Essen. Aus Protest bleiben am Mittwoch (14. Juni) viele Essener Apotheken geschlossen. In Notfällen geben sie Medikamente durch die Klappe raus.
Wer ein Rezept für ein Medikament einlösen will oder einen Fiebersaft für die Kinder kaufen möchte, könnte am Mittwoch, 14. Juni, vor verschlossenen Türen stehen. Denn auch zahlreiche Essener Apotheken beteiligen sich am bundesweiten Protesttag – und bleiben an diesem Tag geschlossen. „Es geht uns nicht darum, feste Forderungen durchzuboxen, sondern darum, auf unsere Belange hinzuweisen“, sagt der Sprecher der Essener Apotheken, Hanno Höhn.
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Dass es dabei auch ums Geld geht, bestreitet Höhn nicht: So seien zum Beispiel die Festbeträge für die verschreibungspflichtigen Medikamente seit Jahren nicht erhöht worden. Das wirke sich erheblich auf die Apotheken aus, die ihre Vergütung in erster Linie durch die verschreibungspflichtigen Arzneimittel erzielen. „Trotz steigender Kosten und der Inflationsentwicklung haben die Apotheken in den vergangenen zehn Jahren keine Honoraranpassung erhalten“, kritisiert der Deutsche Apothekerverband (DAV). Da sei etwas aus der Balance geraten, findet auch Höhn: „Schließlich zahlen wir gleichzeitig gute Gehälter.“ Ute Brand, die die Essener Margarethen-Apotheke betreibt, stimmt zu: „Der Festbetrag muss deutlich erhöht werden.“ Auch sie nehme daher am Protesttag teil.
Zahl der Apotheken ist auch in Essen gesunken
Der Apothekerverband spricht von einer „schwierigen Lage“ für die Zunft und verweist auf eine seit Jahren sinkende Zahl von Apotheken: Gab es vor gut einem Jahrzehnt bundesweit noch etwa 21.000, ist die Zahl im vergangenen Jahr auf 18.000 gesunken. In Essen habe es vor der Pandemie noch 126 Apotheken im Verband gegeben, sagt Hanno Höhn, heute sind es 121. „Das ist noch keine Dramatik, wir sind hier noch gut aufgestellt, aber es ist ein Trend.“ Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, würden sie nicht mehr automatisch einen Nachfolger finden.
Probleme wie auf dem Land oder in städtischen Randlagen, wo das Apothekennetz nicht mehr so eng geknüpft sei, gebe es in den Großstädten des Ruhrgebiets nicht. „Aber wenn der Beruf unattraktiver wird, findet sich irgendwann nicht mehr an jeder Ecke eine Apotheke“, fürchtet Höhn. Viele Kollegen und Kolleginnen, die mit Lieferengpässen und Personalnöten ringen müssten, vermissten die Wertschätzung für ihre Arbeit.
Wachsende Bürokratie ärgert die Apotheker
Als Ärgernis erlebten sie beispielsweise eine wachsende Bürokratie und eine oft kleinliche Regelauslegung seitens der Krankenkassen: Etwa wenn der Arzt keine Dosierungsgröße notiert habe, und der Apotheker das Medikament dem Patienten dennoch aushändige: „Dann ist das ein Formfehler und die Kasse ersetzt uns null Euro – obwohl wir die Leistung erbracht und dem Kunden geholfen haben.“
Besonders misslich sei das, weil von den Apothekern umgekehrt große Flexibilität verlangt werde. „Die Apothekenteams retten jeden Tag Leben, indem sie alternative Präparate für nicht verfügbare Arzneimittel beschaffen“, betont der Deutsche Apothekerverband: „Anstatt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln über die Apotheken vor Ort zu stabilisieren, wird sie geschwächt.“ Als unfair empfindet Höhn zum Beispiel die von der Bundesregierung beschlossenen Rabatte für die Kassen, die zulasten der Apotheken gingen.
Notversorgung ist auch am Protesttag sichergestellt
Ob die Kunden Verständnis für die Nöte eines Berufsstandes haben, der traditionell als wohlbestallt (Stichwort „Apothekenpreise“) gilt? Hanno Höhn, der die Nordstern-Apotheke in Karnap betreibt, ist da zuversichtlich: „Wir wollen den Protesttag ja nutzen, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und unsere Lage zu erklären.“ Darum würden am Mittwoch, 14. Juni, auch längst nicht alle Kollegen zur Demo nach Düsseldorf fahren, sondern mancher sich den Fragen der Kunden stellen.
Damit Patienten planbare Besuche nicht gerade auf den Protesttag legen, sprechen die Apotheker in diesen Tagen ihre Kunden an und informieren die Arztpraxen. Mehr als die Hälfte der 121 Essener Apotheken werde die Tür am Mittwoch geschlossen halten: „Aber manche werden in Notfällen das Antibiotikum über die Klappe rausgeben.“ Denn der reguläre Notdienst allein werde die Versorgung wohl nicht stemmen können. „Und wir wollen nicht, dass kranke Menschen durch ganz Essen irren müssen.“