“, heißt es bei der Stadt.
Essener Kältenotruf: für Wohnungslose, besorgte Bürgerinnen und Bürger
Eine wichtige Nummer ist 0201-22 22 22, der Essener Kältenotruf. „Bei Temperaturen unter - 5 Grad erreichbar“, heißt es offiziell. Doch auch bei Plusgraden geht sofort jemand dran. Anrufende landen bei der Einsatzleitzentrale des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der Notruf ist gedacht für Betroffene, die durch Übernachtungen im Freien gefährdet sind, aber auch für besorgte Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Ein spezielles Hilfsangebot des DRK wurde am Montagabend (13.1.) erstmals geöffnet: die Wärmezelte für wohnungslose Männer. Weil in der Nacht Temperaturen bis minus fünf Grad erwartet wurden, stellte das Rote Kreuz in Borbeck zwei beheizte Zelte zur Verfügung, in denen es warme Schlafplätze und Verpflegung gibt. Seit fünf Jahren sind diese Zelte in frostigen Nächten in Betrieb, vielleicht lebensrettend für die Menschen, die zum Teil aus der Essener Innenstadt hierhin kommen.
1004 Übernachtungen hat es laut DRK seit dem Winter 2019/20 in den Wärmezelten gegeben, fast 5700 Dienststunden hätten Freiwillige schon dafür geleistet. Das Projekt wird komplett von Ehrenamtlichen geschultert. Momentan, an den nass-kalten Abenden, fahren DRK-Helferinnen und -Helfer auch mit ihrem Kältebus bekannte Schlafplätze von Wohnungslosen an, verteilen heiße Getränke, Schlafsäcke, trockene Kleidung.
Wenn in nächster Zeit noch eine richtig harte Frostperiode kommt, was dann? Daniel, der Wohnungslose, der tagsüber über die Rüttenscheider Straße stromert, hat noch keinen Plan. Er zuckt mit den Schultern: „Das überleg ich mir, wenn es soweit ist.“
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