Mülheim. Seit fast drei Jahrzehnten leiten Marion und Friedhelm Niederdorf Mülheims Tierheim. Dem schlechten Zustand trotzt das Paar mit Gelassenheit.
Es gibt kaum ein Tierheim in Deutschland, das seit längerer Zeit von einem Ehepaar geleitet wird, als das Mülheimer. Seit 28 Jahren versorgen Marion und Friedhelm Niederdorf Mülheimer und Oberhausener Tiere an der Horbeckstraße. Eigentlich hat für die 66-jährige Marion Niederdorf bereits die Rente begonnen, ihrem Mann allerdings bleiben noch zweieinhalb Jahre bis zum Ruhestand. Also entschied auch sie sich zu verlängern – und trotzt heute mit Gelassenheit dem widrigen Zustand des Tierheims.
1991, als die Familie Adelhütte die Leitung der Einrichtung an der Horbeckstraße aufgab, arbeitete Marion Niederdorf im Innendienst der Steuerfahndung, ihr Mann war bei Mannesmann, die beruflichen Perspektiven für ihn sahen schlecht aus. Weil die beiden zwei Hunde hatten, weil sie gerne Tiere betreuten, animierte Marion Niederdorf ihren Mann, sich beim Tierheim zu bewerben. Doch dann stellte sich heraus: Es ist eine Stelle für ein Ehepaar.
Das Ehepaar hat viel Freizeit im Mülheimer Tierheim verbracht
„Eigentlich hatte ich gar nicht vor zu wechseln“, sagt Marion Niederdorf. Aber weil sie schon früher ehrenamtlich in einer Hundepension gearbeitet hat, und wegen ihrer Liebe zu Tieren entschied sich die gebürtige Essenerin, mit ihrem Mann an die Horbeckstraße zu ziehen, in das Haus neben dem Tierheim. „Und ich habe es nie bereut.“
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Vor allem zu Beginn haben sie und ihr Mann viel Freizeit im Tierheim verbracht. Abends ging sie in die Zwinger, besuchte die Hunde. Bis sie und ihr Mann feststellten, dass sie doch ab und an mehr Privatsphäre für sich bräuchten. Früher sei die Belastung noch intensiver gewesen; dass die Feuerwehr die Rufbereitschaft für das Ehepaar übernommen hat, brachte Entlastung.
Seit Jahrzehnten haben die Niederdorfs keinen Urlaub gemacht
„Aber wir machen ja nicht um 17 Uhr die Klappen zu.“ Auch heute noch gehen sie zwischen 20 und 21 Uhr durch die gesamte Anlage, besuchen alle Tiere, löschen das Licht. Und dann ist Nachtruhe angesagt, denn der nächste Morgen beginnt bereits wieder um 5 Uhr. In Ruhe frühstücken, langsam in den Tag kommen, ab sieben Uhr arbeiten.
Seit Jahren schon ist das Tierheim in einem miserablen Zustand. Dieses Jahr haben Marion Niederdorf und Amtstierärztin Heike Schwalenstöcker-Waldner noch einmal deutlich auf die Mängel hingewiesen. Mit Erfolg: Der Tierschutzverein will einen siebenstelligen Betrag investieren, mit der Stadt stehen noch die Verhandlungen um eine Erbpacht aus. Der Stadt macht Niederdorf aber keine Vorwürfe: „Wir können froh sein, dass wir in einem der wenigen städtischen Tierheime arbeiten“, sagt sie. Die meisten Einrichtungen sind mittlerweile in privater Trägerschaft. „Wir müssen uns nie Sorgen um Futter oder die medizinische Versorgung der Tiere machen.“
Doch hat auch die Stadt mit dem Ehepaar ein besonderes Los gezogen – sie leben für das Tierheim. Urlaub, den haben die beiden schon lange nicht mehr gemacht. Auch schon nicht, bevor sie im Tierheim angefangen haben. „Wenn Sie mit Kindern verreisen, müssen Sie schon unheimlich viel einpacken, aber mit zwei Hunden ist es noch mehr“, sagt Niederdorf und lacht. Lieber bleiben sie und ihr Mann zu Hause, fahren tageweise weg oder genießen einfach die Ruhe rund um das abgelegene Tierheim-Areal neben der Flughafen-Siedlung.
Mülheimer Tierheim bekommt 2022 neue Leitung
Das Ehepaar hält privat zwei Hunde, die Labrador-Hündin Tapsi und den Schäferhund-Rüden Mikey. Mit den Tieren im Heim versucht Marion Niederdorf, keine zu enge Bindung aufzubauen. „Das tut sonst zu sehr weh. Dann könnte ich es nicht verkraften, sie wieder abzugeben.“ Besonders schwer fällt ihr das, wenn sie mutterlose Kätzchen mit der Flasche aufzieht. Schmerzhaft ist es für sie, wenn sie von tragischen Tierschicksalen hört, von Quälereien, wie dem Fall, bei dem ein Mann eine Hündin in die Ruhr geworfen hat.
Im Oktober 2022 werden Marion und Friedhelm Niederdorf endgültig in Rente gehen. „Ich freue mich auf den Ruhestand“, sagt die 66-Jährige. Natürlich werde ihr das Tierheim weiterhin am Herzen liegen, sie will ihre Nachfolger gut einarbeiten, sichergehen, dass der Umgang mit den Besuchern freundlich und höflich bleibt. „Ich möchte gerne wieder so wohnen wie hier, ruhig und ländlich“, sagt sie. Das müsse nicht in Mülheim sein, „Hauptsache, wir können in Ruhe und Frieden alt werden“.