Atomalarm nach Erdbeben-Katastrophe in Japan. In den Reaktoren drohte Kernschmelze. Gewaltiger Tsunami überflutete Küstenstädte. Weit mehr als 14.000 Tote befürchtet.
Eine Naturkatastrophe entsetzt die Welt: Das schwerste Erdbeben in Japan seit 140 Jahren und ein verheerender Tsunami haben mehr als 1000 Menschen in den Tod gerissen und viele Städte verwüstet. Auch mehrere Kernkraftwerke wurden schwer getroffen. Die Regierung in Tokio rief erstmals den Atomalarm aus. Besonders gefährlich war die Situation im Reaktor Fukushima Daiichi. Dort waren sämtliche Kühlsysteme ausgefallen - die Kernbrennstäbe erhitzen sich immer schneller. Deutsche Experten schlossen eine Kernschmelze nicht mehr aus.
Am späten Abend am Tag des Erdbebens spitzte sich die Situation nach Angaben der Nachrichtenagentur Kyodo dramatisch zu: Innerhalb des Kraftwerks wurde eine 1000-fach erhöhte Radioaktivität gemessen, in der Umgebung ein achtfach erhöhter Wert. Ministerpräsident Naoto Kan rief die Bewohner im Umkreis von zehn Kilometern um das Kraftwerk auf, sich in Sicherheit zu bringen.
Die Katastrophe war um 14.46 Uhr (6.46 Uhr MEZ) über die Insel Honshu hereingebrochen. Das Erdbeben mit dem Epizentrum vor der Küste erreichte 8,9 auf der Richterskala - es zählt damit zu den fünf stärksten Beben, die jemals weltweit registriert wurden. Die Erdstöße waren so gewaltig, dass sich der Meeresboden großflächig hob und eine riesige Flutwelle auslöste. Schon wenige Minuten später raste die sieben bis zehn Meter hohe Wasserwand über Hunderte Kilometer der Ostküste von Honshu hinweg und zerstörte mit ungeheurer Wucht alles in ihrem Weg. Live-TV-Bilder von Hubschraubern zeigten, wie der Tsunami Autos, Schiffe und ganze Häuser mit sich riss. Auch mehrere Personenzüge mit einer unbekannten Zahl von Passagieren wurden von der Riesenwelle erfasst. Sie galten bei Einbruch der Nacht als verschwunden. Die Agentur Kyodo sprach am späten Abend von mehr als 1000 Toten, Experten halten jedoch auch eine weit höhere Zahl für möglich. Allein in der teilweise überfluteten Großstadt Sendai sprach die Polizei von 200 bis 300 Leichen. Die 400 Kilometer südlich gelegene Metropole Tokio kam relativ glimpflich davon. Hunderttausende flohen in Panik aus Wohnungen und schwankenden Hochhäusern. Offenbar gab es jedoch kaum Tote und Verletzte.
Der Tsunami breitete sich über den gesamten Pazifik aus. Auf den Südsee-Inseln, an der US-Küste und in Südamerika wurden Anwohner vor Flutwellen gewarnt. An der US-Westküste richteten sie ebenfalls Schäden an.
In einem "beängstigenden Rennen gegen die Zeit" versuchten Experten, das Atomkraftwerk Fukushima vor einem GAU zu bewahren. Nach dem Ausfall der Stromversorgung wurde die Kühlung nur noch von Batterien in Gang gehalten. Ihre Laufzeit wurde mit "wenigen Stunden" angegeben. Die US-Luftwaffe flog aufbereitetes Kühlwasser zu der Anlage. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte in Berlin, es bestehe eine ernste Situation. Im äußersten Fall sei eine Kernschmelze wie in Tschernobyl 1986 möglich. Der Brand in einem weiteren Atomkraftwerk, wo es offenbar einen Kurzschluss gegeben hatte, konnte gelöscht werden.
US-Präsident Barack Obama versprach Japan schnelle Hilfe. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: "Japan soll wissen, dass Deutschland in dieser schwierigen Stunde an seiner Seite steht." Deutsche Rettungsteams sind auf dem Weg in die Katastrophenregion.
Am 8. April erschütterte ein schweres Nachbebene der Stärke 7,4 den Nordosten Japans und auch das war noch nicht das Ende der Katastrophe, denn diesem großen Nachbeben folgten viele kleinere. Betroffen war auch die Küstenstadt Sendai, die schon nach dem ersten großen Beben von einem Tsunami dem Erdboden gleich gemacht wurde. Das Atomkraftwerk Fukushima ist nach Aussagen des Betreibers Tepco nicht weiter beschädigt worden. Dennoch schätzen Experten, dass die "Atomruine" noch einige Monate lang ein hohes Risiko birgt.