Bochum-Wattenscheid. Bekommt das Stadion in Wattenscheid Sitze in den Farben des Rivalen VfL Bochum? Bürgermeister Herzog zeigt sich irritiert von der Diskussion.
Die Stimmung rund ums Lohrheidestadion in Wattenscheid ist aufgeheizt. Sollten zum Ende des Umbaus tatsächlich Sitzschalen in den Vereinsfarben des Lokalrivalen VfL Bochum (Blau-Weiß) auf der Tribüne befestigt werden? Dieser Gedanke ist für einige Fans der SG Wattenscheid 09 (Schwarz-Weiß) unerträglich. Mit Protest-Bannern und -Schreiben machen sie ihrem Ärger Luft. Auch die Lokalpolitik fühlt sich bei der Farbauswahl übergangen – zu Recht? Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (SPD) meldet sich mit überraschenden neuen Details zu Wort.
Herr Herzog, wie haben Sie die Debatte um die blauen Sitze fürs Lohrheide-Stadion erlebt?
Ich war im Urlaub und habe den ganzen Wirbel überhaupt nicht verstanden. Die Farbkombination, die für die Sitze ausgewählt wurde, ist für meinen Geschmack sehr ästhetisch und völlig neutral.
Ärger ums Lohrheidestadion - so haben wir berichtet:
- „Respektlos“ - SG-Wattenscheid-Fans ärgern sich über Sitze in VfL-Bochum-Farben
- Klare Botschaft: Sichtbarer Protest der Fans im Stadion und an der A40
- Offener Brief ans Rathaus: Fanszene der SGW 09 wendet sich an die Stadt
- „Alleingang“ - Wattenscheider Politik schaltet sich in den Stadionstreit ein
- Lohrheidestadion: Kommt Klaus-Steilmann-Tribüne als Kompromiss?
- „Billigste Propaganda“: Streit um Sitzschalen-Interview
Können Sie dennoch nachvollziehen, dass sich die Anhänger der SG 09 an der Farbauswahl stören?
Nein. Die Sitze sind dunkelblau und hellgrau. Wer diese Kombination mit dem VfL Bochum in Verbindung bringt, der kennt dessen Vereinsfarben nicht. Die Farbauswahl passt meines Erachtens gut zusammen, obwohl ich mir auch ein etwas kräftigeres Grau hätte vorstellen können. Im Übrigen sind das auch nicht die Farben der Leichtathleten des TV Wattenscheid 01. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die 55 Millionen Euro in den Umbau investiert werden, damit wir in der Lohrheide künftig nationale und internationale Leichtathletik-Meisterschaften veranstalten können. Da geht es nicht um den Fußball.
Die einzige, bislang veröffentlichte Visualisierung ist die der Eventbühne Lohrheide. Darauf sehen die Sitzschalen blau und weiß aus. Welche Darstellung ist nun richtig?
Ursprünglich gab es nach meinem Wissen vier Varianten, jeweils mit verschiedenen Blau- und Grautönen. Ich habe am 19. März zum ersten Mal ein Bild der blauen Sitze gesehen, die nun eingebaut werden sollen – diese sind dunkelblau, auf jeden Fall dunkler, als es auf der Visualisierung der Eventbühne aussieht und dementsprechend neutral. Ich werde darauf drängen, dass es künftig eine vernünftige Präsentation gibt, auf der das zu erkennen ist.
Viele Ihrer Kollegen aus der Politik fühlen sich bei der Farbauswahl außen vor, es war sogar von einem „Alleingang im Rathaus“ die Rede. Was sagen Sie als Bezirksbürgermeister dazu?
Ich sehe die Politik bei der Entscheidungsfindung durchaus berücksichtigt. Sowohl mein Kollege Marc Westerhoff von der CDU als auch ich sind Mitglied im politischen Begleitbeirat für den Stadion-Umbau. Über das Farbkonzept wurde bereits in der letzten Sitzung im vergangenen Jahr informiert. Da hat sich niemand an dem Blauton gestört. Aber das Thema dürfe ja jetzt bei der nächsten Sitzung am Mittwoch sicher nochmal auf dem Tisch landen und ebenso bei dem Ortstermin der Bezirksvertretung am Donnerstag angesprochen werden, wenn man uns die Baufortschritte präsentiert. Von daher sehe ich die Politik schon ganz gut informiert. Wir müssen aber auch die Zuständigkeiten im Blick haben. Wir als Politiker befinden uns nur in der Anhörung und können nicht erwarten, von der Verwaltung zu jedem Türgriff gefragt zu werden.
Wer hat das Farbkonzept dann entschieden? Und wann?
Ich gehe davon aus, dass das eine Entscheidung des zuständigen Architektenbüros und letztlich der Verwaltung war. Meines Wissens hat der TV Wattenscheid 01 den Wunsch geäußert, dass das Lohrheide-Stadion im Zuge des Umbaus eine blaue Tartanbahn bekommt – und dazu wurde dann ein passendes Farbkonzept für die Stadionsitze gesucht. Wann genau das entschieden wurde, weiß ich nicht.
Wurden Sie als Bezirksbürgermeister denn nach Ihrer Meinung zu den Farben für die Sitze gefragt?
Ja, aber nicht offiziell. Das war am Rande der letzten Ratssitzung am 14. März, als ich mit unserem Dezernenten Dietmar Diekmann sprach. Der fragte mich, ob ich mit dem vorgesehenen Blau für die Sitze Probleme hätte. „Nein“, habe ich gesagt, und „Mach wat Schönes draus“. Und das wird richtig schön. Das geht mir bei der ganzen Diskussion um die Sitzfarben zu sehr unter. Der Stadion-Umbau ist für Wattenscheid wie ein Sechser im Lotto. Dadurch wird auch das ganze Umfeld aufgewertet. Auch bei der SG 09 freuen die sich nen Bagger. Die bekommen eine ganz neue Geschäftsstelle. Nochmal: Ohne die Leichtathletik wäre es dazu gar nicht gekommen. Und 80 Prozent der Kosten übernimmt das Land. Das hätte die Stadt Bochum nicht gestemmt bekommen.
Die Reaktion auf die blauen Sitze zeigt ja auch, dass sich einige Wattenscheider von Bochum immer noch stiefmütterlich behandelt fühlen. Können Sie das verstehen?
Mittlerweile nicht mehr. Nächstes Jahr jährt sich die Eingemeindung Wattenscheids zum 50. Mal. Doch einige gehen bei jeder Kleinigkeit noch immer in einer Art und Weise steil, die meines Erachtens so nicht mehr angemessen ist. In den vergangenen zehn, 15 Jahren ist so viel Geld nach Wattenscheid geflossen, dass ich mich bei meinen Bezirksbürgermeister-Kolleginnen und Kollegen fast schon rechtfertigen muss. Über das Projekt „Gute Schule“ wurden in Westenfeld beide Schulen renoviert, das Sportzentrum Westenfeld ist ein Schmuckstück geworden, die Dreifach-Turnhalle an der Märkischen Schule ist hoffentlich bald fertig, die Pestalozzischule inklusive Aula wurde saniert – Wattenscheid ist längst kein Stiefkind mehr, hier passiert so viel, wird eine Menge angestoßen. Deshalb sollte man nicht alles schlecht reden und negativ sehen.
Die Wattenscheider Bezirksvertretung und Fans von Wattenscheid 09 fordern, dass über eine mögliche Alternative zu den blauen Sitzschalen verhandelt wird. Was wollen Sie nun unternehmen?
Das Thema werden wir im Beirat und der Bezirksvertretung wie gesagt sicher noch einmal aufgreifen. Aber statt über die Farbe der Sitze zu diskutieren, sollten wir lieber die Idee vorantreiben, die neue Tribüne nach Klaus Steilmann zu benennen. Er war ein allgemeiner Förderer des Sports, nicht nur der Fußballer von 09, sondern auch der Leichtathleten und der kleineren Vereine. Das wäre symbolisch gesehen ein besseres Zeichen für Wattenscheid als andersfarbige Sitze. Wenn wir uns gemeinsam dafür starkmachen, sehe ich da gute Chancen.
Auch die Laufbahn wird dunkelblau
Entgegen der Ursprungsplanung wird auch die Laufbahn im Lohrheidestadion künftig blau sein. Da die aktuelle rote Tartanbahn mit 32 Löchern von den Probebohrungen bei der bergbaulichen Sicherung versehen und geflickt ist, kam die Stadt Bochum mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und dem Land überein, diese zu erneuern und in Blau zu gestalten. Ein Wunsch, den der TV Wattenscheid 01 nach WAZ-Informationen schon früh geäußert hatte, weil die meisten modernen Wettkampfarenen inzwischen über blaue Laufbahnen verfügen.
Bei der Farbwahl der Sitze habe man ganz bewusst ein Blau gewählt, dass sich deutlich von dem Farbton des VfL Bochum abhebt, heißt es aus dem Rathaus. Vielmehr sei ausschlaggebend gewesen, was am besten zu dem ganzen Beton passt. So sei die Wahl auf Dunkelblau und Hellgrau gefallen. Diese Kombi sei auch für die Laufbahn vorgesehen.