Kreis Wesel. Artensterben stoppen und Biodiversität sichern, geht das? Interview mit Norbert Meesters, Vorsitzender der Biolgischen Station im Kreis Wesel.
Kaum jemand leugnet noch das Artensterben – wie es zu stoppen ist, darüber gehen die Ansichten auseinander, Schuldzuweisungen ersetzen mitunter Lösungen. Wir haben mit Norbert Meesters gesprochen, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter und nun Vorsitzender der Biologischen Station im Kreis Wesel.
Ehrgeizige Ziele zum Schutz der Artenvielfalt am Niederrhein sind bereits vor Jahren formuliert worden, viel getan hat sich seitdem nicht. Welche Position nimmt die Biologische Station im Kreis Wesel ein? Wie soll es weiter gehen?
Es ist eine Binsenweisheit, dass die Rettung unserer Lebensgrundlage Geld kostet. Wir kämpfen darum, dass die nötigen Mittel bereitgestellt werden. Die Biologische Station im Kreis Wesel, die auch für die Stadt Krefeld zuständig ist, übernimmt Aufgaben für die öffentliche Hand: Die Betreuung von Schutzgebieten beispielsweise. Dafür bedarf es ausreichend Mittel, auf Jahre planbar. Wir müssen die notwendigen Fachleute und das Material für diese Aufgaben bezahlen können. Viele der von Ihnen angesprochenen Ziele sind nicht umgesetzt worden, einige aber schon. Um deren Erfolg zu sichern, müssen wir sie weiter pflegen. Ich nenne da beispielhaft den Orsoyer Rheinbogen, die Dingdener Heide, das Schwarze Wasser oder den Diersfordter Wald. Wir können diese Gebiete nach erfolgreicher Umsetzung nicht sich selbst überlassen.
Wie beurteilen Sie die Herangehensweise der NRW-Landesregierung?
Wir haben eine große Erwartungshaltung. Im Koalitionsvertrag ist die Aussage verankert, dass die Ausstattung der Biologischen Stationen verbessert und der Naturschutzhaushalt verdoppelt werden soll. Das liest man gern, im Landesumweltausschuss wurde die Aussage aber bereits relativiert. Demnach sind die eingeplanten Mittel für die Biostationen nun deckungsfähig mit anderen Maßnahmen im Bereich Umwelt und Naturschutz. Sie müssen also nicht zur Unterstützung unserer Arbeit eingesetzt werden. Das ist nicht das, was wir uns vorstellen, was wir benötigen, um auskömmlich und nachhaltig arbeiten zu können.
Gibt es konkrete Ziele, die das Land jetzt angehen müsste?
Umweltminister Oliver Krischer spricht davon, den Klimaschutz deutlich stärken zu wollen, indem der Hochwasserschutz stärker ökologisiert werden muss und geprüft werden soll, ob neue Retentionsräume geschaffen werden sollen. Gemeint sind damit Bereiche, auf die das Hochwasser ausweichen kann. Hier können wir helfen, denn es gibt drei Projekte im Kreis Wesel, die direkt umgesetzt werden können.
Die wären?
Erstens der Polder Orsoy Land, hier ist das Planfeststellungsverfahren nicht ökologisch genug ausgerichtet. Der Vertrag dazu ist alt, heute gibt es bessere Ansätze für die Artenvielfalt. Zudem ist die zugrundeliegende Datenlage veraltet und gibt den heutigen Zustand nicht wieder. Die Naturschutzverbände fordern unter anderem, dass der Rheinbogen häufiger überflutet wird, als es heute vorgesehen ist. Das wäre ein Beitrag zum ökologischen Hochwasserschutz und für die Artenvielfalt in einer Flussauenlandschaft. Dann die Anbindung des Altrheins auf der Bislicher Insel. Das Projekt ist bereits planfestgestellt und könnte zeitnah umgesetzt werden. Man macht es aber nicht, weil es teuer ist.
Drittens steht die Sanierung des Deichs in Bislich-Vahnum an. Die Biologische Station fordert, dort mehr Retentionsraum zu schaffen, der Deich muss rheinferner werden, der Fluss mehr Platz bekommen. Das Ministerium hat sich bis jetzt auf den Standpunkt gestellt, das bringe nichts.
Es gibt doch den Ansatz, die Rückverlegung des Deichs mit einer Auskiesung und anschließenden Renaturierung zu verbinden und auch kritische Stimmen dazu, beispielsweise der Grünen...
Wenn man es richtig macht, kann das Vorteile für die Artenvielfalt bringen, eine große Verbesserung gegenüber dem heutigen Status. Aktuell ist noch geplant, den Deich an gleicher Stelle zu erneuern – das bringt keine Verbesserung, hat mit ökologischem Hochwasserschutz wenig zu tun und schafft keine neuen Räume für den Fluss.
Und jetzt, wie geht es weiter?
Wir führen schon jetzt Gespräche, wollen uns mit dem Umweltminister treffen, laden ihn an den Niederrhein ein. Es wäre zielführend, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Die Kreise, Biostationen, Naturschützer, Deichverbände, Umwelt- und Landwirtschaftsministerium, natürlich gehören auch die Bauern dazu.
Ähnliches hat es vor zwölf Jahren gegeben, es sind aber nur wenige der benannten Ziele umgesetzt worden. Warum sollte es jetzt besser laufen?
2011 ist lange her, die handelnden Personen sind andere. Wir müssen uns alle noch einmal zusammensetzen, Ziele definieren, sie an ein Maßnahmenkonzept koppeln und Umsetzungspläne aufstellen. Nicht zuletzt brauchen wir einen Zeitplan, ohne ihn wird nichts geschehen. Er bietet ein Raster wie etwa beim Hochwasserschutz – auch dann, wenn die Fristen mitunter verschoben werden müssen. Und wir brauchen konkrete Vereinbarungen darüber, wer die Vorhaben umsetzt.