Hamburg. Neubesetzung des Kontrollgremiums wird beim Treffen am Donnerstag Thema sein. Das Aus für Lena Schrum beschäftigt sogar den Ehrenrat.
Ziemlich genau elf Monate ist es her, dass sich Lena Schrum das erste und einzige Mal über ihren neuen Posten als Aufsichtsrätin der HSV Fußball AG äußerte. Die im schleswig-holsteinischen Heide geborene und groß gewordene Unternehmerin erinnerte sich an ihren ersten Besuch als kleines Mädchen im Volksparkstadion.
„60.000 Zuschauer! Das hat bleibenden Eindruck hinterlassen. So etwas vergisst man nicht“, schrieb die frühere Bundesliga-Fußballerin von Bayer Leverkusen und Mitgründerin der Nachhaltigkeitsplattform Aware am Tag nach ihrem Einzug in das Kontrollgremium auf Instagram und Linkedin. „Heute bin ich unglaublich stolz, in den Aufsichtsrat der HSV AG gewählt worden zu sein. Es ist mir eine Freude und Ehre, den HSV mit meiner Expertise im Bereich Frauenfußball und Nachhaltigkeit gemeinsam mit meinen Aufsichtsratskollegen zu unterstützen.“
HSV-Aufsichtsrat: Donnerstag soll Neubesetzung besprochen werden
Es sollten bis heute die letzten öffentlichen Worte der 31-Jährigen im Zusammenhang mit dem HSV gewesen sein. Schrum hielt sich seitdem im Hintergrund und ging ihrem Job als Kontrolleurin nach. Insbesondere in der Phase der vielen Vorwürfe gegen den zurückgetretenen Vorstand Thomas Wüstefeld soll sie zu den größten Kritikern innerhalb des Gremiums gehört haben.
An diesem Donnerstag wird Schrum wieder dabei sein, wenn sich der Aufsichtsrat des HSV trifft, um auch über die Neubesetzung der Posten zu sprechen. Das Präsidium des HSV e. V. um Marcell Jansen, Bernd Wehmeyer und Michael Papenfuß stellt die Kandidaten vor, die Anfang Dezember auf der Hauptversammlung der Gesellschafter in den neuen Aufsichtsrat gewählt werden.
Die Personalie Schrum ist nicht der einzige Streitpunkt im Präsidium
Der Name Lena Schrum wird nicht mehr dabei sein (Abendblatt berichtete). Die noch amtierende Kontrolleurin wurde bereits von Präsident Jansen darüber informiert, dass für sie künftig kein Platz mehr in dem Gremium ist. Stattdessen sollen mit Ex-Capo und Jungunternehmer Henrik Köncke, Blockhouse-Geschäftsführer Stephan von Bülow und HanseMerkur-Vorstand Eric Bussert drei neue Aufsichtsräte gewählt werden.
Über die Frage, wer über das Aus von Schrum entschieden hat und wie dieses begründet wurde, ist hinter den Kulissen des HSV ein großer Streit entbrannt. Wie das Präsidium innerhalb des Clubs betont, sei die Entscheidung gemeinschaftlich mit dem Beirat getroffen und Schrum auch so entsprechend begründet worden. Der Haken an der Sache: Der vierköpfige Beirat des HSV e. V., der die Kandidaten für den Aufsichtsrat absegnet, ist nach Abendblatt-Informationen bei der Schrum-Frage gar nicht eingebunden gewesen und soll entsprechend irritiert sein, dass von einer gemeinschaftlichen Entscheidung die Rede ist.
Wird der Ehrenrat eingreifen müssen?
Der Streit geht sogar so weit, dass der Ehrenrat des Vereins informiert wurde. In der kommenden Woche soll es zunächst ein klärendes Gespräch zwischen Beirat und Präsidium geben. Je nach Ausgang könnte der Ehrenrat dann eingreifen. Zuletzt schaltete sich das Gremium im Januar 2021 im Präsidiumsstreit zwischen Jansen und seinen ehemaligen Stellvertretern Thomas Schulz und Moritz Schaefer ein, ehe alle drei zurücktraten.
Die Personalie Schrum ist nicht der einzige Streitpunkt im Aufsichtsrat. Auch um das von Jansen angestrebte Aus des bisherigen Kontrolleurs Hans-Walter Peters gibt es Verstimmungen im eigenen Präsidium. Hintergrund: Der Banker gilt als Vertrauensperson von Investor Klaus-Michael Kühne, der mit Markus Frömming bereits einen Abgesandten im Aufsichtsrat hat. So sieht es die Aktionärsvereinbarung zwischen Anteilseigner Kühne und dem HSV vor. Beim letzten Treffen zwischen dem Präsidium und Kühne in dessen Luxushotel The Fontenay am 15. September, als es um Kühnes 120-Millionen-Euro-Angebot an den HSV ging, soll Kühne den klaren Wunsch geäußert haben, dass Peters auch weiterhin im Aufsichtsrat vertreten ist.
Kühne knüpft Investitionen an Bedingungen
Aber: Im neuen Kontrollgremium wäre für Peters kein Platz mehr, wenn wie von Jansen gewünscht mit Eric Bussert der Vorstand des Hauptsponsors HanseMerkur in das Gremium einzieht. Um diese Personalie besteht innerhalb des Präsidiums vor der Aufsichtsratssitzung aber ebenfalls Uneinigkeit. Ein mögliches Szenario: Jansen, Papenfuß und Wehmeyer werden sich doch noch darüber einig, dass Bussert außen vor bleibt und Peters seinen Platz im Aufsichtsrat behält, um Investor Kühne nicht zu verärgern.
- Weitere Widersprüche um den Titel von Wüstefeld
- Boldt kündigt Walter-Vertrag an und kassiert Wüstefeld-Plan
- EM-Delegation macht am Volkspark den Stadion-Check
Der Milliardär hatte zuletzt öffentlich erklärt, dem HSV unter anderem die Stadionsanierung zu finanzieren, knüpfte seine Hilfe aber zunächst an Bedingungen, zum Beispiel die Aufstockung seiner Anteile von derzeit 15 auf 39,9 Prozent. Dann ruderte Kühne wieder zurück, um schließlich mit seinem Peters-Wunsch doch wieder Druck aufzubauen.
HSV steht vor richtungweisenden Entscheidungen
Ohne die Zustimmung der Mitglieder könnte der HSV aber nicht mehr als 24,9 Prozent der Anteile veräußern. Deswegen arbeitet eine Arbeitsgruppe um Vizepräsident Papenfuß unter Hochdruck an einer Rechtsformänderung. Zu dieser Gruppe gehören neben Papenfuß Antragssteller Nico Ehlig (Unser HSV), Beiratsmitglied Patrick Ehlers, e.V.-Geschäftsführerin Anne Gnauk sowie Supporters-Chef Sven Freese.
Noch in diesem Jahr sollen die Mitglieder über die Ergebnisse digital informiert werden, bei der nächsten Mitgliederversammlung im Januar soll die mögliche Rechtsformänderung von der AG in eine KGaA vorgestellt werden. Anschließend soll auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung darüber abgestimmt werden. Perspektivisch könnte der HSV dann weitere Anteile verkaufen.
Doch die Frage nach einer Zukunft mit Kühne spaltet zum einen die Fanszene. Die Initiative Unser HSV hat sich gerade erst wieder gegen das Kühne-Angebot ausgesprochen. Zum anderen sind sich auch Jansen, Papenfuß und Wehmeyer innerhalb des Präsidiums nicht einig, wie groß der Einfluss Kühnes noch sein soll. Der HSV steht auf vielen Ebenen vor richtungweisenden Entscheidungen für die Zukunft. Schon an diesem Donnerstag könnten die ersten getroffen werden.