Die von einem deutschen Oberst angeordnete Bombardierung bringt den Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung in Bedrängnis.
Berlin. Die Bundeswehr soll nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung wichtige Informationen über den Anfang September von einem deutschen Oberst angeforderten Luftangriff in Afghanistan vor der Staatsanwaltschaft zurückgehalten haben. Außerdem habe der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bereits viel früher über zivile Opfer informiert sein müssen als bisher bekannt, schreibt das Blatt unter Berufung auf geheime Berichte der Bundeswehr.
Das Verteidigungsministerium äußerte sich zunächst nicht zu den neuen Vorwürfen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte nach Angaben aus seinem Umfeld mit „völligem Unverständnis“ auf das angebliche Verhalten von Jung. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte in der ARD lückenlose Aufklärung.
Das Parlament berät an diesem Donnerstag in erster Lesung über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats um ein Jahr innerhalb der internationalen Schutztruppe Isaf. Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) habe dem Bericht zufolge eine Untersuchung eingeleitet. „Sollten mir zu Kundus nicht alle relevanten Informationen aus der letzten Legislaturperiode vorgelegt worden sein, werde ich unverzüglich Konsequenzen ziehen müssen“, sagte er der Zeitung.
Nach Untersuchungen der Nato waren bei dem Angriff auf zwei von Taliban entführte Tanklastwagen am 4. September bis zu 142 Menschen getötet worden, darunter auch Zivilisten. Das Verteidigungsministerium hatte bis zum Vorliegen des Nato-Berichtes Ende Oktober offengelassen, inwiefern Zivilisten Opfer des Angriffs wurden.
Dem Bericht zufolge dokumentiert eine Untersuchung der Bundeswehr-Feldjäger detailliert, zu welchem Zeitpunkt Informationen über zivile Opfer vom deutschen Regionalkommando in Masar-i-Scharif ans Einsatzführungs-Kommando der Bundeswehr in Potsdam übermittelt wurden. So habe ein deutscher Oberstarzt im Regionalkommando bereits am Abend des 4. September zunächst ein verletztes Kind und später zwei etwa 14 Jahre alte Jungen mit offenem Bruch und Schrapnell-Verletzungen nach Potsdam gemeldet. Der Bericht sei aber nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden.
Außerdem belegten der interne Bundeswehr-Bericht und ein Video vom Angriff, das aus einem der beteiligten US-Kampfflugzeuge aufgenommen wurde, auch schwere Versäumnisse bei der Aufklärung unmittelbar vor dem Bombenabwurf, so die „Bild“-Zeitung weiter. (dpa)