Derzeit ist das Angebot in der Solarbranche weit größer als die Nachfrage, die Aktienkurse sind eingebrochen. Die heimische Industrie muss umdenken.
Hamburg. Über der gerade noch als Zukunftsindustrie gehandelten deutschen Solarbranche ziehen dunkle Wolken auf. Drastische Nachfragerückgänge stellen die zumeist jungen Firmen vor ihre erste echte Bewährungsprobe. Erfolgsverwöhnte Unternehmen wie Ersol und Q-Cells müssen ihre Produktion um 50 Prozent drosseln.
Ein Bericht in der "Financial Times Deutschland" prophezeite dem Wirtschaftszweig nun gar eine "beispiellose Pleitewelle" - und schickte die zuletzt ohnehin unter Druck geratenen Aktienkurse etlicher Anbieter auf Talfahrt: Papiere von Roth & Rau rutschen im Tagesverlauf um bis zu knapp zehn Prozent ab, Centrotherm-Titel verloren zeitweise knapp 8,5 Prozent und Aktien von Q-Cells fast sieben Prozent.
"Die Schwierigkeiten für die Branche sind durchaus ernst zu nehmen", sagte die Analystin Karin Meibeyer von der Nord/LB dem Abendblatt. Dafür gebe es eine Reihe von Gründen. Vor allem der Einbruch des spanischen Marktes nach einer drastischen Einschränkung der dortigen Fördergelder für Solarstrom treffe die deutschen Unternehmen sehr hart. Schließlich hatten enorme Zuwächse gerade in Spanien im vergangenen Jahr noch für einen positiven Sondereffekt gesorgt: Experten zufolge entfielen 2008 allein auf dieses Land 46 Prozent aller weltweit neu installiertenSolarzellen.
Überangebot an Solarzellen
Hinzu kommt, dass aufgrund der Bankenkrise generell Finanzierungen für Solarparks knapper wurden. Die Nachfrageschwäche hatte bereits empfindliche Folgen für die Kalkulation deutscher Anbieter - nach den Worten von Frank Asbeck, Chef des Bonner Fotovoltaikriesen Solarworld, sind die Preise im ersten Halbjahr um etwa 25 Prozent gesunken. Verschärft werden die Probleme durch Billigkonkurrenz aus China. "Asiatische Solarzellenhersteller, die mit günstigeren Personal- und Energiekosten arbeiten können, haben ihren Marktanteil deutlich erhöht", erklärt Karin Meibeyer. Insgesamt seien die Kosten bei fernöstlichen Herstellern um 30 bis 40 Prozent niedriger, auch weil sie billiger an das Rohmaterial Silizium kämen.
"Asiatische Anbieter liegen mit ihren Verkaufspreisen zum Teil unter den Produktionskosten deutscher Hersteller", sagt auch Frank Neumann, Branchenexperte beim Bankhaus Lampe. Die Folgen des rapiden Vormarschs der Chinesen - dort werden inzwischen weit mehr Sonnenzellenmodule gefertigt als in Deutschland - liegen für ihn auf der Hand: "Es herrscht ein Überangebot an Solarzellen und auch mittelfristig erwarte ich Überkapazitäten."
Nach Einschätzung von Neumann müssen deutsche Solarzellenhersteller künftig effizienter produzieren, "indem sie ihre Fertigung entweder ebenfalls nach Asien verlagern oder den Automatisierungsgrad erhöhen". Das erfordert aber Kapital - was für die in Deutschland mittelständisch geprägte Branche zum Problem werden kann. Kaum eine Firma hat einen Konzern im Rücken, so wie Ersol die Stuttgarter Bosch-Gruppe. "Insolvenzen in der Branche sind nicht auszuschließen", meint Neumann daher, auch wenn er aktuell kein Unternehmen als akut gefährdet ansehe.
Gewinnmargen der Vergangenheit sind vorbei
Allerdings treffen die derzeitigen Schwierigkeiten ohnehin nicht alle zum Fotovoltaik-Sektor zählenden Firmen im gleichen Ausmaß. "Es kommt sehr darauf an, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette ein Unternehmen tätig ist", sagt Neumann. "Hersteller von Solarzellen oder Solarmodulen werden es künftig schwerer haben. Dagegen dürften Firmen wie Roth & Rau oder Centrotherm, die Produktionsanlagen für Solarzellen liefern, nach Ansicht des Experten auch mittelfristig gut aufgestellt sein. "Auch Unternehmen wie Phoenix Solar oder Aleo Solar, die komplette Solarparkprojekte umsetzen, dürften besser mit den aktuellen Problemen umgehen können als reine Zellenhersteller", ergänzt Karin Meibeyer.
Darüber hinaus gibt es Anbieter, die in einer sehr speziellen Marktnische tätig sind - so wie SMA: Die Firma aus Niestetal bei Kassel ist Marktführer für sogenannte Wechselrichter, die den in Solaranlagen gewonnenen Gleichstrom in den netzüblichen Wechselstrom umwandeln.
Zwar erwartet Neumann, dass der Solarzellenmarkt nach einer weltweiten Stagnation im Jahr 2009 dank voraussichtlich steigender Nachfrage besonders aus den USA und China in den nächsten Jahren wieder wächst. Doch die sonnigsten Zeiten für die Branche in Deutschland dürften vorbei sein, fürchtet Karin Meibeyer: "Die hohen Gewinnmargen der Vergangenheit wird man wohl nicht wiedersehen."