Abgeordnete der Linken hielten Plakate in die Luft. Präsident Norbert Lammert sah darin einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung.
Berlin. Die Debatte des Bundestags über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist von einem Eklat überschattet worden. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schloss am Freitag die Linksfraktion von der Sitzung aus, weil sie mit Protestplakaten gegen den Einsatz demonstriert hatte. So konnte auch der Linksabgeordnete Wolfgang Gehrcke seine Rede zu dem Afghanistan-Einsatz nicht halten. Trotz des Ausschlusses durften die Abgeordneten der Linken an der Abstimmung über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan teilnehmen. Dies ermöglichte ein Beschluss der anderen Fraktionen auf Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Linke-Politiker hatten in der Sitzung Plakate mit Namen ziviler Opfer des Afghanistan-Konflikts hochgehalten. „Die Aktion war ein Gedenken an die Opfer des Bombenangriffs von Kundus“, sagte ein Fraktionssprecher. Bei dem von der Bundeswehr befohlenen Bombardement zweier Tanklaster waren im September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Lammert verlangte von den Abgeordneten der Linksfraktion zunächst, die Plakate unverzüglich herunterzunehmen. Als sie dieser Aufforderung nicht folgten, forderte er sie unter dem Applaus der Abgeordneten anderer Fraktionen mehrfach zum Verlassen des Plenarsaals auf. Er verwies dabei auf die Geschäftsordnung des Bundestags.
Der CDU-Abgeordnete Jürgen Hardt sagte in der Debatte, er finde es „sehr schmerzhaft“, in welcher Art und Weise der Einsatz von der Linken instrumentalisiert werde. Er dankte Lammert für seine Entscheidung, die Abgeordneten der Linksfraktion auszuschließen. Bei der Abstimmung des Bundestags gilt eine breite Mehrheit für die Verlängerung als sicher. Neben den beiden Koalitionsfraktionen Union und FDP wollen auch die meisten SPD-Abgeordneten für das neue Mandat stimmen. Der größte Teil der Grünen-Fraktion wird sich voraussichtlich enthalten. Die Linke wollte geschlossen mit Nein stimmen. Die neue Afghanistan- Strategie der Regierung sieht eine Aufstockung des Bundeswehrkontingents von 4500 auf bis zu 5350 Soldaten vor.
Im Kundus-Untersuchungsausschuss war am Donnerstag ein heftiger Streit über die weitere Zeugenvernehmung ausgebrochen. Vertreter der Opposition warfen Union und FDP in Berlin Rechtsbruch vor und drohten mit einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Grüne, SPD und Linke wollen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) möglichst schnell anhören und sehen sich darin durch die Regierung blockiert. Guttenberg soll zusammen mit seinem Vorgänger Franz Josef Jung erst am 25. März vor den Ausschuss treten.
Die Opposition pocht bei dem Streit darauf, dass bei einer Uneinigkeit über die Reihenfolge der nächsten Zeugen das Reißverschlussverfahren gilt, also jede Seite jeweils einen Zeugen vorladen darf. Schwarz-Gelb verwies hingegen unter anderem auf den Untersuchungsauftrag. Dieser könne nur erfüllt werden, wenn zunächst maßgebliche Mitarbeiter gehört würden. Union und FDP wollen deshalb zunächst am 18. März den ehemaligen Staatssekretär Peter Wichert und Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hören, die beide wegen der Kundus-Affäre ihre Ämter niederlegen mussten.
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sprach von einem „intensiven Konflikt“ mit den Koalitionsparteien. Die Regierung verletze massiv parlamentarische Rechte und habe offenbar Angst, dass Guttenberg gehört werde, bevor seine ehemaligen Mitarbeiter gehört worden seien. Für die Linkspartei erklärte der Abgeordnete Jan van Aken, die Regierung sei ganz offensichtlich nervös. Alle Rechtsgutachten bestätigten, dass ein Reißverschlussverfahren gängige Praxis sei. Grünen-Obmann Omid Nouripour sagte, Guttenberg dringe öffentlich auf schnelle Aufklärung. In diesem Punkt sei er nach den aktuellen Vorgängen aber nicht mehr glaubwürdig.
Nach Informationen von „Stuttgarter Nachrichten“ und „Kölnischer Rundschau“ (Freitagausgabe) sollen das Kommando Spezialkräfte (KSK), der Bundesnachrichtendienst (BND) und US-Spezialkräfte den verantwortlichen Oberst Georg Klein zu dem tödlichen Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster gedrängt haben. Demnach befanden sich in der Nacht zum 4. September bis zu sechs Beteiligte mehr als sonst üblich im Leitstand der sogenannten Task Force 47, von dem aus Klein den Einsatzbefehl gab. Der Deutsche will diese Personen nach eigenem Bekunden nicht gekannt haben; es soll sich aber um Amerikaner und um BND-Mitarbeiter gehandelt haben.
Grünen-Obmann Nouripour schloss nicht aus, dass sich die Opposition auf eine Ausweitung des Untersuchungsauftrages verständigen könnte. Der Abgeordnete erhob außerdem schwere Vorwürfe: Die Original-Berichte über das Bombardement weichen demnach in „substanziellen Punkten“ erheblich von der deutschen Übersetzung ab. Teilweise seien wechselseitig Fakten weggelassen oder ergänzt worden. Außerdem habe der Ausschuss bisher nur sechs Aktenordner mit Material bekommen. Er habe Guttenberg die Missstände in einem Brief mitgeteilt, sagte Nouripour.