Hamburg. HSV bleibt Tabellenführer, hadert aber mit dem Spielverlauf. Zur Schlüsselszene kommt es kurz vor Schluss. Heuer Fernandes fiel aus.
Über dieses Unentschieden wird der HSV wohl noch einige Tage hadern. Die Hamburger trennten sich zwar leistungsgerecht mit 1:1 (1:0) vom 1. FC Kaiserslautern, der sechste Sieg in Serie war allerdings zum Greifen nah. Kurz vor Schluss hätte Sonny Kittel vom Elfmeterpunkt für die Vorentscheidung sorgen müssen. Doch der Spielmacher scheiterte am starken Gäste-Torhüter Andreas Luthe, der die Ecke ahnte und den halb hoch getretenen Schuss parierte.
Es war die Schlüsselszene der Partie, denn fast im direkten Gegenzug und nur 53 Sekunden später kam der Aufsteiger durch den eingewechselten Lex Tyger Lobinger zum verdienten Ausgleich (82.).
Die Hamburger versuchten danach noch einmal alles, doch die erneute Führung sollte nicht mehr gelingen. Und so muss der HSV erstmals seit Mitte August, als das Heimspiel gegen Darmstadt (1:2) verloren ging, wieder einen Punktverlust verkraften. Unterm Strich steht zwar weiterhin die Tabellenführung zu Buche, doch darüber wollte sich an diesem Sonnabend keiner freuen.
HSV: Glatzel hadert mit Elfmeter und fordert Derbysieg
„Wir haben kein gutes Spiel gemacht und können nicht zufrieden sein“, räumte Robert Glatzel, der zum 1:0 für den HSV traf, ehrlich bei Sky ein. Mit Blick auf den Elfmeter ergänzte er: „Natürlich müssen wir das 2:0 machen. Wie das Unentschieden zustande kommt, ist bitter.“
Als Elfmeterschütze wäre auch Glatzel infrage gekommen. Doch Kittel setzte sich auf dem Platz durch, denn Trainer Tim Walter gibt keine klare Hierarchie vom Punkt vor, wie Glatzel erklärte. „Wir haben es bisher immer auf dem Platz gereget.“ So auch diesmal. „Wir wollten beide schießen“, sagte der Torjäger. Doch Kittel setzte sich durch.
Glatzel versuchte aber bereits, den Blick nach vorn zu richten – auf das Stadtderby am kommenden Freitag beim kriselnden FC St. Pauli. „Der Derbysieg muss her, das ist klar.“
Lesen Sie auch die HSV-Einzelkritik:
HSV- und Kaiserslautern-Fans beeindrucken
Mit ein paar Tagen Abstand werden Glatzel und seine Mitspieler anerkennen, dass 57.000 Zuschauer für eine beeindruckende Kulisse an diesem Sonnabendabend sorgten. Insbesondere die rund 8000 mitgereisten Gästefans standen den HSV-Anhängern in nichts nach. Es war ein würdiger Rahmen für ein Zweitligatopspiel zweier Traditionsclubs, die diese Liga bereichern.
Ob der HSV die Zweite Liga auch über den Mai 2023 hinaus noch bereichern wird, bleibt trotz des Remis fraglich. Die Mannschaft von Tim Walter, der es verpasste, den 43 Jahre alten Rekord von Meistertrainer Branko Zebec zu knacken, befindet sich weiterhin auf Aufstiegskurs.
HSV-Coach Walter „angefressen“ – Heuer Fernandes fiel aus
„Wir wollen da oben bleiben“, sagte Walter bei Sport1. Doch so richtig wollte der Coach nicht an die Tabelle denken, zu sehr überwog der Frust über den verschenkten Sieg. „Ich bin angefressen, es fühlt sich scheiße an. Wir haben es versäumt, den Sack zuzumachen und müssen uns an die eigene Nase packen.“
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
Walter musste diesmal den Ausfall seines Stammtorwarts Daniel Heuer Fernandes (Magen-Darm) kompensieren. Er wurde durch den fehlerfreien Matheo Raab ersetzt, der erst im Sommer als Aufstiegsheld vom FCK nach Hamburg gewechselt war. Auch Linksverteidiger Tim Leibold fiel kurzfristig wegen einer Muskelverletzung aus.
Gegen Kaiserslautern feuerten die Hanseaten zwar – anders als die mehrmals zündelnden Gästefans – wie gewohnt in dieser Spielzeit kein Feuerwerk ab. Doch der HSV definiert sich in der Saison 2022/23 über defensive Stabilität, Souveränität im Spielaufbau und Kaltschnäuzigkeit im Angriff. Daran ändert auch das 1:1 gegen die Pfälzer nichts.
Glatzel trifft mit erster HSV-Chance
Wie erwartet, übernahmen die ballsicheren Hamburger von Beginn an die Spielkontrolle, während die Gäste auf Umschaltmomente lauerten. Auffällig war vor allem, wie oft Laszlo Benes in den gegnerischen Strafraum vorstieß und mit Chipbällen bedient wurde. Möglicherweise machte Walter hier ein taktisches Konzept ausfindig, um den kompakten Gegner auseinanderzuziehen.
Trotz aller taktischen und spielerischen Bemühungen mangelte es an Abschlüssen. Die erste Chance des Spiels vergab FCK-Torjäger Terrence Boyd per Kopf (19.). Kurz darauf zeigte sein Pendant Robert Glatzel, wie man es besser macht, als er den Ball mit dem rechten Knie über die Linie bugsierte (24.). Gäste-Keeper Andreas Luthe half dabei allerdings kräftig mit, indem er Kittels Flanke unnötig auf den Körper von Glatzel abwehrte. Und so ging der HSV mit der ersten Möglichkeit in Führung.
Am Spielverlauf änderte sich durch den Treffer allerdings wenig. Kaiserslautern stand wie erwartet defensiv kompakt, teilweise mit sieben Leuten im eigenen Strafraum. Eine Spielweise, mit der sich der HSV schwertat. Die Hamburger kamen weiterhin nicht zu Torchancen, ließen aber bis auf einen harmlosen Versuch aufs lange Eck von Redondo (44.) zunächst nichts zu. Und so blieb es zur Pause beim 1:0 für die Gastgeber.
HSV gibt Sieg gegen FCK aus der Hand
Der zweite Durchgang begann wie der erste aufhörte: Wieder tauchte ein Lauterer vor HSV-Keeper Raab auf, diesmal war es Boyd, doch der Stürmer scheiterte im durch die Zündelei aus dem Gästeblock verursachten dichten Nebel an der glänzenden Fußabwehr Raabs (47.). Vorausgegangen war ein beinahe folgenschweres Ausrutschen Moritz Heyers, das diese Großchance auf den Ausgleich erst ermöglichte.
- Horst Hrubesch gibt Verantwortung ab: Das sind seine Pläne
- Niedergang des FCK: Warnung für den HSV
- HSV-Blogger ist tot: „Wer ihn kannte, lernte ihn schätzen“
Es ging nun torgefährlicher weiter als in Halbzeit eins. Zunächst parierte Luthe einen schnittigen Vuskovic-Freistoß (53.), dann vergab Redondo den nächsten Hochkaräter der Gäste fast schon kläglich, als er frei vor Raab nicht mal aufs Tor schoss (63.). Und schließlich prüfte auch Benes vergeblich, ob Luthe durch seinen Wackler beim Gegentor verunsichert war (63.). Kurz darauf hatten Glatzel gleich zweimal (70. Und 75.) und der eingewechselte Ransford Königsdörffer (72.) das 2:0 auf dem Fuß – doch der Gäste-Keeper war nun nicht mehr zu bezwingen.
Auch nicht vom Elfmeterpunkt. In der Schlussphase hätte der HSV den berühmten Sack zumachen müssen, doch Kittel vergab einen Strafstoß, den der zuvor gefoulte Ludovit Reis mit einem beherzten Sprint in den Strafraum herausgeholt hatte (81.). Und so kam Kaiserslautern tatsächlich noch zum Ausgleich durch Lobinger (82.). Ein Ergebnis, das den HSV nicht zufriedenstellen konnte.
Die Statistik:
- HSV: Raab – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Benes (85. Suhonen) – Jatta (71. Königsdörffer), Glatzel, Kittel (85. Amaechi). – Trainer: Walter
- Kaiserslautern: Luthe – Bormuth, Kraus, Tomiak – Durm (76. Opoku), Ritter, Niehues, Zuck – Klement – Boyd (66. Lobinger), Redondo (86. Zimmer). – Trainer: Schuster
- Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)
- Tore: 1:0 Glatzel (24.), 1:1 Lobinger (82.)
- Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen)
- Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)