Bottrop. Es war eines der größten Bauprojekte der City: Der Berliner Platz sollte ein Knotenpunkt werden, mit Tiefbahnhof. Den Tunnel gab‘s schon.
Kaum ein Platz in der Bottroper Innenstadt hat sich in den letzten 100 Jahren so stark verändert, wie der Berliner Platz. Tiefgreifend, möchte man fast sagen. Denn wer erinnert sich noch an die ehrgeizigen Tunnelpläne unter dem alten Stadtplatz, der in den 1920er Jahren noch Trappenkamp heißt und der fast einmal einen unterirdischen S-Bahnhof bekommen hätte?
Analog zum späteren Stuttgart 21 hätte es dann bereits ein Bottrop 83 (?) gegeben. Zwar ist Stuttgart 21 heute immer noch Baustelle, aber im Gegensatz zu Bottrops unterirdischem City-Bahnhof scheint dort irgendwann ein Zug zu halten.
Bottrops Berliner Platz: Die City-Anbindung an die Bahn war vor 15 Jahren längst passé
Immerhin: Bottrop hat seit 2010 seinen neuen ZOB, an dem auch Busse verkehren und einen Platz, von dem nur das Schicksal der Westflanke (früheres Hansa-Center, vor dieser Zeit: Westfalia-Brauerei) noch ungewiss ist. Der Platz-Süden ist ohnehin in Stein gemeißelt, allein schon durch die denkmalgeschützte alte Post und das markante frühere katholische Stadthaus. Die ZOB-Bauten, die wie ein Riegel seit 15 Jahren den früher größer wirkenden Platz teilen und vor allem das neue Büro- und Geschäftshaus („Kaufland“) im Osten sind seit dem Abriss des alten Hallenbades 2007 ebenfalls „gesetzt“.
Wenige Plätze sind wohl auch so sehr Experimentierfeld für Architekten und Stadtplaner gewesen, wie der Trappenkamp / Berliner Platz. Legendär für manche noch heute die Entwürfe von Stadtbaurat Lange aus den 20er Jahren. Stadthalle mit Theater, Verwaltungsgebäude, kurz: ein zweiter Rathausplatz mit ähnlich einheitlicher Bebauung sollte damals entstehen. Wie ältere Bottroperinnen und Bottroper wissen, kommt die Umsetzung über eine wuchtige Treppenanlage nicht hinaus. Wie auch die heutige Treppe zwischen den Riegelbauten am ZOB, gleicht sie den bereits den Niveauunterschied zwischen Post- und Horster Straße aus.
Der Trappenkamp bleibt lange eine Grün- und Freifläche. Von Maikundgebungen, den großen kirchlichen Feiern, wie der jährlichen Fronleichnamsprozession oder der 800-Jahrfeier von St. Cyriakus, bis zu Schützenfesten und der Kirmes findet dort alles statt, wofür man in der Innenstadt Platz braucht. Ab den 50er Jahren ist der nun offiziell Berliner Platz benannte Platz nicht nur Wochenmarkt- und Kirmesplatz. Im Grunde alle zehn Jahre finden auch größere Bauarbeiten statt.
1957 wird das Hallenbad eröffnet. Die gesamte Ostseite des Platzes erhält die bis zum Abriss des Stadtbades 2007 einheitliche Ostfront im 50er-Jahre Stil. Bis heute erinnert daran zum Beispiel das Eckhaus mit der Kneipe „Am Hallenbad“. Später folgt das Katholische Stadthaus direkt neben der Post. Die Nordseite an der Horster Straße verändert sich durch den Busbahnhof. Mit dem großflächigen Stadtumbau seit den 60er Jahren die wuchtigen Bauten von Commerzbank und Böhmer-Haus. An die Vorkriegszeit erinnern nur noch die Westfalia-Brauerei und das neo-barocke Wohn- und Wirtshaus der Brauereifamilie Jansen.
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahren wird es wieder „baulustig“ am Berliner Platz. An der Westseite entsteht das Hansazentrum, dessen anfängliche Erfolgsgeschichte nach knapp 30 Jahren und längerem Todeskampf 2010 endet. Ebenfalls in den 80er Jahren gibt es ehrgeizige Verkehrspläne. Man möchte die Innenstadt endlich auch ans Bahnnetz anschließen, denn der alte Hauptbahnhof, das noch teils aus Fachwerk bestehende „Knusperhäuschen“ liegt einfach zu weit außerhalb.
Mit dem Abriss des Hallenbades verschwinden auch Bronzefiguren und das große Bleiglasfenster
Ein Tunnel entsteht. Aber die Züge halten weiter – und bis heute – im äußersten Süden, nur dass das alte, 1995 abgerissene, Knusperhäuschen inzwischen ein moderner Haltepunkt (Hauptbahnhof) mit angeschlossenem Einkaufszentrum (oder umgekehrt) ist. Als 2006 die letzten großen Umbauten am Berliner Platz beginnen, liegt das Hansazentrum schon in den vorletzten Zügen. Erste Mieter verlassen das Einkaufszentrum. 2007 verschwindet das Hallenbad. Der brachliegende Bahntunnel wird verfüllt und der heutige ZOB entsteht.
Oben, entlang zur Horster Straße, halten Bottrops Buslinien. Der neue Riegelbau verstellt zwar die Sicht auf die historische Post, beherbergt dafür im rückwärtigen Sockelgeschoss auf der Platzebene Gastronomie. Anstelle des alten Hallenbades, dessen Abriss in der Bevölkerung sehr kontrovers diskutiert wird, steht heute Kaufland. Das wuchtige, vor 15 Jahren eröffnete Büro- und Geschäftshaus nimmt mit seiner bewusst gewählten Ziegelfassade das alte Bottroper Baumaterial auf und knüpft damit auch an die historische Post an. Wo früher geschwommen wurde, wird heute eingekauft: im „Kaufland“.
Der 5400 Quadratmeter große Supermarkt sorgt für Frequenz am Platz. Immerhin kamen im abgelaufenen Geschäftsjahr etwas mehr als eine Million Kundinnen und Kunden in den Kaufland-Lebensmittelmarkt, wie die Geschäftsführung des Unternehmens auf Nachfrage mitteilt. Das alte Hallenbad besuchten im letzten Öffnungsjahr 2006 etwa 102.000 Schwimmgäste. Für den größten Skandal bei dessen Abriss sorgt wohl 2007 die Vernichtung der wertvollen Bleiverglasung.
- Jugendparlament: Schulbau an der Paßstraße ist „verantwortungslos“
- Größte Innenstadt-Baustelle verzögert sich noch mal
- Verlierer der Grundsteuerreform: „Vom Finanzamt bestraft“
- Karstadt-Haus: Neue Entwicklungen zur Übernahme
- Werksschließung: Letzter Nadler-Salat ist vom Band gelaufen
Angeblich ist es damals nur möglich, einen Bruchteil des riesigen Fensters von Hans Lünenborg zu erhalten. Der ist heute im alten Arbeitsamt im Kauflandgebäude. Der größte Teil des mundgeblasenen Opal- und Goldrosaglases mit echten Goldoxyden geht als Bauschutt unter. Die Bronzefiguren von Theo Heiermann an den Türgriffen oder am Geländer sind da schon längst verschwunden.