Die drohende Atomkatastrophe in Japan hat Europas Aktienmärkte einbrechen lassen. Der deutsche Leitindex Dax verlor rund fünf Prozent.
Frankfurt/Tokio. Die Verluste waren mit bis zu fünf Prozent zwar weniger stark als in Tokio, wo der Nikkei-Index knapp elf Prozent einbüßte. Doch machte sich zusehends auch in Europa Panik breit, die vor allem am deutschen Markt die Kurse einbrechen ließ.
„Der Markt wird alles tun, um das schlimmste mögliche Szenario einzupreisen“, erklärte Keith Bowman, Analyst beim Fondsmanager Hargreaves Lansdown in London. „Aber die Lage ist sehr unsicher und ändert sich stündlich, und dann gibt es ja auch noch die Krise im Nahen Osten.“
In Tokio war der Nikkei zeitweise um 14,5 Prozent abgestürzt, so viel wie noch nie zuvor. Mit 8605 Punkten hatte er schließlich 10,6 Prozent im Minus geschlossen, so niedrig wie seit rund zwei Jahren nicht mehr.
Nach japanischen Medienberichten stieg die radioaktive Belastung in der Nähe von Tokio bereits merklich. An den Finanzmärkten wird nun befürchtet, dass die Krise in Japan die gesamte Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen könnte.
Dax führt die Verliererliste an
In Europa gerieten vor allem deutsche Aktien unter Druck: So stürzte der Dax um bis zu 5,6 Prozent auf 6483 Punkte ab und notierte damit so niedrig wie seit Oktober 2010 nicht mehr. Zudem handelte es sich um den größten Kursverlust seit Dezember 2008, als die Finanzmärkte mit den Folgen der Pleite der Lehman Bank im September 2008 zu kämpfen hatte. In Paris und Zürich verloren die Leitindizes je gut vier Prozent und in London der FTSE drei Prozent. Auch im europäischen Vergleich führten die deutschen Standardwerte im Stoxx50 die Verliererliste an.
„Wenn in Japan nur einige Tage die Produktion ausfällt, kann das einige Unternehmen schon in den Konkurs treiben“, erklärte Jörg Rahn, Marktstratege von Marcard Stein & Co. Das produzierende Gewerbe sei vermutlich besonders stark betroffen, dort komme es sicher zu großen Ausfällen. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass die internationale Welt zusammenstehen und die japanischen Unternehmen unterstützen wird. Auch eine konzertierte Aktion der Notenbanken ist vorstellbar“, führte Rahn weiter aus.
„Bei einer Verschärfung der Krise werden die Japaner ihre im Ausland liegenden Vermögenswerte zurückführen“, warnte Marktstratege Heino Ruland von Ruland-Research. Dies dürfte am Aktienmarkt nicht spurlos vorbeigehen. Vor allem der deutsche Aktienmarkt könnte unter Druck geraten, erklärte Ruland.
Deutsche Energiekonzerne rutschen weiter ab
In Frankfurt standen erneut E.ON und RWE unter Druck. Die Aktien beider Energiekonzerne, die Atomkraftwerke in Deutschland betreiben, fielen im Anfangsgeschäft um über sieben Prozent und lagen am späten Vormittag noch knapp fünf Prozent im Minus. Schon am Montag hatte die Aussetzung der Laufzeitverlängerung der AKW in Deutschland durch die Regierung die Kurse von E.ON und RWE um je rund fünf Prozent ins Minus gedrückt.
Auch die Aktien anderer Industriekonzerne wie VW, Daimler und BASF zählten am Dienstag mit Abschlägen von bis zu acht Prozent zu den größten Verlierern im Dax. Händler begründeten die Beschleunigung der Talfahrt mit technischen Faktoren, auch im Zusammenhang mit dem großen Verfall am Terminmarkt am Freitag.
Dagegen gehörten die Aktienkurse der Anbieter alternativer Energie im TecDax zu den größten Gewinnern: Conergy schossen um mehr als 50 Prozent in die Höhe, Nordex um 27 Prozent, Solarworld um über 15 Prozent und Q-Cells um 18 Prozent. Die im MDax gelisteten Wacker Chemie stiegen um zwei Prozent, da der Spezialchemiekonzern auch ein Zulieferer für die Solarindustrie ist. Der ÖkoDax legte knapp 11 Prozent zu.