Auf dem EU-Krisengipfel suchen die Staats- und Regierungschefs nach Wegen aus der Finanzkrise. Doch woher sollen die Mittel kommen?
Berlin. Auf dem EU-Gipfel (8. und 9. Dezember) in Brüssel sollen wichtige Weichenstellungen in der Schuldenkrise gestellt werden – es geht um viel Geld. Zwei zentrale Fragen dominieren: Woher sollen die Riesensummen kommen, um große Euro-Wirtschaftsnationen wie Italien und Spanien bei Bedarf finanziell unter die Arme zu greifen, wenn sie sich am privaten Kapitalmarkt nicht mehr zu annehmbaren Zinsen Geld borgen können? Allein Italien muss im ersten Quartal 2012 auslaufende Kredite in dreistelliger Milliardenhöhe durch neue Anleihen ersetzen.
Die zweite Kernfrage lautet: Wie hoch muss die Brandmauer im Währungsraum gegen weitere Ansteckungsgefahren denn sein, um auch den letzten Investor zu überzeugen: Die Euro-Zone hat zwar Schwierigkeiten, der Euro wird aber überleben. Prinzipiell bieten sich vier Finanzierungsinstrumente an, wobei eine Kombination aus diesen am wahrscheinlichsten ist:
EFSF
Zur Verfügung steht bereits der in Eile zusammengezimmerte provisorische Euro-Rettungsschirm EFSF. Die „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität„(EFSF) kann 440 Milliarden Euro einsetzen. Damit sie sich das Geld selbst am Bond-Markt zu Top-Konditionen leihen kann, wird sie von den Euro-Ländern mit Kredit-Garantien von rund 780 Milliarden Euro abgesichert. Der Fonds kann Darlehen an Krisenländer vergeben, wovon bereits Irland und Portugal profitieren, demnächst kommt Griechenland dazu, für das bisher ein eigener Rettungsmechanismus greift.
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Außerdem kann die EFSF direkt bei den Staaten Anleihen kaufen (Primärmarkt) oder in Ausnahmefällen indirekt über die Börsen (Sekundärmarkt). Außerdem kann die EFSF besondere Kredite zur Stabilisierung des Finanzsystems eines Euro-Landes vergeben. Bisher verplant sind EFSF-Mittel von rund 190 Milliarden Euro.
Um die restlichen 250 Milliarden Euro maximal auszureizen, ist vorgesehen, sie finanztechnisch zu „hebeln“. So soll die EFSF privaten Investoren in Euro-Anleihen 20 bis 30 Prozent ihres Ausfallrisikos absichern können. Am Ende könnte das Geld der EFSF damit für die zwei- bis dreifache Summe garantieren.
ESM
Die EFSF soll durch den dauerhaften Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) abgelöst werden. Bisher war der Stichtag 1. Juli 2013. Deutschland und Frankreich möchten den ESM auf 2012 vorziehen. Ihm sollen die gleichen Instrumente wie der EFSF zur Verfügung stehen; das einsetzbare Kapital ist auf 500 Milliarden Euro festgelegt. Abgesichert wird er zum einen durch einen Kapitalstock von 80 Milliarden Euro, der in fünf Jahresraten aufgebaut werden soll. Deutschland muss von 2013 bis 2017 jährlich 4,3 Milliarden Euro an den ESM überweisen. Hinzu kommen 620 Milliarden Euro an Kreditgarantien der Euro-Staaten. Beides soll dem ESM die Spitzenbonitätsnote AAA sichern.
Der ESM-Vertrag ist noch nicht unterzeichnet, so dass es an seiner Struktur noch zu Veränderungen kommen kann. So gibt es noch eine Diskussion, ob die EFSF und der ESM parallel betrieben werden sollten, um die Finanzmittel zu erhöhen. Deutschland lehnt das ab. Außerdem fordert nach Angaben aus EU-Kreisen Frankreich, gar keine Obergrenze für den ESM festzulegen. Hinzu kommen Überlegungen, ihm wie einer Bank die Kreditaufnahme bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zu ermöglichen. Auch das lehnte die Bundesregierung vor dem EU-Gipfel strikt ab.
IWF
Der dritte Weg führt über den Internationalen Währungsfonds (IWF). Er ergänzt bereits die EFSF-Hilfen für Irland und Portugal und ist auch bei der Stabilisierung Griechenlands mit einem Drittel der Hilfen an Bord. Das Problem: Auch die IWF-Mittel sind begrenzt. Deshalb wird beim Gipfel auch über eine Aufstockung seiner Finanzmittel durch die Euro-Notenbanken und möglicherweise andere Staaten wie die USA gesprochen. Das Geld könnte dann wieder über ein IWF-Programm nach Europa fließen. Eine Entscheidung darüber soll beim EU-Gipfel noch nicht fallen.
EZB
Der vierte Hilfsweg führt über die EZB. Die Zentralbank ist schon in der Krisenbekämpfung aktiv und hat Anleihen von Krisenländern im Volumen von mehr als 200 Milliarden Euro gekauft, um die Kurse an den Börsen zu stabilisieren. Zudem stellt sie über verschiedene Instrument sicher, dass die Banken in der Euro-Zone in der Krise mit ausreichend Liquidität versorgt sind.
Einige Länder dringen darauf, dass die EZB zumindest bis zur vollen Einsatzfähigkeit des ESM ihr Anleihekaufprogramm stark ausweitet, um die Märkte unter Kontrolle zu halten. Formell ist die EZB aber unabhängig und entscheidet selbst darüber, welche Summen sie einsetzt. Zudem ist ihr die Staatsfinanzierung verboten. Ein Mandat hat sie nur für den Erhalt der Geldwertstabilität, was dem Anleihe-Kaufprogramm Grenzen setzt.
Die Aufstellung zeigt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind. Am Ende hat, so sehen es viele Experten, nur die EZB das Potential, mit einer theoretisch unbegrenzten Geldschöpfung – auf Kosten massiver Inflationsgefahren - Investoren glaubhaft zu machen: Der Euro steht. Andere Experten warnen, die EZB würde damit als letzter Anker für Stabilität in der Euro-Zone zum Spielball politischer Interessen. Außerdem bürgen die Steuerzahler letztlich auch für Verluste der EZB. (reuters/abendblatt.de)