Er ist Schlossbesitzer, Mitbegründer der Grünen und begeisterter Maserati-Fahrer. Das Porträt eines strahlenden Selbstdarstellers.
Hamburg. Als Frank Asbeck noch mit Außenminister Joschka Fischer um die Welt reiste und vor Ort mit den dortigen Ministern über erneuerbare Energien ins Gespräch kommen wollte, bekam er stets zu hören: "Lassen Sie uns doch lieber über richtige Politik reden." Als der Solarworld-Chef dann mit Frank-Walter Steinmeier unterwegs war und seinen Gesprächspartnern einen Siliziumbrocken mit der Frage hinhielt, ob die denn wüssten, was das sei, hieß es: "Ah ja, Solar, da können wir uns was drunter vorstellen."
Wenn Asbeck heute, wie zuletzt mit der Delegation von Außenminister Guido Westerwelle, den Globus bereist, fragt ihn der Energieminister von Katar, wie effizient die Module seien, die er mit seiner Bonner Firma aus dem glitzernden Brocken herstellt. "Innerhalb von nur zehn Jahren", sagt Frank Asbeck, "hat die ganze Welt begriffen, dass man aus Sand und Sonne Strom machen kann. Und weiß auch ziemlich genau, wie das funktioniert."
In Deutschland, das seinen Strom inzwischen zu 16 Prozent aus regenerativen Energien wie Wind, Wasser, Sonne und Biomasse erzeugt, weiß man das schon etwas länger. Kein Wunder also, dass nirgendwo sonst auf der Erde mehr Fotovoltaikanlagen als in unseren teilweise recht schattigen Breiten installiert sind. Doch nun tobt im Lande des Solarweltmeisters ein heftiger Streit. Es geht um die Höhe der Förderung (siehe Infokasten). Die aufstrebende deutsche Solarindustrie, die in den vergangenen Jahren 60 000 Arbeitsplätze am Standort Deutschland geschaffen hat, läuft Sturm gegen die geplante Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Auf Demos und Aktionstagen, mit symbolischen Werksschließungen und in großen Anzeigen wird gegen den angeblich drohenden Arbeitsplatzabbau vor allem in den ostdeutschen Ländern protestiert.
39 Cent, und das 20 Jahre lang, bekommt zurzeit jeder Bürger für eine Kilowattstunde Dachstrom, die er von seiner neu installierten Solaranlage ins Netz einspeist. Union und FDP wollen die Einspeisevergütung jetzt um 16 Prozent kappen. Zusammen mit den neun Prozent, um die die Vergütung Anfang des Jahres planmäßig gesenkt wurde, wäre das auf einen Schlag ein Viertel weniger.
Nur noch 33 Cent Förderung pro Kilowattstunde - existenzbedrohender Kahlschlag für eine Zukunftsindustrie oder längst fällige Regulierung einer üppigen Subventionierung von Solarstrom, der 2009 gerade einmal ein Prozent zur Stromerzeugung hierzulande beigesteuert hat?
Frank Asbeck strahlt. Während die erfolgsverwöhnte Branche über reduzierte Förderung, Überkapazitäten, starken Preisverfall und zunehmende Billig-Konkurrenz aus Asien und den USA klagt, herrscht beim Bonner Marktführer Feierstimmung. Gerade versprach der Solarworld-Chef, der sich stets gegen eine Dauersubventionierung ausgesprochen hat, seinen Aktionären eine Dividenden-Erhöhung. Und die Umsatz-Aussichten für 2010 seien ebenso sonnig, allerdings bei fallenden Margen: Der Umsatz, der 2009 erstmalig über eine Milliarde Euro kletterte, werde "nachhaltig überschritten". Mit einem Wertzuwachs von sage und schreibe 1800 Prozent ist das Papier das erfolgreichste an der Börse in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland.
Von der Garagenfirma zu einem der drei weltweit größten Solarunternehmen mit 2000 Mitarbeitern und Produktionsstätten auf drei Kontinenten: Es gibt Menschen, die meinen, der Erfolg sei Asbeck zu Kopf gestiegen. Und auf den ersten Blick tut der 51-Jährige wenig, um diesem Eindruck entgegenzuwirken. Wenn der gewichtige Schlossbesitzer und leidenschaftliche Jäger entspannt in Trachtenjacke und Halstuch in seinen schwarzen, benzinfressenden Maserati steigt, grinst er: "Ich stehe zu meinen Widersprüchen."
Er war ja schon immer eher Lautsprecher als Leisetreter. Und vielleicht haben den Sunnyboy auch deshalb anfangs viele nicht so richtig ernst genommen. Als er im November 2008 Opel kaufen wollte, hielt das so mancher nur für einen schlechten PR-Gag. Asbeck sagt, er wollte - mit 250 Millionen Euro eigenem Kapital und 750 Millionen Euro Kredit - aus dem Unternehmen den "ersten grünen europäischen Autokonzern" machen. General Motors wies die Offerte umgehend zurück.
Als er verkündete, neben seiner beeindruckenden Firmenzentrale - einem futuristisch umgebauten ehemaligen Wasserwerk in den Bonner Rheinauen mit Forellenteich, Gänsen, Dammwild, Schweinen, Solarmuseum und Blick auf den Fluss - auf 50 000 Quadratmetern ein Gehege für afrikanische Massai-Löwen anzulegen, gab's heftige Proteste. Heute sagt Asbeck, er wollte damals im Grunde nur einem Journalisten zu einer interessanten Geschichte verhelfen.
Dass es mit dem König der Löwen nicht geklappt hat, wird er verschmerzt haben. Schließlich ist er ja schon länger der Sonnenkönig, auch wenn er mit dem "undemokratischen" Begriff nichts anfangen kann. Allemal eine erstaunliche Wandlung ist das für jemanden, der im Dortmunder Süden neben dem Stahlwerk Rote Erde aufgewachsen ist. Dessen Herz "immer links schlug", auch wenn er aus einem Unternehmer-Haushalt stammt. "Mit Bungalow und Schwimmbad." Der über die sozialistische deutsche Arbeiterjugend und die Jusos zu den Grünen stieß, die er vor 30 Jahren zusammen mit Prominenten wie Joseph Beuys oder Petra Kelly in Nordrhein-Westfalen mitbegründet hat.
Andererseits hat der Rebell "mit einer starken Rivalität zum Vater" von Haus aus das Unternehmersein aufgesogen. Sein Ururgroßvater gründete 1853 die Vorläuferfirma der Stahlwerke in Südwestfalen, sein Vater hatte eine Gelenkschmiede mit 600 Mitarbeitern. Und "es war zu Hause die größte Sünde, nicht ans Telefon zu gehen - da könnte ja ein Kunde dran sein", erzählt Asbeck, bei dem in der Schule Legasthenie erkannt worden war. Sein Vater, mit dem er auch mal "fünf Jahre nicht gesprochen hat", trichterte ihm ein: "Wenn man dich über Brasilien abwirft und dann wiederfindet, musst du eine Spedition gegründet haben." Bevor sein Vater starb, hat er sich mit ihm versöhnt. Und sagt heute: "Das meiste, was ich gelernt habe, habe ich von ihm."
Ausprobieren, gestalten, Trends erkennen - das ist der rote Faden in Asbecks Vita. "Wer zu früh im Leben zu große Kompromisse macht, der wird nur ein bescheidenes Ergebnis erlangen", antwortet er auf die Frage nach seinem Lebensmotto. Sein Agraringenieur-Studium hat er mit dem Ertrag einer Streuobstwiese finanziert. Lieferte ungespritzte Kirschen und Pflaumen an Bonner Biomärkte. Nach dem Studium lebte und arbeitete er fast vier Jahre in Nigeria, half dort seinem Onkel bei der Reparatur maroder Produktionsanlagen. Anschließend handelte er in Peru mit Traktoren, baute ab 1992 eine Mercedes-Vertretung im Baltikum mit auf. Dabei ging es auch um den Verkauf von Personenschutzfahrzeugen. Da war der Weg nicht weit zu seinem bisher wohl ungewöhnlichsten Gelderwerb: Zusammen mit seinem Bruder vermietete er im Bosnien-Krieg gepanzerte Fahrzeuge an Journalisten.
Anfang der 90er-Jahre ging ihm sozusagen ein Licht auf - er kam in Kontakt mit der Fotovoltaik, "die damals noch etwas für Bastler war", wie er in seinem Buch (Eine solare Welt, Kiepenheuer & Witsch) schreibt. "Dabei faszinierte mich, der ich aus der Welt von Rostfraß und Schmierfett kam, die Solartechnik sofort: Da rauchte nichts, da stank nichts, da bewegte sich kein mechanisches Teil. Vorne kommt Sonne rein, hinten kommt Strom raus, fertig."
1999 folgte der Börsengang, mithilfe der dabei eingesammelten 13 Millionen D-Mark übernahm er die Solarsparte von Bayer, später auch die von Shell. Es folgte eine rasante Erfolgsgeschichte, vor allem auch, weil seine mehrfach ausgezeichnete Firma sich nicht auf Teilbereiche spezialisiert hat. Sondern die gesamte Wertschöpfungskette - von der Silizium-Verarbeitung bis zum maßgeschneidert montierten Endprodukt - bedient. Und weil der Chef nebenbei eben auch ein strahlender Selbstdarsteller ist. Dem Papst stiftete er 2394 Solarmodule, und damit ist der Vatikan der erste Staat der Erde, der mehr als drei Viertel seines elektrischen Stroms aus Fotovoltaik bezieht.
Für einen wie Asbeck scheint keine Hürde zu hoch. Und kein Gegenargument zu kräftig. Was sagt er Kritikern, die einwenden, dass die Fotovoltaik ja gerade einmal ein Prozent der hiesigen Stromversorgung ausmache? "Das gleicht dem Vorwurf, dem man einem Baby macht, weil es so klein ist", kontert er. Er weiß ja, dass die Zeit für ihn spielt. Dass die Menschheit in einem wahnwitzigen Tempo ihre fossilen Energiereserven verfeuert. Die - je nach Schätzung - vielleicht noch 100 (Öl, Gas) oder 200 (Kohle) Jahre reichen, selbst das Uran ist endlich. Und dass sie dabei obendrein gefährlich schnell die Erde aufheizt.
Asbeck wird nicht müde, den Menschen immer wieder zu erzählen, dass Sonne, Wind und Wasser keine Rechnung schicken. Er sagt, er könne mittlerweile 300 Vorträge im Jahr halten - und geht auf 30 Veranstaltungen. Er meidet zwar Talkshows und sagt Anfragen von Maybrit Illner und Anne Will ab, weil er "das öffentliche Anschreien" und die "Sekundenduelle" nicht mag: "Dazu ist das Thema zu wertvoll."
Dabei unterscheidet er sich in seinen deutlichen Worten wohltuend von den vorsichtigen Formulierern. Und hat oft die Lacher auf seiner Seite, wenn er wie beim Energiegipfel der Kanzlerin allen Atomtechnikern eine Jobgarantie gibt - in der Solarindustrie. "Da hatte einer E.on-Chef Wulf Bernotat in die Defensive gequatscht", schrieb die "Welt".
Es geht ja auch nicht ohne Durchsetzungsvermögen, wenn man seit zehn Jahren mit Leib und Seele für erneuerbare Energien in den Ring steigt. Nicht gegen, sondern quasi mit Windmühlen gegen AKW und Kohlekraftwerke anrennt.
Zugute kommt Mr. Sunshine, bei aller Selbstinszenierung, freilich die gesellschaftliche Akzeptanz, die erneuerbare Energien mittlerweile genießen. Aus bärtigen Öko-Aktivisten mit Jeans, Strickpulli und Transparenten sind längst gut vernetzte Global Player geworden. Ökologie und Ökonomie sind seit geraumer Zeit eben kein Widerspruch mehr. Man kann auch sagen: Das Geld ist jetzt grün. Und es fließt inzwischen immer öfter in Kanäle, aus denen vor allem sauberes Wasser rauskommt.
Dabei geht der Kampf um die Energieversorgung der Zukunft im Grunde gar nicht mehr um endliche oder unendliche Rohstoffe. Die Entscheidung ist gefallen. "Alle wissen, dass es so nicht weitergehen kann", sagt Rick de Doncker, Leiter des Energieforschungszentrums an der Rheinland-Westfälischen Technischen Hochschule. Nein, in Wahrheit geht es um zukünftige zentrale oder dezentrale Strukturen. Oder, wie Asbeck sagt: "Es hat noch kein König und kein Kaiser die Sonne monopolisieren können."
Seine Vision, die für die großen Energieversorger natürlich eher ein Horrorszenarium ist: Jeder Haushalt im Lande versorgt sich mit einem intelligenten Energiesystem und entsprechenden Speicherkapazitäten selbst. Bereits 2013 will er solche Komplettlösungen, "die eigene Dachsparkasse", anbieten. Und spätestens dann, sagt er voraus, sei auch die Netzparität erreicht. "Dann kostet der Strom vom Dach mit 27 oder 28 Cent genauso viel wie der aus der Steckdose."
Aufhalten lässt sich der Mann anscheinend nur schwer. Es sei denn, "jemand würde eine völlig neue Form der Energiegewinnung erfinden". Dann, sagt Asbeck fröhlich, "ist Solarworld pleite - und die Menschheit gerettet".