Wie automatische Sanktionen und Schuldenbremsen zu europäischem Recht werden könnten – ein Überblick über die rechtlichen Möglichkeiten.

Brüssel. Berlin und Paris wollen auf dem EU-Gipfel eine Schuldenbremse und automatische Sanktionen gegen Defizitsünder in den EU-Verträgen verankern. Zwar sieht man auch in Brüssel und anderen Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit, die Haushaltsregeln strenger zu machen, doch über den Weg dorthin wird heftig gestritten. Ein Überblick über die rechtlichen Möglichkeiten:

Offizielles Vertragsänderungsverfahren

Die erste – und zeitintensivste – wäre eine Änderung der Verträge, wie dies im Artikel 48 des EU-Vertrag vorgesehen ist. Dies kann – je nach Umfang der Vertragsänderungen – entweder über einen sogenannten Konvent oder über einfachere Änderungsverfahren laufen. In jedem Fall wäre hier das EU-Parlament beteiligt. Und die EU-Staaten müssen die Änderungen von ihren nationalen Parlamenten absegnen lassen. Deutschland strebt die geplanten Vertragsänderungen ohne die Einberufung eines Konventes an.

Änderungen im Protokoll/Sekunddärrecht

Eine schnellere Möglichkeit, wie sie auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vorzieht, wäre die Änderung des sogenannten Protokolls 12, in dem das Verfahren der Union bei einem übermäßigen Defizit festgelegt ist. Damit, so die Hoffnung, könnte man eine umständliche Vertragsänderung umgehen. Die Kommission räumte ein, dass man sich damit in einer rechtlichen Randzone bewege.

Darauf wollen sich die Deutschen nicht einlassen. Sie sehen in dem juristischen Winkelzug einen Griff in die „typische Brüsseler Trickkiste“, wie es ein hoher Regierungsvertreter ausdrückte.

Die deutsch-französische Lösung

Berlin und Paris setzen für den Fall, dass sich nicht alle 27 Mitglieder auf die gewünschten Vertragsänderungen einlassen, auf eine dritte Lösung. Sie wollen zur Not einen „ordentlichen völkerrechtlichen Vertrag“ der 17 Euroländer und anderer Interessenten schließen, der auf den noch nicht unterschriebenen Vertrag für den dauerhaften Rettungsschirm ESM draufgesattelt werden könnte. Darin sollen eine Schuldenbremse und automatische Sanktionen gegen Defizitsünder bindend festgeschrieben werden.

Dieser Zusatzvertrag soll nach Vorstellungen von Berlin und Paris bis März ausgehandelt und dann von den Nationalstaaten ratifiziert werden. Das Europaparlament bliebe außen vor. (dapd/abendblatt.de)