Hamburg. Im Streit um Präsident Jansen und die HSV-Aktionäre haben die Fans das Wort. Doch die demokratische Struktur hat auch Schwächen.

Vor sechs Wochen machte die 15 Jahre alte Romy große Augen. Im Volksparkstadion wurde die Schülerin von Marcell Jansen überrascht. Der HSV-Präsident überreichte der HSV-Anhängerin zusammen mit Bakery Jatta und Daniel Heuer Fer­nandes ein HSV-Trikot mit der 90 drauf. Der Anlass: Romy war das 90.000. Mitglied des HSV.

„Wir sind sehr dankbar für die unvergleichliche Treue und Unterstützung seitens unserer Mitglieder und freuen uns, dass die HSV-Familie stetig größer wird“, sagte Jansen. Innerhalb von nur viereinhalb Jahren hatte der HSV 10.000 neue Mitglieder gewonnen. Das Interesse der Fans am HSV ist so groß wie nie.

Der einzige Haken an der Geschichte: Das Interesse der Mitglieder an der Vereinspolitik ist so gering wie nie. Dabei geht es vereinspolitisch aktuell mal wieder drunter und drüber. Mittendrin: Marcell Jansen. Gerade einmal ein Jahr ist es her, dass der Ex-Nationalspieler mit 68,85 Prozent von 382 gültigen Stimmen erneut zum HSV-Präsidenten gewählt wurde. Umgerechnet sind das 0,42 Prozent der Mitglieder, die Jansen zum mächtigsten Funktionär des HSV machten. Eine fast schon peinlich geringe Zahl.

Der HSV ist zwar noch immer demokratisch konstituiert, doch die Zahl der Nichtwähler ist seit Jahren dramatisch hoch. Viele Mitglieder sind offenbar der Meinung, dass sie mit der Abstimmung für die Ausgliederung der Profifußballabteilung in die HSV Fußball AG 2014 die Mitsprache an ihrem Verein verloren haben.

Wählen HSV-Mitglieder Marcell Jansen ab?

Und tatsächlich haben die Mitglieder anders als früher kein Mitbestimmungsrecht, wenn Jansen bei der Hauptversammlung der Aktionäre Anfang Dezember zusammen mit seinen Vizepräsidenten Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer den Aufsichtsrat der HSV AG nach seinen Vorstellungen neu besetzen wird. Nicht einmal die Aktionäre um Klaus-Michael Kühne selbst haben die Macht, über das Präsidium zu bestimmen, das wiederum für die Besetzung des einflussreichen Kontrollgremiums verantwortlich ist.

Auch deshalb haben sich die HSV-Gesellschafter nun in einem Schreiben an Jansen gewandt und ihm das Vertrauen als Aufsichtsratsvorsitzender entzogen. Abwählen können die Aktionäre Jansen nicht. Es sind die Mitglieder selbst, die beim HSV noch immer am Hebel der Macht sitzen. Sie wählen mit ihrer Stimme das Präsidium. Sie haben die Chance, den Präsidenten Jansen bei der ordentlichen Mitgliederversammlung im Januar abzuwählen – oder ihm auch das Vertrauen auszusprechen.

Sie haben bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung voraussichtlich im Frühjahr die Chance darüber abzustimmen, ob der HSV seine Rechtsform noch einmal ändern soll und künftig in einer KGaA weitere Anteile veräußern darf.

Jansen? Die Macht der HSV-Mitglieder

Es sind Entscheidungen, die die Struktur und die Entwicklung des Clubs auf Jahre beeinflussen können. So wie im Januar 2019, als am Ende einer zehnstündigen Mitgliederversammlung nur noch rund 300 Mitglieder darüber abgestimmt hatten, dass die 24,9-Grenze des Anteilsverkaufs auch in der Satzung festgeschrieben wurde.

Eine Entscheidung, die dafür gesorgt hat, dass Investor Klaus-Michael Kühne eben nicht einfach so seine Anteile auf 39,9 Prozent erhöhen kann, wie er es jüngst in seinem 120-Millionen-Euro-Programm formuliert hatte.

Die Mitglieder haben beim HSV noch immer eine große Macht. Daran sollten sich Romy und Co. erinnern, wenn in den kommenden Wochen mal wieder über die Frage gerungen wird, wer beim HSV die Entscheidungen über die Zukunft trifft.