Mülheim. Die Hunde, die Polizisten am Mülheimer Hauptbahnhof sichergestellt haben, müssen laut Tierheim und Amtsveterinärin für Wochen in Quarantäne.
Vier Männer mit zwei jungen Hundewelpen machten am Sonntagmorgen Polizisten am Mülheimer Hauptbahnhof stutzig. Bei der Überprüfung erhärtete sich der Verdacht, dass die Männer die Welpen widerrechtlich verkaufen wollten oder nutzen, um Mitleid zu erregen und so zu betteln. Die Hunde sind im Mülheimer Tierheim untergebracht und müssen wegen ihres unklaren Impfstatus für Wochen in Quarantäne.
Am Haupteingang des Hauptbahnhofs bemerkten Einsatzkräfte der Bundespolizei am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr vier Männer, die zwei junge Hunde bei sich hatten. Augenscheinlich nutzten die Tatverdächtigen die Tiere, um Mitleid zu erregen und so zu betteln, was aber im Umfeld von Bahnhöfen verboten ist und die Beamten zu der Kontrolle veranlasst habe, wie ein Sprecher der Bundespolizei auf Anfrage mitteilte.
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Auf Nachfrage erklärten die vier Männer im Alter von 24, 25, 27 und 48 Jahren, dass sie sich erst seit drei Tagen im Bundesgebiet aufhalten würden. Sie stammen nach Angaben der Bundespolizei aus der Slowakei.
Neben den Ausweispapieren der Männer überprüften die Beamten auch die Hundeausweise. Bei der Kontrolle der Tierdokumente stellten sich laut Bundespolizei erhebliche Unregelmäßigkeiten heraus. In den Dokumenten fehlten etwa die Tollwutimpfungen, zudem war das Geschlecht der jungen Hunde falsch eingetragen und weitere zahlreiche Angaben fehlten.
Die Bundespolizei nahm Kontakt zum Veterinäramt der Stadt auf, die beiden Welpen wurden schließlich im Mülheimer Tierheim untergebracht. Die Beamten leiteten ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Tierhandels ein. Die Männer sind nach Aussage des Bundespolizei-Sprechers derzeit auf freiem Fuß.
Mülheimer Tierheimleiterin: Die Hunde sind keine Welpen mehr
Nach Aussage der Leiterin des Mülheimer Tierheims, Marion Niederdorf, handelt es sich bei den beiden Hunden nicht mehr um Welpen. Die Polizei war zunächst von noch jungen Hunden ausgegangen. „Der Beagle ist bestimmt schon zwei bis drei Jahre alt, den kleinen Dackelmischling schätze ich auf ein gutes Jahr“, ordnete die Tierheim-Leiterin das Alter der beiden Rüden auf Nachfrage dieser Redaktion ein.
Zwar hätten die Männer, denen die Polizei die Hunde am Hauptbahnhof abgenommen hat, Impfpässe für die Vierbeiner ausgehändigt – diese aber sind nach Aussage von Marion Niederdorf „von irgendwelchen Hunden, aber nicht von den beiden.“ So sei für den Dackelmischling – einem Rüden – ein Ausweis von einer Hündin ausgehändigt worden, für den Beagle ein Pass eines Hundes, der mit einem Erkennungschip versehen sein soll. Doch weder der Beagle noch der Dackelmischling trügen einen Transponder, durch den die Hunde lebenslang gekennzeichnet und einem Halter zuzuordnen wären.
Ausweise handschriftlich geändert – Verdacht der Urkundenfälschung
Die Ausweise stammten nach Aussage von Bundespolizei und Tierheimleitung aus der Slowakei. „Bei einem der Hundeausweise war zudem handschriftlich etwas an der Adresse des Halters und am Geburtsdatum des Hundes geändert worden“, beschreibt Amtsveterinärin Heike Schwalenstöcker-Waldner: „Der Hund sollte demnach im Juni 2020 geboren worden sein, eine Impfung soll er aber schon im Dezember 2019 bekommen haben.“
Per Hand etwas an dem Ausweis-Dokument zu ändern, sei nicht zulässig, betont Tierheimleiterin Marion Niederdorf. Der Verdacht der Urkundenfälschung stehe im Raum, so die Amtsveterinärin, die deutlich macht: „Wir gehen davon aus, dass es hier nicht um illegalen Welpenhandel geht, sondern dass die Tiere genutzt worden sind, um am Bahnhof Mitleid zu erregen und so zu betteln – eine verbreitete Masche.“ Nicht auszuschließen sei aber, dass hin und wieder auch ein Hund spontan verkauft werde, um die Kasse aufzubessern.
Nicht nur, weil die beiden sichergestellten Hunde „hüpfende Mitbewohner, also Flöhe“ mitgebracht haben, wie es die Tierheim-Leiterin formuliert, sitzen die Tiere nun vorerst im Tierheim in Quarantäne. Vor allem auch deshalb, weil sie keine Tollwutimpfung zu haben scheinen. Marion Niederdorf erklärt, was das für Konsequenzen hat: „Für die Hunde bedeutet das: Nach der Tollwutimpfung weitere 21 Tage Quarantäne.“
Die Impfung ist nach Absprache mit der Tierärztin, die die Insassen des Mülheimer Tierheims betreut, auf Donnerstag terminiert. Erst dann beginnt für die Tiere die dreiwöchige Quarantänezeit. Noch werde geprüft, heißt es beim Veterinäramt, das als Ordnungsbehörde für den Fall zuständig ist, ob die Männer, die die Hunde bei sich hatten, wirklich die Besitzer sind.
Wenn niemand den Beagle und den Dackelmischling zurück haben wolle, kündigt Tierheim-Leiterin Marion Niederdorf an, stünden sie nach der Quarantänezeit zur Vermittlung frei. Durch die Unterbringung im Tierheim und die Betreuung durch die Tierärztin entstehen Kosten, die der Halter der Hunde tragen muss. Auch das Ordnungsamt kann ein Bußgeld wegen der nicht nachweisbaren Tollwut-Impfung verhängen – im dreistelligen Bereich, wie die Amtsveterinärin sagt. Sollten die Hunde aber dem Zweck gedient haben, beim Betteln Mitleid zu erzeugen, dürften Geschäftsmodell und Tierliebe wohl an dieser Stelle enden.
Vor knapp sechs Jahren wurden 38 Hunde aus Osteuropa in Mülheim sichergestellt
Vor knapp sechs Jahren wurden bei einer Polizeikontrolle schon einmal Hunde beschlagnahmt, die dann im Mülheimer Tierheim aufgefangen wurden. Damals waren es 38 Tiere, die in Speldorf aus einem Lieferwagen mit rumänischem Kennzeichen befreit wurden. Auch bei dem Fall im Januar 2016 gab es Ungereimtheiten bei der Kontrolle der Heimtierausweise – die angegeben Daten passten nicht mit dem tatsächlichen Alter der Tiere überein.
Damals bestand der Anfangsverdacht der Urkundenfälschung und des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Die 38 Hunde zeigten Krankheitssymptome wie erhöhte Temperatur, blutigen Durchfall und eitrigen Ausfluss. 16 der Tiere waren damals aus Kapazitätsgründen in ein anderes Tierheim gebracht worden. Denn auch diese Tiere mussten – genau wie die aktuell beschlagnahmten Hunde – wegen ihres unklaren Impfstatus und des Gesundheitszustandes unter Quarantänebedingungen untergebracht werden. Eine der Hündinnen hatte zudem in ihrer ersten Nacht im Mülheimer Tierheim neun Welpen zur Welt gebracht.