Hamburg. Jurist will außerordentliche Mitgliederversammlung noch vor der Hauptversammlung der Anteilseigner im November erwirken.

Es war um die Mittagszeit, als Till Hischemöller seinen ganzen Mut zusammennahm und auf „Senden“ drückte. Der HSV-Fan hatte die E-Mail, über die er einige Tage gebrütet hatte, an den HSV e.V. abgeschickt. Und der Inhalt der Mail, die auch dem Abendblatt vorliegt, hat es in sich. Unter dem Betreff „An das Präsidium des Hamburger SV e.V.“ hat Hischemöller eine knallharte Abrechnung mit HSV-Präsident Marcell Jansen formuliert, die in einen Abwahlantrag mündete.

Abwahlantrag: War Jansen grob fahrlässig beim HSV?

In der Begründung wird der Jurist, der auch HSV-Mitglied ist, konkret. „Aufgrund seiner grob fahrlässigen Amtsführung als Aufsichtsratsvorsitzender der HSV Fußball AG ist in der Person von Herrn Marcell Jansen ein Vertrauensverlust eingetreten, welcher ihn auch für die Fortführung seines Amtes als Präsident des Hamburger Sport-Verein e.V. als ungeeignet erscheinen lässt“, schreibt Hischemöller, der auch den Interessenkonflikt zwischen Jansen und dem zurückgetretenen Thomas Wüstefeld kritisiert.

„Spätestens im Zuge der zunehmenden Enthüllungsberichte in den einschlägigen Medien, die massiven Betrugsvorwürfe und Strafanzeigen gegenüber Herrn Wüstefeld sowie aufkommende Zweifel an der Berechtigung von dessen akademischen Titeln zum Gegenstand hatten, hätte Herr Jansen als Aufsichtsratsvorsitzender handeln und die kurzfristige Abberufung von Herrn Wüstefeld durch den Aufsichtsrat betreiben müssen, um Schaden vom HSV abzuwenden. Dies tat Herr Jansen jedoch nicht, vielmehr ließ er es über Wochen und Monate zu, dass das Image des HSV trotz einer positiven sportlichen Entwicklung (...) massiv Schaden genommen hat.“

Welche Aussicht hat Abwahlantrag gegen Jansen?

Auch die Pressekonferenz Jansens kritisiert Hischemöller, der zeitnah auch auf die Supporters-Leitung mit seinem Anliegen zugehen will, schwer: „Gänzlich mit seinem Amt überfordert wirkte Herr Jansen sodann, als er nach dem Rücktritt von Herrn Wüstefeld im Rahmen einer von ihm selbst einberufenen Pressekonferenz auf die Frage, inwieweit Herr Wüstefeld dem Aufsichtsrat Nachweise für seine akademischen Titel vorgelegt habe, erklärte, es habe einen Termin mit einem Gremium des Aufsichtsrats gegeben, er wisse jedoch nicht, welche Unterlagen dort von Herrn Wüstefeld vorgelegt worden seien. Weiter verstieg sich Herr Jansen zu der Aussage, durch den Rücktritt von Herrn Wüstefeld sei eine weitere Aufklärung obsolet und nicht mehr im Interesse des HSV.“

Ob Hischemöller mit seinem Abwahlantrag noch vor der ordentlichen Hauptversammlung im November, auf der Jansen den Aufsichtsrat neu bestimmen will, durchkommt, ist allerdings fraglich. Hierfür wäre die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erforderlich, die laut HSV-Satzung (§ 15) nur durch das Präsidium, den Beirat, den Ehrenrat, die Abteilungsleitung Fördernde Mitglieder oder den Amateurvorstand beantragt werden kann.

Die einzige Alternative: Hischemöller bräuchte die schriftliche Zustimmung von einem Zehntel aller stimmberechtigten Mitglieder. Jansen wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem brisanten Antrag äußern.