Hamburg. HSV-Gesellschafter schreiben zwei Brandbriefe an Jansen. Ihre Kernaussage: Der Präsident muss weg. Was in dem Schreiben steht.

Die KW 41, wie es so schön im Bürodeutsch heißt, war keine gute für den HSV. Nach dem ärgerlichen 1:1 gegen Aufsteiger Kaiserslautern verlor der HSV in der besagten Kalenderwoche auch noch krachend mit 0:3 am Millerntor gegen den FC St. Pauli und rutschte von Platz eins auf Rang drei ab.

Für HSV-Präsident Marcell Jansen war die KW 41 allerdings noch aus einem ganz anderen Grund eine Woche zum Vergessen. Der Aufsichtsratsvorsitzende und Präsident in Personalunion erhielt ein brisantes Schreiben, das im Nachhinein so etwas wie der Anfang vom Ende für den Superfunktionär beim HSV sein könnte.

Marcell Jansen und der HSV. Es ist eine ganz besondere Beziehung, die an guten Tagen zu schön um wahr zu sein und an schlechten Tagen zu abstrus um wahr zu sein wirkte. Und zuletzt, so schien es zumindest, waren es in dieser besonderen Beziehung eher schlechte Tage. Sieben Jahre lang spielte der frühere Nationalspieler beim HSV, ehe er 2015 als gerade einmal 29-Jähriger seine aktive Karriere vorzeitig beendete.

Doch der gebürtige Mönchengladbacher blieb dem HSV treu, spielte ab 2018 in der Oberliga bei HSV III und begann im gleichen Jahr seine zweite HSV-Karriere als Funktionär. Zunächst nur im Aufsichtsrat, dann als Präsident. Mittlerweile ist Jansen der wichtigste Entscheider im HSV-Kosmos. Er ist Chefkontrolleur, Präsident und Chef-Strippenzieher. Es gibt keine wichtige Entscheidung mehr, die an dem Rheinländer vorbeigeht.

HSV-Aktionäre prüfen Aufstand gegen Marcell Jansen

Doch anders als früher auf dem Spielfeld, wo der ehemalige Linksverteidiger auf der Außenbahn meist den direkten Weg in Richtung Tor gesucht hat, scheint sich Jansen auf seinem neuen Spielfeld verdribbelt zu haben. Kaum vergeht mehr ein Tag ohne neue Kritik.

Viele Mitglieder sind irritiert über Jansens Umgang mit und die Nähe zu dem umstrittenen Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld. Ein erster Abwahlantrag wurde bereits gestellt. Investor Klaus-Michael Kühne zählte Jansen öffentlich im Abendblatt an, auch das Verhältnis zu Alleinvorstand Jonas Boldt ist zerrüttet. Zudem sind Aufsichtsrat, Beirat und sogar Präsidium gespalten aufgrund der einen oder anderen Jansen-Entscheidung.

Und wie das Abendblatt nun erfuhr, erhielt Jansen zudem in der bereits erwähnten KW 41 eine E-Mail, die im CC an das gesamte Präsidium und den gesamten Aufsichtsrat verschickt wurde und deren Inhalt es in sich hatte. Absender waren drei der insgesamt sieben HSV-Gesellschafter: die Margaritoff-Erben, die Familie Burmeister und die AMPri Handelsgesellschaft.

Das Aktionärstrio machte sein Unverständnis über Jansens Umgang rund um den zuvor zurückgetretenen Ex-Vorstand (und Mit-Gesellschafter) Wüstefeld deutlich und erbat, eine Kontinuität innerhalb des Aufsichtsrates zu wahren. Auch Jansens Entscheidung aus dem vergangenen Jahr, Detlef Dinsel in den Aufsichtsrat zu holen, wurde kritisiert. Man sei bei dieser Entscheidung als Gesellschafter nicht mitgenommen worden, hieß es.

Brandbrief der HSV-Aktionäre gegen Marcell Jansen

Die erhoffte Reaktion auf das deutliche Schreiben soll allerdings ausgeblieben sein, worauf die Gesellschafter knapp zwei Wochen später am Wochenende der 2:3-Heimniederlage gegen Magdeburg noch einmal wortgewaltig nachlegten. Und die zweite Mail, anders kann man es gar nicht sagen, muss wohl als Brandbrief bezeichnet werden. Die massiv verärgerten Aktionäre schrieben direkt an Jansen gerichtet: „Wir entziehen Ihnen als Aufsichtsratsvorsitzendem aufgrund Ihres Verhaltens ab sofort unser Vertrauen.“

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Ein unmissverständlicher Satz, der den HSV noch einige Zeit lang beschäftigen wird. Das Abendblatt hat sämtliche Gesellschafter und auch Jansen als Vertreter des Vereins um ein Gespräch gebeten, äußern wollte sich aber keiner. Der Grund, warum die Gesellschafter mit ihm gebrochen hatten, ist Jansen aber natürlich bekannt. Denn nach der ersten Mail, auf die es keine wirkliche Antwort gab, wurde sein Plan für einen neuen Aufsichtsrat öffentlich. Dieser sah vor, dass neben Andreas Peters, der auf der Hauptversammlung im Winter selbst zurücktreten will, auch die erst vor einem Jahr von Jansen nominierten Lena Schrum und Hans-Walter Peters das Gremium verlassen müssten.

Als neue Kontrolleure sah Jansen den früheren Ultra-Vorsänger Henrik Köncke, Eric Bussert, Vorstand von Hauptsponsor HanseMerkur, und Block-House-Geschäftsführer Stephan von Bülow vor. Sowohl Schrum als auch Peters galten neben Markus Frömming in den vergangenen Monaten im Kontrollgremium als Hauptkritiker von Ex-Vorstand Wüstefeld und von Jansens Umgang mit der Krise. Dass Jansen nun ausgerechnet Schrum und Peters ersetzen wollte, müssen die Gesellschafter nach ihrer ersten Mail als eine Art Kriegserklärung verstanden haben. Schließlich hatten sie Jansen in ihrem Schreiben zuvor um das genaue Gegenteil gebeten.

Die (Noch-)HSV-Aufsichtsräte Lena Schrum (v. l.), Marcell Jansen und Hans-Walter Peters.
Die (Noch-)HSV-Aufsichtsräte Lena Schrum (v. l.), Marcell Jansen und Hans-Walter Peters. © Witters

HSV-Aktionäre: Nur Wüstefeld nicht gegen Jansen

Mittlerweile soll sich auch Agrarunternehmer Helmut Bohnhorst der inhaltlichen Kritik angeschlossen haben. Klaus-Michael Kühne hat mit seiner Meinung ohnehin nicht hinter dem Berg gehalten und deutliche Kritik im Abendblatt an Jansen geäußert. „Für das personelle Hickhack ist Marcell Jansen verantwortlich, was sich auf den Verein negativ auswirkt. Ich wünsche mir neue Leute, die von außen kommen“, hatte Kühne im Abendblatt am vergangenen Wochenende gesagt. „Wir brauchen einen Neubeginn.“

Somit ist Wüstefeld als Vertreter der Calejo GmbH einziger Kleinaktionär, der sich der Kritik an Jansen bislang nicht angeschlossen hat. Doch wer nun dachte, dass Wüstefeld sich als letzter Gesellschafter-Mohikaner vehement für Jansen ausspricht, der irrt.

Auf Abendblatt-Nachfrage erklärte Wüstefeld, dass er in dem schwelenden Streit der Aktionäre neutral bleibe, sich aber eine vermittelnde Rolle vorstellen könnte. Es klingt fast wie ein Treppenwitz, da ausgerechnet Jansens Nähe zu Wüstenfeld der Auslöser für die Verstimmung der Kleinaktionäre war.

HSV-Krisengipfel gegen Jansen ohne Wüstefeld

Zunächst einmal wird Wüstefeld aber außen vor bleiben. Beim Krisengipfel, der an diesem Mittwoch zwischen Präsidium und Gesellschafter einberufen wurde, ist er nicht eingeladen. Ob Jansen aber vor der bald fälligen Hauptversammlung, also der offiziellen Zusammenkunft aller Gesellschafter, noch einmal die Wogen glätten kann, bleibt abzuwarten.

So sind die Anteile der HSV Fußball AG verteilt:

  • HSV e.V.: 75,10 Prozent
  • Klaus-Michael Kühne: 15,21 Prozent
  • Thomas Wüstefeld: 5,07 Prozent
  • Familie Burmeister: 1,33 Prozent
  • Familie Bohnhorst: 1,2 Prozent
  • AmPri Handelsgesellschaft: 1,41 Prozent
  • Erbengemeinschaft Margaritoff: 0,67 Prozent

Doch wie geht es nun weiter? Jansen wirkt zunehmend isoliert. Lediglich innerhalb des e.V. hat er noch starke Fürsprecher mit Vizepräsident Michael Papenfuß, Geschäftsführer Kumar Tschana und dessen Stellvertreterin Anne Gnauk. Dabei ist es möglich, dass Jansen innerhalb des HSV in eine Art Stellvertreterkrieg hineingeraten ist, bei dem sich die Parteien nur bedingt zu erkennen geben.

Hier Milliardär Kühne, dessen 120-Millionen-Euro-Angebot wohl nur ohne Jansen auf dem Tisch bleibt. Dort Private-Equity-Mann Dinsel, der öffentlich noch nie in Erscheinung getreten ist, hinter den Kulissen aber immer öfter als entscheidender Einflüsterer von Jansen genannt wird.

HSV-Beben gegen Jansen: Was macht Kühne?

Neben den Initiatoren des Gesellschafterbriefes macht auch Kühne keinen Hehl daraus, dass er dem Mann, mit dem er vor Kurzem noch über einen millionenschweren Verkauf seiner Anteile verhandelt hatte, misstraut. Im Abendblatt-Interview beklagte Kühne, dass Jansen „leider unter den Einfluss von Wüstefeld und Dinsel geraten“ sei.

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Dabei ist kurios, dass Kühne und Dinsel sogar das gleiche Interesse für eine Rechtsformänderung haben. Beide hoffen, dass sich auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Frühjahr die HSV-Mitglieder für einen Wechsel zu einer KGaA entscheiden.

Auf Nachfrage wollte sich Dinsel zur Kühne-Kritik nicht äußern. Nach Abendblatt-Informationen haben sich Dinsel und Kühne lediglich einmal persönlich getroffen, zudem hat Kühne Dinsel noch einen Brief geschrieben und sich für das Treffen bedankt.

Immerhin: In Sachen Briefschreiben könnte man beim HSV mittlerweile sogar eine neue Sparte aufmachen.