Bochum-Wattenscheid. Mittwoch soll der Bezirksbürgermeister von Bochum-Wattenscheid abgewählt werden. Im Vorfeld laufen viele Gespräche – mit spannenden Ergebnissen.

Mit viel Spannung wird die kommende Sitzung der Bezirksvertretung in Bochum-Wattenscheid erwartet. Sie ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich, denn das, was am Mittwoch, 26. Juni, ab 16 Uhr im großen Sitzungssaal des Wattenscheider Rathauses passieren wird, gab es in Bochum so noch nicht. In dieser Zusatzsitzung soll der amtierende Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (SPD) abgewählt werden. Ein entsprechender Antrag, unterschrieben von SPD, FDP, CDU und UWG:Freie Bürger, liegt vor. Da im Zuge der politischen Querelen die Grünen die Koalition mit der SPD und der FDP innerhalb der Bezirksvertretung aufgekündigt hatten, gab es in den vergangenen Tagen viele Gespräche hinter den politischen Kulissen von Wattenscheid – mit spannenden Ergebnissen.

Polit-Streit in Bochum-Wattenscheid: Stellt die CDU bald den Bezirksbürgermeister?

Ähneln die Sitze im modernisierten Lohrheidestadion zu sehr den Farben des VfL Bochum? Darüber wurde in den letzten drei Monaten in Wattenscheid, Heimat der schwarzweißen SG09, heftig diskutiert. Während sich auch die Bezirksvertreter über die (letztlich täuschende) Farbwahl echauffierten, konnte Bezirksbürgermeister Herzog den Wirbel nicht verstehen. Diese Meinung vertrat er auch in einem WAZ-Interview und bezeichnete das Ganze später zudem noch als „Killefit“. Seine Äußerungen fielen ihm anschließend auf die Füße. Innerhalb der Bezirks-Fraktionen wurde Herzogs Abwahl initiiert. Auch, weil das Vertrauen in ihn angeblich schon vorher verloren gegangen war.

Ärger ums Lohrheidestadion - so haben wir berichtet:

Nachdem sich die Grünen anschließend überraschend aus der Koalition verabschiedet hatten, wird in der Wattenscheider Politik nun gesprochen, verhandelt und sondiert. Plötzlich scheint, je nach Bündnis, sogar ein CDU-Bezirksbürgermeister möglich. Am Dienstag, 25. Juni, kündigten die Grünen jedenfalls an, eine Kandidatur von Marc Westerhof zu unterstützen. Dem voran gegangen waren Gespräche mit der SPD am Montagabend, 24. Juni. Diese hatte darin mitgeteilt, Wolfgang Rohmann, den Fraktionsvorsitzenden, ins Rennen zu schicken.

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Da der noch amtierende Bezirksbürgermeister Herzog bei der Sitzung fehlen wird (siehe Info-Box) und sich Rolf Heyer von Koalitionspartner FDP auf einer Kreuzfahrt befinden soll, käme die SPD nur auf sechs Stimmen, zuzüglich der zwei von der UWG:Freie Bürger zugesicherten letztlich auf acht Stimmen. CDU und Grüne kämen zusammen ebenfalls auf acht Stimmen. Sollte damit Lars Schmidt vom Bündnis Deutschland, ein ehemaliger AfD-Politiker, das Zünglein an der Waage spielen?

„Auf keinen Fall“, stellt Wolfgang Rohmann klar. „Ich lasse mich nicht mit einer Stimme von einer nicht-demokratischen Partei wählen. Ich würde die Wahl dann nicht annehmen.“ Rohmann bezeichnet es als „schlechten politischen Stil“, sollte im Gegenzug die Opposition die Situation ausnutzen. „Das entspricht nicht meinem Demokratieverständnis.“ Eher schon, dass man sich im Falle einer Patt-Situation auf ihn als Bezirksbürgermeister verständige. Er vertrete immerhin die stärkste Fraktion in der Bezirksvertretung.

Königsmacher Bündnis Deutschland? Die SPD in Bochum-Wattenscheid hat dazu eine klare Haltung

Deborah Steffens, Wattenscheider SPD-Ratsfrau und Verhandlungsführerin, hofft bis zuletzt noch auf ein Einlenken der Grünen. „Es wird am Abend nochmal Gespräche geben“, sagte sie am Dienstagnachmittag. Auch Steffens schließt kategorisch aus, dass der Mann vom Bündnis Deutschland zum „Königsmacher“ für die SPD werde. „Das wird nicht passieren.“

„Die Zeit unter einem CDU-Bezirksbürgermeister in Wattenscheid war verglichen mit jetzt deutlich ruhiger und besser.“

Sebastian Pewny

Die Grünen erklären ihren „eindeutigen Beschluss“, für den CDU-Mann stimmen zu wollen, mit der Kandidatur Rohmanns, wie der Wattenscheider Ratsherr Sebastian Pewny berichtet. Er bezeichnet Rohmann als „Hauptarchitekten des Chaos in Wattenscheid“, der die Abwahl „aus eigenem Machtinteresse“ initiiert habe. Man wolle „einen Königsmörder nicht belohnen“. Ein anderer SPD-Kandidat, so Pewny, hätte Aussicht auf Unterstützung durch die Grünen gehabt.

Wattenscheider CDU-Kandidat will eine mögliche Wahl annehmen – so oder so

Marc Westerhoff gehe es um Wattenscheid, er habe sich die ganze Zeit zurückgehalten. „Und die Zeit unter einem CDU-Bezirksbürgermeister in Wattenscheid war verglichen mit jetzt deutlich ruhiger und besser“, findet Pewny. Allerdings habe man auch eine klare Erwartungshaltung: Dass Westerhoff die Wahl nicht annimmt, sollte er offensichtlich mit der Stimme von Bündnis Deutschland gewählt werden.

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Marc Westerhoff, designierter Kandidat der CDU, sieht das jedoch nicht ganz so eng. Er bestätigt die Zusage der Grünen, ihn zum Bezirksbürgermeister wählen zu wollen. „Ich hoffe, da kommt nichts dazwischen.“ Westerhoff kann sich auch eine weitere Zusammenarbeit mit den Grünen vorstellen. „Vielleicht ist das ja ein Modell für die Zukunft.“

„Wolfgang Rohmann hat sich bei seiner eigenen Partei für die Abwahl auf dünnes Eis begeben.“

Hans-Josef Winkler

Und vielleicht mit ihm als Bezirksbürgermeister. Ob mit oder ohne Stimme von Lars Schmidt (Bündnis Deutschland), könne er nicht beeinflussen. „Die Wahl ist ja geheim. Wer wie gewählt hat, kann man nicht sagen. Von daher würde ich die Wahl bei einem Stand von 9:8 annehmen.“ Zu Schmidt bestehe keinerlei Kontakt, „und wir werden auch weiterhin nicht mit ihm zusammenarbeiten“, so Westerhoff. Aber auch wenn Bündnis Deutschland von ehemaligen AfD-Politikern gegründet worden sei, „ist sie eine demokratische Partei, die nicht verboten ist und nicht beobachtet wird“. Er könne es nicht verhindern, von Schmidt gewählt zu werden, sagt Westerhoff, der jedoch hofft, dass das Ergebnis deutlicher ausfällt und sich solch eine Diskussion erübrigt. „Wer sagt denn, dass in der SPD-Fraktion alle Rohmann wählen? Da gibt es noch viele Fragezeichen. Es bleibt spannend bis zuletzt.“

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Den Antrag auf Abwahl des Bezirksbürgermeisters hatten die Grünen – wie angekündigt – nicht unterzeichnet. „Wir stehen aber zu unserem Wort, das Ansinnen mit unseren Stimmen zu unterstützen“, sagt Oliver Buschmann, der stellvertretende Bezirksbürgermeister, der am Montag noch die Absicht hatte, selbst zu kandidieren. Dies war einen Tag später aber schon wieder vom Tisch, wie Sebastian Pewny bestätigt: „Es wird keinen Kandidaten der Grünen geben.“

Bezirksvertreter von SPD, FDP, CDU sowie UWG:Freie Bürger haben diesen Antrag auf Abwahl des Bezirksbürgermeisters in Bochum-Wattenscheid unterschrieben.
Bezirksvertreter von SPD, FDP, CDU sowie UWG:Freie Bürger haben diesen Antrag auf Abwahl des Bezirksbürgermeisters in Bochum-Wattenscheid unterschrieben. © Gernot Noelle

Hans-Josef Winkler von der UWG:Freie Bürger kritisiert, dass es bei dem Abwahlverfahren „um Posten und nicht um sachgerechte Politik für Wattenscheid geht“. Gemeint sind damit die Grünen und die CDU, die ja Marc Westerhoff ins Rennen schicken werden. Wolfgang Rohmann, dem dies zum Teil vorgeworfen wird, nimmt er dabei in Schutz. „Wolfgang Rohmann hat sich bei seiner eigenen Partei für die Abwahl auf dünnes Eis begeben. Deshalb werden wir die Wahl von Herrn Rohmann unterstützen.“

„Erschreckend“: Kritik an Druck auf Wattenscheider Bezirksvertreter

Auch bezeichnet es Winkler als „erschreckend, wie in den letzten Wochen durch die Parteispitzen und aus dem Rathaus Druck auf die Wattenscheider Bezirksvertreter ausgeübt wurde. Zu einer Demokratie gehören auch unterschiedliche Meinungen innerhalb von Parteien und Fraktionen. Öffentliche Äußerungen von Parteivorsitzenden, Bundestagsabgeordneten und dem Vorsitzenden der Ratsfraktion waren hier völlig fehl am Platz.“ Die Abwahl von Hans-Peter Herzog sei eine Wattenscheider Angelegenheit.

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Sebastian Pewny, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat, empfiehlt, die Wahl eines neuen Bezirksbürgermeisters in die Sitzung nach der Sommerpause zu verschieben. „Um sich nicht in die Abhängigkeit der Stimme von Bündnis Deutschland zu begeben. Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird.“

Herzog fehlt bei Abwahl und will sein Mandat abgeben

Wenn am Mittwoch, 26. Juni, die Abwahl des Wattenscheider Bezirksbürgermeisters ansteht, wird die Person, um die es geht, wahrscheinlich gar nicht vor Ort sein. Amtsinhaber Hans-Peter Herzog (SPD) weilt noch immer im Urlaub und wird „erst am Mittwochnachmittag wieder zu Hause eintreffen“. Womöglich gerade dann, wenn im Rathaus über seine Zukunft entschieden wird.

Die scheint für ihn klar. „Das ist gegessen. Als ich in Urlaub gefahren bin, hatte ich mit dem Ganzen schon abgeschlossen“, sagt Herzog. „Ich gehe davon aus, dass ich abgewählt werde.“ Dabeisein wolle er nicht. „Das muss ich mir nicht antun, das kann man sich knicken.“ Ohne den in seinen Augen „großen Rückhalt in der Partei hätte ich schon vorher hingeschmissen“.

Er habe immer noch nicht gehört, „was ich Böses gemacht haben soll, außer gesamtstädtisch zu denken“. Er sei gespannt, wie man mit dem Chaos, das man in der Partei angerichtet habe, jetzt weiter klarkomme.

Er selbst wolle das sich nicht mehr antun. „Ich werde mein Mandat in der Fraktion abgeben“, so Herzog.