Setzt die Bundeswehr in Afghanistan auf die falsche Taktik? US-General Stanley McChrystal ist davon überzeugt und kündigt Unterstützung an.
Berlin. Der Oberbefehlshaber der Nato-Soldaten in Afghanistan, Stanley McChrystal, hat der Bundeswehr eine falsche Strategie in ihrem Einsatzgebiet vorgeworfen. Alle Soldaten in Afghanistan müssten mehr als bisher ihre Feldlager und gepanzerten Fahrzeuge verlassen, um Kontakt mit der Bevölkerung zu halten, sagte der US-General in einem Interview der „Bild“-Zeitung. Dies berge kurzfristig Risiken, aber damit müssten die Truppen leben. Wenn die Sicherheitskräfte ihre Feldlager und gepanzerten Fahrzeuge nicht mehr verließen, seien sie zwar noch vor Ort, aber unbedeutend. Vielleicht müssten die Deutschen daher ihr Vorgehen ändern. Wie alle internationalen Truppen in Afghanistan müssten auch die deutschen Truppen „mit den höheren Risiken“ dieser neuen Strategie leben, sagte McChrystal.
Er unterstrich dabei, wie strategisch wichtig die Region sei, in der die Bundeswehr stationiert ist. „Der Norden, zum Beispiel Kundus, ist entscheidend für die Stabilität Afghanistans“, sagte McChrystal. Die Taliban hätten sich dort gezielt ausgebreitet. Sie wollten den Eindruck vermitteln, „dass ihre Bewegung im ganzen Land aktiv sein kann“. „Vielleicht müssen sie sogar die Art und Weise ändern, wie sie bisher vorgegangen sind.“
McChrystal bekräftigte, dass er plane, amerikanische Truppen in den Norden von Afghanistan zu schicken. Die US-Soldaten sollten aber dem dortigen deutschen Regionalkommandeur unterstellt werden. „Sie sollen in erster Linie bei der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte helfen. Sie sollen die Deutschen nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen und unterstützen“, sagte der ISAF-Kommandeur. Damit solle gezeigt werden, wie wichtig der Norden sei.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wollte McChrystals Äußerungen nicht als Kritik an den Deutschen verstanden wissen. „Ich sehe das nicht als Kritik, sondern als eine Realitätsbeschreibung, der sich die internationale Staatengemeinschaft zu stellen hat“, sagte der Minister. „Wenn er von Risiken spricht, dann ist auch das eine Realität. Unsere Soldaten sind täglich hohen Risiken ausgesetzt.“ McChrystal habe überaus deutlich gemacht, wie sehr er das Engagement der Deutschen schätze. Dafür spreche auch, dass die USA ihre zusätzlichen Soldaten im Norden dem deutschen Kommando unterstellten.
Ob die Bundeswehr künftig verstärkt auf Fußpatrouillen setzen wird, dazu äußerte sich Guttenberg allerdings nicht. Sein Vorgänger Franz Josef Jung hatte vor einigen Jahren angeordnet, dass die deutschen Soldaten ihre Lager nur in gepanzerten Fahrzeugen verlassen dürfen. Der Befehl diente dem Schutz der Truppen, nachdem sich die Angriffe auf die Bundeswehr gehäuft hatten.