Wattenscheid. Die Grünen wollen in Wattenscheid nicht mehr mit der SPD zusammenarbeiten. Der Streit um den Bezirksbürgermeister habe Vertrauen zerstört.
Die Grünen verlassen nach wochenlangem Streit innerhalb der SPD die Ampel-Koalition in der Bezirksvertretung Wattenscheid. Das teilten die beiden Grünen-Ortsverbandsvorsitzenden Claudia Rausch und Hans Bischoff in einer Mitteilung in der Donnerstagnacht mit.
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Nach Informationen der WAZ häufen sich unterdessen bei der SPD die Rücktritte: So gab Kathrin Schick am Samstagabend ihren Austritt aus der Bezirksvertretung bekannt. „Die jüngsten Ereignisse in der Bezirksvertretung, aber auch in meiner Fraktion zwingen mich dazu“, schreibt sie in einer Erklärung. „Die politischen Ränkespiele rund um die Abwahl von Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog haben zuletzt die Arbeit und Gespräche in der Wattenscheider Politik bestimmt.“ Es sei zuletzt nicht mehr „um die Interessen der Menschen in Wattenscheid, sondern um die persönlichen Ambitionen einzelner Personen“ gegangen.
Dafür sei sie nicht angetreten, und sie könne und möchte „diese Aktionen nicht mittragen“. Sie wünsche der Bezirksvertretung, „dass sie zu einer geordneten Arbeit, einem klaren Kurs und einem vernünftigen Miteinander zurückfindet, um wieder Politik für die Menschen vor Ort zu machen und Wattenscheid zu gestalten“. Auch Stephanie Wingler soll nach WAZ-Informationen ihren Rücktritt einreichen oder das bereits getan haben.
Hintergrund: Der amtierende Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (SPD) war innerhalb der eigenen Bezirksfraktion in die Kritik geraten, nachdem er eine Debatte um blaue Sitzschalen im Lohrheidestadion im Interview mit der WAZ als „Killefit“ bezeichnet hatte.
Während seine eigenen Parteigenossen infolgedessen gemeinsam mit der CDU, UWG: Freie Bürger und der FDP den Bürgermeister abwählen wollten, stellte sich der Bochumer SPD-Vorstand hinter Herzog. Über eine mögliche Abwahl wird in den nächsten Wochen entschieden.
„Dieses Trauerspiel hätten wir den Menschen in Wattenscheid gerne erspart.““
Mitten in der weiter tobenden politischen Schlammschlacht zogen die Grünen nun den Schlussstrich. „Eine verlässliche Zusammenarbeit in der Sache ist mit der SPD in Wattenscheid nicht mehr möglich“, sagt Claudia Rausch.
Auch die vielen Widersprüchlichkeiten und Einmischungen von und zwischen Bundestagsabgeordneten und Parteivorsitzenden seien bezeichnend für das Innenleben der SPD. „Wir wollen weniger über Personalien diskutieren, uns aber auch nicht in einen Konflikt innerhalb der SPD einmischen.“
SPD-Zoff in Wattenscheid hat Konsequenzen
Die SPD reagiert schmallippig. „Dieses Trauerspiel hätten wir den Menschen in Wattenscheid gerne erspart. Dass die Grünen in Wattenscheid die Koalition aufkündigen, kann ich sogar verstehen, denn der Antrag auf Abwahl von Hans-Peter Herzog, der immer gute Arbeit geleistet hat, wirft ein desaströses Licht auf die Bezirksfraktion“, sagt SPD-Fraktionschef Burkart Jentsch.
„Leider haben die dafür Verantwortlichen die möglichen Konsequenzen mit Blick auf das eigene Fortkommen vollkommen ausgeblendet.“ Aus der Wattenscheider SPD war am Freitag niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
SPD will Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen aufnehmen
Am Samstag meldete sich die SPD Wattenscheid mit einer Pressemitteilung zu Wort. Die Mitglieder des Stadtbezirksvorstandes der Wattenscheider SPD, darunter auch alle Ortsvereinsvorsitzenden, hätten am Freitag über die Aufkündigung der Ampel-Koalition durch die Grünen beraten. Man habe beschlossen, „Sondierungs- und Koalitionsgespräche mit allen demokratischen Kräften der Bezirksfraktion aufzunehmen – ausdrücklich auch mit CDU und UWG/Freie Bürger, die uns ihre Bereitschaft dazu schon mitgeteilt haben“.
Die Verhandlungen werde Ratsmitglied Deborah Steffens gemeinsam mit dem kommissarischen Stadtbezirksvorsitzenden Achim Hemmersbach und dem designierten Stadtbezirksvorsitzen Moritz Dünzer führen. „Wir streben an, dass die neue Koalition für Wattenscheid noch vor der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung gebildet wird“, heißt es. Die Bezirksvertretung tagt am 26. Juni wieder.
SPD Wattenscheid sieht „Führungsauftrag“ für Bezirkspolitik weiter bei sich
Die SPD Wattenscheid sieht „den Führungsauftrag für die Wattenscheider Bezirkspolitik“ weiter „eindeutig“ bei sich. „Mit sieben Bezirksvertreter*innen stellen wir die eindeutig größte Bezirksfraktion.“ Man in den vergangenen Jahren viel für die Wattenscheiderinnen und Wattenscheider bewegt, darauf wolle man aufbauen.
Weiter heißt es: „Die Entscheidung der Grünen, die erfolgreiche Koalition jetzt aufzukündigen, nehmen wir darum mit Besorgnis zur Kenntnis. Den Versuch, eine schwierige personelle Situation, die auch uns alle unglücklich macht, für den eigenen machttaktischen Vorteil zu nutzen und so die Handlungsfähigkeit unseres Bezirks zu beschädigen, weisen wir dabei entschieden zurück.“ Zu etwaigen Rücktritten in den eigenen Reihen äußern sich die Absender der Presseerklärung nicht.
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Auch die Grünen hatten angekündigt, Gespräche mit dem bisherigen Koalitionspartner FDP sowie der CDU und UWG: Freie Bürger über eine mögliche Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung Wattenscheids aufzunehmen. Ortsverbandsvorsitzender Hans Bischoff hofft auf „einen Bezirksbürgermeister und eine verlässliche Bezirkskoalition, die sich in Bochum für Wattenscheider Anliegen stark macht und verhandelt, aber auch Gehör findet“.
CDU in Wattenscheid steht nun in aussichtsreicher Position
Bei der Wattenscheider CDU zeigt man sich indes verwundert, dass die Grünen die Koalition mit der SPD verlassen wollen. „Für mich kam das aus heiterem Himmel“, sagt Marc Westerhoff. Sollte es zu Gesprächen mit den Grünen kommen, dann wäre er einer der aussichtsreichsten Kandidaten für den Posten als neuer Bezirksbürgermeister.
„Ich hätte ohnehin im kommenden Jahr bei der Kommunalwahl kandidiert. Wenn ich jetzt gefragt werde, dann würde ich es machen.“ Zunächst sei aber die Frage, ob ein Abwahlantrag überhaupt zustande kommt. „Wir warten erst einmal ab.“ Dass es bereits am Wochenende Gespräche mit den Grünen geben soll, wollte der Bezirksvertreter nicht bestätigen.
Eine Absage gibt es indes direkt von der Wählergemeinschaft UWG: Freie Bürger. Hans-Josef Winkler kann sich keine Koalition vorstellen. „Wir würden uns damit in eine Zwangsjacke stecken und unsere Unabhängigkeit aufgeben.“ Die Wählergemeinschaft sei grundsätzlich zu allen Seiten offen und werde keinen Bezirksbürgermeister verhindern.
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