Kreis Wesel. Die Biologen im Kreis Wesel haben Bilanz gezogen: Seltene Kröten, Fledermäuse und Vögel gibt es, allerdings lässt sich der Otter nicht blicken.
- Der Ziegenmelker ist so perfekt getarnt, dass jetzt eher durch Zufall ein wichtiger Lebensraum im Kreis Wesel entdeckt wurde.
- Im Kreis Wesel kümmert sich die Biologische Station um Naturschutzgebiete und Lebensräume. Sie hat Forderungen an die Politik.
- Seltene Kröten, Fledermäuse und Vögel gibt es in der Region – auf den Fischotter warten die Biologen bislang aber vergeblich.
Eine kleine Sensation sind die Ziegenmelker schon, eine Nachtschwalbe, die eher zufällig mit 20 bis 24 Paaren in der Üfter Mark entdeckt wurde. Die gehört damit zu den Top 5 der Vorkommen in NRW, denn der Vogel ist selten geworden, vereinzelt wurde er zuvor in der Dingdener Heide gesichtet. Der Ziegenmelker ist etwa so groß wie eine Drossel und perfekt getarnt. Seinen seltsamen Namen hat er bekommen, weil man ihm früher unterstellte, mit seinem seltsamen Schnabel nachts heimlich Milch von den Ziegen zu stehlen – dabei hat er es in der Dämmerung bloß auf die Insekten rund um das Weidevieh abgesehen.
Die Aktiven der Biologischen Station im Kreis Wesel zogen jetzt ihre Bilanz 2022. Sie warten auf den Fischotter: Im Kreis Recklinghausen gibt es ihn schon nachweislich, auch im Kreis Kleve: Bloß im Kreis Wesel hat sich im vergangenen Jahr kein einziger Fischotter blicken lassen – oder wurde nicht entdeckt. Einer der ebenso putzigen wie intelligenten Marder hat vor zwei Jahren mal einen Köttel bei Gahlen hinterlassen – und sich dann verabschiedet. Willkommen wäre er schon, sagt Zoologe Paul Schnitzler, lediglich Betreiber von Angelteichen sehen das wohl anders.
Langfristige Sicherheit fehlt für die Arbeit der Biologischen Station
Weil die Biologische Station im Kreis Wesel ein Verein ist, ist sie auf Unterstützung angewiesen. Rund 500.000 Euro gab im vergangenen Jahr das Land NRW, 80.000 der Kreis und 37.000 der RVR. „Die Regierungskoalition hatte versprochen, die Biostationen in NRW besser und längerfristiger zu finanzieren“, erläuterte Norbert Meesters, Vorsitzender der Biologischen Station. So einfach sei das aber nicht, der Verein lässt nicht locker und habe Kontakt mit den Fraktionen des Landtags aufgenommen sowie ein Treffen mit Umweltminister Oliver Krischer vereinbart. Unter anderem geht es um die oberstromige Anbindung des Altrheins Bislicher Insel, ein Projekt, das stockt. „Wir haben Sorge, dass es nicht kommt“, so Meesters. Sichere Finanzierung ist notwendig, denn die Biologische Station beschäftigt 15 Menschen, fünf davon in Teilzeit.
Geld ist häufig befristet an bestimmte Projekte gekoppelt. „Nach deren Abschluss müssen sie aber weiter gepflegt werden, dafür fehlen Personal und Geld“, sagt Meesters. 87 Naturschutzgebiete gibt es im Kreis Wesel, 18 betreut der Verein intensiv jährlich, andere nur wechselweise. Er hatte 2022 einen Umsatz von rund einer Million Euro. Neben der Schutzgebietsbetreuung gibt es weitere Projekte.
Fledermäuse nehmen die angebotenen Winterquartiere an
Zurück zur heimischen Tierwelt. Beim Thema Fledermäuse gibt es Erfolgsmeldungen: Im Auftrag des Kreises Wesel hatten die Aktiven potenzielle Winterquartiere für die fliegenden kleinen Säuger zu schaffen. Alte Bunker im Bagelwald in Wesel wurden beispielsweise wieder hergerichtet, ebenso kleine Keller und andere Örtlichkeiten. Zwei Mal im Jahr, erläutert Schnitzler, kontrollieren die Aktiven rund 25 Winterquartiere, in elf zählten sie rund 200 Tiere. „Viele kann man gar nicht sehen, daher kann man davon ausgehen, dass die Population fünf- bis zehnmal so groß ist“, sagt Schnitzler.
Eine Besonderheit ist das Große Mausohr, das in Bislich im Dachstuhl der Kirche St. Johannes gefunden wurde. Die Hoffnung, dass diese Art, die eher im Bereich Bonn/Siegburg zuhause ist, sich hier dauerhaft ansiedelt, hat sich nicht erfüllt. Lediglich zwei weibliche Tiere und ihr Nachwuchs waren im vergangenen Jahr noch da.
Vögel und Amphibien erobern ihren Lebensraum im Kreis Wesel
Erfolgreich sind hingegen die Bemühungen um die Flussseeschwalbe, die kleine zusätzliche Nistflöße im Rheinvorland gut annehme. An einem Baggerloch in Voerde leben Seeschwalben und auch die Uferschwalbe ist mit 19 Kolonien und rund 400 Brutpaaren gut vertreten. Diese Vögel profitieren von Kiesabgrabungen weil es für sie kaum noch natürliche Brutgelegenheiten gibt. Der Kiebitz, gefährdeter Bodenbrüter, hatte im vergangenen Jahr 240 Reviere, 120 davon außerhalb der Naturschutzgebiete. Mit 94 brütenden Paaren und 171 Jungvögeln gehört der Weißstorch im Kreis Wesel nicht mehr zu den gefährdeten Arten, seine Population wächst weiter, so Schnitzler. Und seit etwa fünf Jahren gibt es etwa konstant viele Saatkrähen, 2150 Nestern wurden gezählt, Schwerpunkte sind Rheinberg, Wesel und Xanten. Neu ist neben dem Ziegenmelker auch der Neuntöter, der in Rheinberg hinter der Solvay entdeckt wurde, außerdem Schwarzkehlchen.
Erfolgreich unter den Amphibien ist die Kreuzkröte. Diese Kröte besiedelt gern ehemalige Industriestandorte, 24 davon wurden im vergangenen Jahr gefunden, „darunter sehr große mit tausenden Jungkröten“, sagt Schnitzler – Schwerpunkte sind Dinslaken, Voerde, Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort, alte Zechengelände stehen bei den Tieren hoch im Kurs. Moorfrösche dagegen haben die Üfter Mark für sich entdeckt.
Es ist nicht so, dass sich die Aktiven der Biologischen Station nur um Tiere kümmern, es geht ihnen auch um die Entwicklung von Lebensräumen. So haben sie erfolgreich Schilf in der Weseler Aue gesetzt, das trotz Dürre, Nutria und Graugans überlebt hat. Im Auesee selbst wird wasserzügiges Schilf angesetzt, ein Lebensraum für Blaukehlchen, Wasserralle und Rohrdommel. Dieses Projekt hat sich die Biostation für das kommende Jahr auf die Fahnen geschrieben.