Bochum. Stolpert der Wattenscheider Bürgermeister über sein WAZ-Interview zur Sitz-Farbe im Lohrheidestadion? Kritiker fordern Rücktritt oder Abwahl.

Mit der Diskussion um die Farbwahl der Sitze im umgebauten Lohrheidestadion in Bochum-Wattenscheid fing es an, schienen diese zwischenzeitlich doch in Blau und Weiß, den VfL-Farben, installiert zu werden. Im Interview mit der WAZ bezog Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (SPD) dazu Stellung. Einige Aussagen darin fliegen ihm nun um die Ohren. Kritiker (auch aus der eigenen Partei) fordern seinen Rücktritt oder seine Abwahl. Auch die Koalition in der Wattenscheider Bezirksvertretung steht auf der Kippe. Und das Ganze zieht inzwischen stadtweite Kreise, was nach WAZ-Informationen vor allem innerhalb der SPD für große Unruhe sorgt. Immerhin steht im Herbst 2025 die Kommunalwahl an.

Streit um Stadionsitze führt zu SPD-Krise in Bochum

Herzog wird speziell von vielen Mitgliedern der Bezirksvertretung vorgeworfen, sich nicht als echter Wattenscheider zu zeigen und nicht hinter dem Bürgerwillen zu stehen. Zuvor hatte sich nahezu das gesamte Gremium über den schlechten Informationsfluss seitens der Stadt beschwert und dagegen ausgesprochen, die Farbe Blau wegen der Nähe zum Fußball-Rivalen VfL Bochum für die Stadionsitze zu verwenden. In einem Interview mit der WAZ Mitte April hatte sich der Bezirksbürgermeister irritiert gezeigt über die Debatte.

Stein des Anstoßes: Hier lesen Sie das WAZ-Interview mit Hans-Peter Herzog in voller Länge

Herzog bezeichnet darin die Farbkombination als „sehr ästhetisch und völlig neutral“, das gewählte Dunkelblau und Hellgrau erinnere ihn nicht im Geringsten an die Farben des VfL und er sehe auch die Politik über den Begleitbeirat für den Stadion-Umbau durchaus berücksichtigt. Auch die Art und Weise, wie sich viele Wattenscheider von der Stadt Bochum in der Volksseele verletzt sehen, kann Herzog im Interview nicht ganz nachvollziehen. Er sehe Wattenscheid fast 50 Jahre nach der Eingemeindung längst nicht mehr als Stiefkind.

Abwahl eines Bezirksbürgermeisters

Ein Abwahlantrag eines Bezirksbürgermeisters unterliegt Fristen und Quotierungen unter Anwendung der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (§ 67 GO NRW). Dies teilt die Stadtverwaltung auf WAZ-Anfrage mit.

So muss der Antrag wenigstens zwei Tage vor der Sitzung gestellt und von der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder gestellt werden. Über den Antrag ist ohne Aussprache und ohne Begründung abzustimmen. Der Beschluss über die Abwahl muss dabei mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Bezirksvertretung erfolgen.

Nachdem ihm in der jüngsten Sitzung der Bezirksvertretung von Mitgliedern der einzelnen Fraktionen ordentlich die Leviten gelesen wurden, wird hinter den Kulissen nun mehr oder weniger offen über Herzogs Ablösung diskutiert und diese vorangetrieben. Marc Westerhoff von der CDU, stellvertretender Bezirksbürgermeister, spricht von einem Bruch nach „dem Alleingang“ Herzogs. „Wir müssen schauen, inwieweit noch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich sein wird. Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen.“

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Dass zuletzt über eine mögliche Abwahl Herzogs gesprochen wurde, bestätigt Westerhoff ebenso wie Oliver Buschmann von den Grünen, ebenfalls stellvertretender Bezirksbürgermeister. Er sieht die Koalition in Wattenscheid, bestehend aus SPD, Grünen und Rolf Heyer von der FDP, in Gefahr. Das werde sicherlich auch bei der nächsten Koalitionsrunde zur Sprache kommen. Diese findet am Dienstag, 28. Mai, statt, eine Woche vor der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung (4. Juni). Vom Ortsverband habe man sich das Votum geholt, „dass wir in jede Richtung gehen dürfen“.

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Mit der SPD arbeite man „eigentlich sehr gut zusammen“, so Buschmann. „Das Problem ist der Bezirksbürgermeister. Wir in der Koalition haben das Gefühl, dass sich Hans-Peter Herzog nicht ausreichend für die Interessen des Bezirks und der Koalition einsetzt.“ Es habe zuletzt schon mehrfach Dissonanzen gegeben, die aber intern geregelt worden seien. Nun die Sache mit dem WAZ-Interview. „Wir haben inzwischen das Vertrauen in den Bezirksbürgermeister verloren“, sagt Buschmann.

Grüne in Wattenscheid zur Debatte um den Bezirksbürgermeister: „Abwahl oder Rücktritt“

Innerhalb der Bezirksfraktionen sei eine Abwahl Herzogs „Teil der Überlegungen“ gewesen. „Allerdings noch nicht so konkret, dass wir sagen, wir wollen ihn abwählen“, so Buschmann. Allerdings werde darüber sicher auch in der Koalitionsrunde diskutiert. Er hoffe, „dass die SPD dann erste Lösungsvorschläge liefert“. Wie diese für die Grünen aussehen müssten? „Abwahl oder Rücktritt“, stellt Buschmann klar.

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Er bestätigt, dass die Diskussion um den Bezirksbürgermeister auch stadtweit bei SPD und Grünen für Unruhe sorge, gerade im Vorfeld der Kommunalwahl. „Das hat schon auch Auswirkungen auf die stadtweite Koalition.“ Die Sorge, dass das Ganze negativ auf die Politik von SPD und Grünen in Bochum ausstrahle, sei groß und werde daher vorrangig als „bezirkliche Angelegenheit gesehen“.

Bezirksvertreter Hans Josef Winkler von der „UWG:Freie Bürger“ zusammen mit Wattenscheids Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (rechts) bei einer Jubilarehrung 2021 der Kolpingsfamilie Bochum-Höntrop. Winkler befürwortet eine Abwahl Herzogs.
Bezirksvertreter Hans Josef Winkler von der „UWG:Freie Bürger“ zusammen mit Wattenscheids Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (rechts) bei einer Jubilarehrung 2021 der Kolpingsfamilie Bochum-Höntrop. Winkler befürwortet eine Abwahl Herzogs. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Wolfgang Rohmann, Sprecher der SPD-Fraktion, hält sich im Vergleich zu Buschmann bedeckt. Auch er habe davon gehört, dass eine Abwahl oder ein Rücktritt Herzogs gefordert würden. „Wie seriös das ist, weiß ich jedoch nicht.“ Wie sich die SPD-Fraktion in der Causa Herzog positioniere, sei intern, „deshalb kein Kommentar“. Auch, ob es diesbezüglich Vorgaben der SPD Bochum gebe, mag Rohmann nicht kommentieren – „ist intern“. Über die Koalition in Wattenscheid müsse man reden, „wenn die Koalitionspartner nicht zufrieden sind“.

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Einer dieser Koalitionspartner ist Rolf Heyer von der FDP. Auch er zeigt sich sehr zugeknöpft und „will dazu nichts sagen“. Auf der Tagesordnung der nächsten Koalitionsrunde stehe „nichts drauf“. Hans-Peter Herzog habe in seinen Augen „viel Vertrauen verspielt“. Dabei gehe es „nicht nur um die Farbe der Sitze, sondern um das Verfahren“.

Wattenscheid hat eine Seele, die man schonend behandeln muss.
Hans-Josef Winkler - UWG:Freie Bürger

Hans-Josef Winkler von der „UWG:Freie Bürger“ hatte „gehofft, dass Hans-Peter Herzog sein Amt niederlegt. Er gehört für mich nach seinen Äußerungen nicht mehr dahin. Wattenscheid hat eine Seele, die man schonend behandeln muss“. Seine Abwahl könne man sich gut vorstellen, „da würden wir auch mitwirken“.

Übergabe eines Förderbescheids für die Waldbühne Bochum-Höntrop durch Ministerin Ina Scharrenbach in 2022: Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (rechts) mit SPD-Chef Serdar Yüksel (links) und OB Thomas Eiskirch, von denen er sich in der Diskussion um seine Person unterstützt fühlt.
Übergabe eines Förderbescheids für die Waldbühne Bochum-Höntrop durch Ministerin Ina Scharrenbach in 2022: Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (rechts) mit SPD-Chef Serdar Yüksel (links) und OB Thomas Eiskirch, von denen er sich in der Diskussion um seine Person unterstützt fühlt. © WAZ | Uli Kolmann

Auf Stadtebene spielen die Grünen das Thema runter. „Grundsätzlich entscheidet in diesem Fall die Bezirksvertretung“, sagt Claudia Rausch, die zugleich Vorsitzende der Bochumer Grünen und Sprecherin des Ortsverbandes Wattenscheid ist. Die Unruhe um Hans-Peter Herzog müsse die SPD regeln, „da wollen wir uns nicht einmischen“. Rausch räumt ein, dass das Ganze „größere Kreise zieht als erwartet“, gleichwohl sei dies eine Angelegenheit des Bezirks. „Es gibt keinen Grund, das auf Stadt- und Ratsebene auszuweiten.“

Bochums SPD-Chef Yüksel spricht von „Verunglimpfung eines ehrenamtlichen Bezirksbürgermeisters“

Auch Serdar Yüksel, Vorsitzender der SPD in Bochum, weicht Fragen zu einer stadtweiten Ebene aus und versucht stattdessen, Hans-Peter Herzog Rückenhalt zu geben. Er hält „die Verunglimpfung eines ehrenamtlichen Bezirksbürgermeisters“ für „absolut verantwortungslos“. Das spiele „genau denen in die Karten, die es auf unsere demokratische Grundordnung abgesehen haben“. Hier würden „Politikerinnen und Politiker fernab von Sachfragen personelle Debatten führen ohne Substanz“. Er appelliere „sehr deutlich an alle Beteiligten, ganz schnell wieder zur inhaltlichen Arbeit zurückzukehren – im Sinne eines demokratischen, anständigen Miteinanders“.

Jubilarehrung beim SPD-Ortsverein Eppendorf: Mit dabei Hans-Peter Herzog (im Hintergrund) und der Ortsvereinsvorsitzende Lars Nienke (rechts), der dem umstrittenen Bezirksbürgermeister volle Rückendeckung der Genossen vor Ort garantiert.
Jubilarehrung beim SPD-Ortsverein Eppendorf: Mit dabei Hans-Peter Herzog (im Hintergrund) und der Ortsvereinsvorsitzende Lars Nienke (rechts), der dem umstrittenen Bezirksbürgermeister volle Rückendeckung der Genossen vor Ort garantiert. © SPD

Rückendeckung erfährt Hans-Peter Herzog derweil durch seinen Ortsverein, die SPD in Eppendorf. „Unser Ortsverein steht voll hinter ihm“, sagt der Vorsitzende Lars Nienke. „Und das weiß ich auch von anderen Ortsvereinen. Wir alle unterstützen den Peter auch weiterhin.“ Beim Wahlkampf für die Europawahl sei man aktuell ja viel draußen und spreche mit den Bürgern vor Ort. „Da gibt es nicht einen, der die Farbwahl der Sitze im Lohrheidestadion oder das Verhalten des Bezirksbürgermeisters kritisiert.“

Neue Laufbahn, neues Farbkonzept

Entgegen der Ursprungsplanung wird auch die Laufbahn im Lohrheidestadion künftig blau sein. Da die aktuelle rote Tartanbahn mit 32 Löchern von den Probebohrungen bei der bergbaulichen Sicherung versehen und geflickt ist, kam die Stadt Bochum mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und dem Land überein, diese zu erneuern und in Blau zu gestalten. Ein Wunsch, den der TV Wattenscheid 01 schon früh geäußert hatte, weil die meisten modernen Wettkampfarenen inzwischen über blaue Laufbahnen verfügen.

Bei der Farbwahl der Sitze habe man zu zwei Grautönen ganz bewusst zwei Blauvarianten gewählt, die sich deutlich von dem Farbton des VfL Bochum abhebt, heißt es aus dem Rathaus. Vielmehr sei ausschlaggebend gewesen, was am besten zu dem ganzen Beton passt. So sei die Wahl auf Dunkelblau und Hellgrau gefallen. Weil die Sitze auf einer Animation, die viral ging, sehr blau aussahen, hatten viele Wattenscheider protestiert. Die Diskussion hält bis heute an, obwohl die Verwaltung von einem Darstellungsfehler spricht und beteuert, man habe nie vorgehabt, blau-weiße Sitze zu installieren.

Nach Erscheinen dieses Berichts haben sich die Grünen am Mittwochmittag (22. Mai) mit einer Stellungnahme an die WAZ-Redaktion gewandt: Es sei der Eindruck entstanden, für die Grünen gäbe es in Bezug auf den Vertrauensverlust in den amtierenden Bezirksbürgermeister als Konsequenz nur den Rücktritt oder eine Abwahl von Hans-Peter Herzog. Oliver Buschmann stellt für die Wattenscheider Grünen klar: „Die weiteren Schritte werden intern und völlig ergebnisoffen diskutiert. Die SPD stellt in der Wattenscheider Bezirksvertretung die stärkste Fraktion und hat das Vorschlagsrecht für den Bezirksbürgermeister. Hans Peter Herzog wird abgewählt, falls die SPD das wünscht und eine alternative Personalie vorschlägt. Wir stehen zur Koalition und unseren Koalitionsvertrag. An einer Abwahl von Herzog werden wir uns gegen den Willen der SPD-Bezirksfraktion nicht direkt und auch nicht indirekt beteiligen. Es gibt kein Ultimatum, aber den dringenden Wunsch, dass die SPD Wattenscheid in Partei und Bezirksfraktion endlich Klarheit herstellt.“