Bottrop.
Sie lieferte nicht nur Bier für Bottrop und Umgebung, die Westfalia-Brauerei setzte die Stadt buchstäblich unter Strom. Denn für 25 Jahre produzierte Bottrops erstes Elektrizitätswerk, das Brauereigründer Bernhard Jansen 1896 erbauen ließ, Strom nicht für den Eigenbedarf, sondern für die Straßenbeleuchtung des stark wachsenden Ortes.
Erst zwei Jahre nach der Stadterhebung von 1919 kaufte die Stadt dem Brauereibesitzer das Elektrizitätswerk für 450 000 Reichsmark ab, wie Rolf Gosdek in seinem Kompendium „Bottroper Bier“ vermerkt, einem Band der „Mitteilungen aus dem Museum für Ur- und Ortsgeschichte“.
Seit dem 15. Jahrhundert
Darin führt Gosdek nicht nur die Geschichte des Gerstensafts auf, der in Bottrop nachweislich seit dem 15. Jahrhundert gebraut wird. Auch alte Gastwirtwirtsfamilien - spätestens seit dem 17. Jahrhundert - die über das heutige Stadtgebiet verteilt ihr eigenes Bier brauten, finden Erwähnung. Wer aber in Bottrop von Bier spricht, stößt immer wieder auf die Westfalia-Brauerei und Familie Jansen. Über drei Generationen lag der typische Brauereigeruch über der Altstadt. Seit 1874 brauten die Jansens dort, wo heute das Hansazentrum steht. Bis zum Abriss des prächtigen Wohn- und Verwaltungshauses, das ihr Urgroßvater 1906 errichten ließ, lebte auch Bettina Jansen in diesem Haus am Berliner Platz. „Es war im Krieg zwar stark beschädigt worden, wurde aber wieder hergerichtet, und kurz bevor ich mein Abitur ablegte, zogen wir aus“, erinnert sich die Juristin und Nachfahrin der letzten Bottroper Brauereibesitzer-Familie.
Für viele ging mit dem Abriss auch ein Stück Gastronomiegeschichte unter. Das Haus gehörte zu den beliebten Treffpunkten in der Stadt quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Nach Veranstaltungen in der Schauburg, zum Sonntagsfrühschoppen oder einfach nur auf ein Bier: die Kellner, vor allem Gerd Gauntner, waren eine Institution. Bürgerlich-gediegen ging es zu am Berliner Platz.
Gediegen auch das Bier. Familie Jansen widerstand über Jahrzehnte dem Massentrend. Bereits 1882 stellte man von obergärigem Bier auf untergärige Brauart um. Zehn Jahre später ersetzte die erste Eismaschine das bis dahin für die Kühlung verwendete Natureis. Das karrten die Bauern im Winter von zugefrorenen Teichen und überfluteten, vereisten Wiesen heran, wo es dann in einfachen Kühlhäusern bis in den Sommer für kühle Fässer sorgte.
Bettina Jansens Urgroßvater schaffte eine Abfüllanlage an. Dampfmaschinen, Kohlensäure-Kompressoren und das erwähnte Elektrizitätswerk ließen die Westfalia-Brauerei zum Industriebetrieb werden.
Auf den Gründer Bernhard Jansen folgt dessen zweiter Sohn Carl 1919 an die Spitze. Die Einzelhandelsgesellschaft wird GmbH, man kämpft mit den Folgen des Ersten Weltkriegs, Rohstoffknappheit und das so genannte „Einfachbier“ der schlechten Zeit wirkten wie ein Dämpfer. Beim Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen 1924 ging es wieder bergauf. Ein Exemplar der „Erinnerungs-Blätter“, der Festschrift von damals, überreichte Bettina Jansen jetzt der Historischen Gesellschaft. Deren Vorsitzende Elsbeth Müller wird sie achtsam verwahren.
Das Firmen- und Familienarchiv der Jansens hat durch den Krieg gelitten. „Manches vernichteten die Brandbomben, vieles wurde durch Löschwasser zerstört, nach den alten Rezepten suchen wir noch“, sagt Bettina Jansen. Deren Vater Bernhard hatte das Unternehmen bereits 1936 übernommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sah er den Betrieb mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert wie schon 25 Jahre zuvor. Doch vom einsetzenden Wirtschaftswunder profitierte auch die Westfalia-Brauerei. Pils, Export, Malzbier und Limonade gehörten zum Kerngeschäft. Zumindest bis 1967, als man mit der Duisburger König-Brauerei fusionierte und als „Lohnbrauerei“ arbeitete.
Bereits ein Jahr später wird der Braubetrieb in Bottrop eingestellt, 1976 die Westfalia-Brauerei B. Jansen KG aufgelöst. Die Stadt hatte einen Industriebetrieb weniger.