Die Evakuierungszone soll um den Ort Iitate erweitert werden. Das rät die IAEA. Japanische Regierung plant weitere Notmaßnahmen mit Kunstharz.

Tokio. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA rät Japan zur weiteren Evakuierung eines Ortes in der Nähe des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima. In dem 7000-Einwohner-Ort Iitate im Nordwesten des Kraftwerks gelegen hätten Teams der Atombehörde die höchsten Strahlungswerte gemessen, sagte der IAEA-Experte für nukleare Sicherheit, Denis Flory am Mittwoch in Wien.

Derweil soll ein ferngesteuertes Fahrzeug Trümmer in der havarierten Atomanlage Fukushima mit Kunstharz besprühen. So soll eine weitere Ausbreitung von gefährlicher Strahlung vermieden werden. Das meldete die Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwochabend (Ortszeit). Die japanische Regierung plane den Start der Notmaßnahme für Donnerstag. Das wasserlösliche Kunstharz soll radioaktive Partikel an den Trümmern „festkleben“ und verhindern, dass sie vom Wind verteilt werden, berichtete Kyodo. Die Arbeiten am Krisenmeiler werden bisher durch verstrahlte Trümmer und Staub erschwert.

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Weitere Pumpen aus Deutschland kühlen AKW in Fukushima

Im Kampf gegen einen Super-GAU in der japanischen Atomruine Fukushima soll weitere Technik aus Deutschland helfen. Der Pumpenhersteller Putzmeister will vier zusätzliche Maschinen für die Arbeiten an den schwer beschädigten Reaktorblöcken schicken. Die erste Pumpe werde voraussichtlich bereits am Donnerstag mit einem Großraumflugzeug von Stuttgart aus nach Japan gebracht, teilte das Unternehmen am Mittwoch in Aichtal in Baden-Württemberg mit. Die übrigen Maschinen sollen in den nächsten Tagen folgen.

Eine erste Pumpe des Unternehmens hilft bereits seit mehr als einer Woche bei der Kühlung des Atomkraftwerks Fukushima Eins. Die neuen Geräte sollen zunächst zur Kühlung verwendet werden, später werden sie eventuell für Beton-Arbeiten gebraucht. Dank der bis zu 70 Meter langen Arme kann Wasser von oben in die kaputten Reaktoren gepumpt werden. Die Geräte sind bis zu 80 Tonnen schwer.

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Tokio: Atomlecks in Fukushima mit Spezialgewebe abdecken

Die japanische Regierung erwägt Notmaßnahmen, um den Austritt von Radioaktivität aus dem schwer beschädigten Atomkraftwerk Fukushima zu stoppen. Überlegt wird, die Reaktoren mit Spezialgewebe abzudecken . Das sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Mittwoch nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo. Um was für eine Art von Spezialgewebe es sich handeln könnte, erläuterte er nicht. Außerdem wird geprüft, wie das radioaktiv verseuchte Wasser in Gräben und Kellern der Anlage am schnellsten abgepumpt werden kann.

Regierung will alle Krisen-Reaktoren in Fukushima stilllegen

Alle sechs Reaktoren im havarierten Kernkraftwerk Fukushima sollen nach dem Willen der japanischen Regierung nie mehr ans Netz gehen. Dies teilte Regierungssprecher Yukio Edano am Mittwoch nach Berichten der Nachrichtenagentur Kyodo mit. Der Kraftwerksbetreiber Tepco hatte zuvor erklärt, er wolle nur die Reaktoren 1 bis 4 dauerhaft stilllegen. Die zwei anderen Reaktoren seien noch operationsfähig.

Greenpeace: Wegen Strahlung Sicherheitszone ausweiten

Der Kampf gegen den Super-GAU in der Atomruine von Fukushima zermürbt die Arbeiter, zugleich wird immer mehr radioaktive Strahlung gemessen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte am Mittwoch die Ausweitung der Sicherheitszone um das Kernkraftwerk Fukushima. Experten der Organisation stellten eine erhöhte Radioaktivität nördlich von Fukushima fest. Im Meerwasser vor dem Unglücksreaktor wurde eine sehr hohe Konzentration von radioaktivem Jod entdeckt. Die Radioaktivität habe das 3.355-Fache des zulässigen Wertes erreicht, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo am Mittwoch.

Japans Ministerpräsident Naoto Kan bezeichnete die Entwicklung als „unvorhersehbar“ . Kan und der US-Präsident Barack Obama wollen bei der Bekämpfung der Krise eng zusammenarbeiten. Die Einsatzkräfte versuchen unter kaum erträglichen Bedingungen, das Atomkraftwerk Fukushima zu kühlen. Nach Experten-Einschätzung kann es Monate dauern, bis eine Kernschmelze endgültig abgewendet ist.

Greenpeace-Messungen zeigten in dem 7000-Einwohner-Ort Iitate, 40 nordwestlich des Kraftwerks, eine Strahlenbelastung von bis zu zehn Microsievert in der Stunde. Um Tsushima seien sogar 100 Microsievert pro Stunde gemessen worden. Das teilte die Organisation am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Tokio mit.

Jan van de Putte, Strahlenexperte von Greenpeace: „Es ist für die Menschen eindeutig nicht sicher, in Iitate zu bleiben, vor allem für Kinder und schwangere Frauen. Sie könnten die maximal zulässige jährliche Strahlendosis in nur wenigen Tagen abbekommen.“ Die japanische Regierung hat bisher eine 20 Kilometer-Evakuierungszone um das Atomkraftwerk errichtet.

Die US-Regierung erwartet nur eine langsame Stabilisierung der Lage. „Derzeitige Informationen lassen vermuten, dass die Reaktoren sich langsam von dem Unfall erholen“, sagte der designierte Vize-Energieminister Peter Lyons am Dienstag vor einem Ausschuss des Senates in Washington. Nach Einschätzung der internationalen Atomenergiebehörde IAEA ist die Lage in Fukushima weiter sehr ernst. Der Nachweis von Plutoniumspuren in Bodenproben aus der Umgebung des Atomkraftwerks könnte darauf hindeuten, dass eine „sehr kleine Menge“ des hochgiftigen Schwermetalls aus der Atomruine freigesetzt worden sein könnte.

Die Arbeiter in dem Katastrophen-Kernkraftwerk Fukushima sind zunehmend ausgebrannt und ihre Angst vor dauerhaften Gesundheitsschäden wächst. Das sagte ein Manager einer Vertragsfirma des Betreibers Tepco der Zeitung „Asahi Shinbun“. Zwar gingen die Einsatzkräfte immer wieder in die zerstörten Reaktorblöcke, um die Reaktoren zu kühlen und einen Super-GAU zu verhindern, doch seien die Arbeiter angesichts der endlosen Schwierigkeiten zunehmend nervöser. Man achte darauf, dass Tepco die Spezialisten nicht zu hohen Risiken aussetze, sagte der Manager, der namentlich nicht genannt wurde.

Sorgen bereitet derzeit auch das Wetter. Am Mittwoch werde der aufs Meer wehende Wind seine Richtung ändern. Dann tragen Böen die radioaktiven Partikel aus Fukushima in Richtung der Millionen-Metropole Tokio . „Dort steigt die Konzentration folglich an, allerdings deutlich verdünnt gegenüber der Ausgangsregion“, sagte der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach vorher. Am Donnerstag werde der Wind seine Richtung aber wieder Richtung Meer ändern.

Ein weiteres ungelöstes Problem ist das strahlende Wasser in der Atom-Ruine. Zwar ist das Wasser im Keller des Fukushima-Reaktors 1 deutlich zurückgegangen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo vom Mittwoch sank der Wasserstand auf die Hälfte. Eine Hauptaufgabe der Einsatzkräfte ist das Abpumpen des gesamten verseuchten Wassers , doch die Arbeiter wissen derzeit nicht, wohin mit der hochgiftigen Flüssigkeit aus Block 2 und 3, wie Kyodo meldete. Es fehlte an Tanks. Der französische Atomkonzern Areva wird fünf Nuklear-Experten ins Krisengebiet schicken. Sie sollen die japanischen Arbeiter dabei unterstützen, das radioaktiv verseuchte Kühlwasser aus den teilweise zerstörten Reaktorblöcken herauszupumpen.

Angesichte der Energieknappheit erwägt die japanische Regierung die Einführung der Sommerzeit, damit große Unternehmen Energie sparen. Bisher hatte das Land die Sommerzeit nicht eingeführt. Nach dem Erdbeben, dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe musste Tokio den Strom in einigen Regionen zeitweise abschalten. Experten befürchten eine anhaltende Energieknappheit.

Der Chef des japanischen Atom-Konzerns Tepco, Masataka Shimizu, musste unterdessen in ein Krankenhaus gebracht werden. Tepco betreibt das Unglückskraftwerk Fukushima. Nach Angaben von Kyodo vom Mittwoch litt Shimizu an Bluthochdruck und Schwindelgefühlen.

Radioaktive Spuren in Lebensmitteln in Südkorea

Die südkoreanischen Behörden haben derweil geringe Spuren radioaktiver Substanzen in Lebensmitteln aus Japan entdeckt. In 14 von 244 getesteten Produkten seien radioaktives Jod und Cäsium nachgewiesen worden, teilte die koreanische Nahrungs- und Arzneizulassungsbehörde (KFDA) in Seoul am Mittwoch mit. Die Lebensmittel seien zwischen dem 19. und 29. März importiert worden.

Die gemessenen Werte in den 14 Produkten, darunter Melonen, Brot, Kekse und Vitamine, lägen jedoch weit unter der zulässigen Höchstgrenze für Cäsium und Jod. Für die Gesundheit der Verbraucher bestehe keine Gefahr. Einige Produkte seien bereits vor den Unfällen im japanischen Atomkraftwerk in Fukushima produziert worden. Es sei daher nicht ausgeschlossen, dass in einigen Fällen die Radioaktivität auf natürliche Quellen zurückzuführen sei.

Nach den Reaktorunfällen in Japan wurden in Seoul und an anderen Orten in Südkorea radioaktives Jod und Cäsium in geringen Mengen in der Atmosphäre gemessen. Das koreanische Institut für Nuklearsicherheit in Taejon hatte am Dienstag mitgeteilt, dass das radioaktive Jod-131 wahrscheinlich aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima stamme. Die Konzentration sei jedoch so gering, dass keine Gefahr für die Umwelt oder Gesundheit der Menschen bestehe.