Bottrop. Es gibt gute Nachrichten für die Opfer: Die Summe, die der Insolvenzverwalter aus dem Vermögen des Skandal-Apothekers gesammelt hat, steht fest.

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des verurteilten Skandalapothekers Peter Stadtmann hat Insolvenzverwalter Dirk Andres nach WAZ-Information 12,5 Millionen Euro Insolvenzmasse zusammengetragen. Das Geld stammt zum größten Teil aus dem Verkauf von Immobilien aus dem Besitz des Bottroper Ex-Apothekers. Thomas Feldmann, Sprecher des Insolvenzverwalters, macht dazu auf WAZ-Anfrage mit Hinweis auf das nicht öffentliche Insolvenzverfahren keine Angaben.

Stadtmann hat nach Überzeugung der XXI. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Essen bis zu seiner Verhaftung Ende 2016 systematisch Krebsmedikamente gestreckt und unterdosiert. Wegen fast 15.000 Verstößen gegen das Arzneimittelrecht und Millionenbetruges an Krankenkassen wurde er im Juli 2018 zu zwölf Jahren Haft plus lebenslangem Berufsverbot verurteilt.

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In ihrem Urteil hatte die Strafkammer unter Vorsitz von Johannes Hidding dem damaligen Betreiber der „Alten Apotheke“ Habgier als Motiv attestiert und als strafverschärfend gewertet, dass er das Strecken der Krebsmedikamente „über Jahre systematisch geplant“ habe. Den nachweisbaren Schaden bezifferte die Kammer damals auf 17 Millionen Euro. Das sei der „Wertersatzbetrag“, für den Stadtmann mit seinem Vermögen hafte.

Richter zu Stadtmanns Motiv: „Es ist ganz schlicht Habgier“

Die Staatsanwaltschaft Essen hatte nach dem Urteil einen Insolvenzantrag gestellt, um die Immobilien des Ex-Apothekers zu Geld machen zu können. Stadtmann hat sich gegen das Urteil, das Berufsverbot und das Insolvenzverfahren durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht weitgehend erfolglos gewehrt. 2019 stellte er selbst einen Insolvenzantrag, der später mit dem der Staatsanwaltschaft zu einem Insolvenzverfahren zusammengefasst wurde.

Beim Bundesgerichtshof brachte die Stadtmann-Revision gegen das Urteil des Landgerichts einen Teilerfolg, der Bedeutung für das Insolvenzverfahren hat. Die Bundesrichter verwarfen zwar die Revision, setzten aber die Summe herab, für die Stadtmann mit seinem Vermögen haftet. Das Gericht ordnete „die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 13.605.408 Euro“ an; 3,3 Millionen Euro weniger als das Landgericht. Begründung: „Da nur die zum Nachteil der Krankenkassen und sonstiger Kostenträger erfolgten betrügerischen Abrechnungen Gegenstand der Verurteilung sind, kommt eine Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen lediglich in Höhe der insoweit erlangten Gelder in Betracht.“

Villa in Kirchhellen mit Rutsche in den Pool brachte 6,7 Millionen Euro

Im Insolvenzverfahren verkaufte Insolvenzverwalter Dirk Andres die Kirchhellener Villa am Hagelkreuz (6,7 Millionen Euro), ein Wohn- und Geschäftshaus in Gelsenkirchen, eine Tankstelle an der Bottroper Straße in Oberhausen-Osterfeld (235.000 Euro) sowie die „Medi-City“-Ärztehäuser an der Hochstraße. Nach Angaben des Insolvenzgerichtes gingen sie im Dezember 2022 im Paket für 12,5 Millionen Euro an einen Investor.

Das Geld komme aber nur zu einem Teil in die Insolvenzmasse, sagte damals der Sprecher des Insolvenzverwalters Thomas Feldmann: „Der zu erwartende Erlös aus der Immobilienverwertung kommt nicht uneingeschränkt den Gläubigern zugute, da der Insolvenzverwalter die Rechte der Banken berücksichtigen muss.“ Die hatten ihre Kredite an Stadtmann für den Kauf der Immobilien mit Grundbucheinträgen abgesichert.

Die Berichterstattung über Peter Stadtmann

Schadenersatz- und Schmerzensgeldklagen in 15 Fällen abgewiesen

Anspruch auf Entschädigung aus der Insolvenzmasse haben im Prinzip auch Stadtmann-Patientinnen oder ihre Hinterbliebenen, wenn sie vor Gericht Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche durchsetzen können. In der ersten Instanz vor dem Landgericht Essen habe es bisher 28 Verfahren gegeben, sagt Gerichtssprecher Mathias Küsters auf WAZ-Anfrage. In zwölf Verfahren hätten Opfer Ansprüche erfolgreich geltend machen können, in 15 Verfahren seien die Klagen abgewiesen worden; ein Verfahren sei noch anhängig: „Da läuft noch die Beweisaufnahme.“

Bei den gewonnenen Klagen seien den Opfern Geldsummen zwischen 4000 und 30.000 Euro zugesprochen worden, berichtet der Stuttgarter Opferanwalt Manuel Reiger. Rechtskräftig ist erst allerdings erst eines der Urteile, sagt Gerichtssprecher Küsters: In einem Verfahren, in dem die Entschädigungsklage abgewiesen wurde, habe die Klägerin auf Rechtsmittel verzichtet. In allen anderen Verfahren haben die jeweiligen Verlierer Berufung eingelegt. Voraussichtlich 2025 wird es deshalb eine weitere Prozesswelle vor dem Oberlandesgericht Hamm geben.

Krankenkassen fordern von Stadtmann inzwischen 124 Millionen Euro

Wenn der Insolvenzverwalter dem Beschluss des Bundesgerichtshofs folgt und die Stadtmann-Haftung gegenüber den Krankenkassen auf 13,7 Millionen Euro begrenzt, wachsen die Chancen der Opfer nach einem gewonnenen Prozess auf eine hohe Quote aus der Insolvenzmasse. Werden dagegen alle Forderungen der Kassen anerkannt, bleibt für die Opfer nur wenig übrig. Die summieren sich inzwischen auf 124 Millionen Euro.

Zu dieser Frage äußert sich der Insolvenzverwalter allerdings nicht öffentlich, sagt sein Sprecher Thomas Feldmann: „Wie Sie wissen, sind Insolvenzverfahren nicht-öffentlich. Aus diesem Grund können wir Ihnen keine Auskunft über Gläubiger, Gläubigerforderungen, Verkaufserlöse sowie Schadenersatzklagen erteilen.“

Unterdessen entscheidet sich in den nächsten Wochen, ob Peter Stadtmann noch in diesem Jahr das Gefängnis verlässt. Mitte Dezember sind zwei Drittel seiner Haftstrafe von zwölf Jahren abgelaufen. Zu diesem Zeitpunkt wird eine Freilassung von Amts wegen geprüft. Die Entscheidung über die vorzeitige Entlassung fällt die Strafvollstreckungskammer in Bielefeld, weil Stadtmann dort inhaftiert ist. Sie ist noch nicht gefallen.