Oberst Klein sagte fünf Stunden vor dem Untersuchungsausschuss aus - und trauert. Die Koalition bezeugt dem Offizier Respekt.
Berlin. Es war ein Marathon. Geschlagene fünf Stunden lang hat Oberst Georg Klein vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss um seine Reputation gekämpft. Bevor er sich auf die Befragung einließ, gab er eine 90-minütige Erklärung ab. Darin verteidigte der Militär das von ihm befohlene Bombardement zweier Tanklaster mit bis zu 142 Toten und Verletzten in Nordafghanistan als "angemessen". Er wehrte sich gegen eine Vorverurteilung. Es stehe objektiv fest, dass seine Entscheidung für den Angriff am 4. September "auf Grundlage der in der Nacht vorhandenen Informationen und Ressourcen rechtmäßig war".
Er übernahm ausdrücklich die Verantwortung - drückte aber zugleich sein tiefes Bedauern über den Tod unschuldiger Zivilisten aus: "Ich trauere um diese Menschen."
Es galt als Überraschung, dass Klein den 31 Abgeordneten im Kundus-Untersuchungsausschuss überhaupt Rede und Antwort stand. Er hätte die Aussage auch verweigern können, weil die Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn prüft. Dem Oberst sei bewusst gewesen, "dass jede seiner Entscheidungen - auch Nichthandeln - weitreichende Folgen haben musste", hieß es in der Erklärung des Anwalts Bernd Müssig. Klein bedauere jedes Opfer des Afghanistan-Konflikts, insbesondere den Tod unschuldiger Zivilisten. "Jeder Tote ist einer zu viel", erklärte der Anwalt.
Klein ist inzwischen aus Afghanistan an seinen alten Dienstort Leipzig zurückgekehrt. Das Verteidigungsministerium hatte ihm für den Ausschuss eine Aussagegenehmigung erteilt und ihn sogar ermuntert, im Sinne "größtmöglicher Transparenz" Auskunft zu geben. Neben Klein waren gestern drei weitere Soldaten vor den Ausschuss geladen, die im Bundeswehr-Feldlager in Kundus dabei waren, als der Befehl zum Angriff auf die Tanklaster gegeben wurde. Die Sitzung des als Untersuchungsausschuss tagenden Verteidigungsausschusses fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Um die Zeugen vor Kameras und Fotografen abzuschirmen, zog das Gremium ausnahmsweise in einen für Medien unzugänglichen Trakt im Reichstagsgebäude um. Es war die erste von insgesamt drei Sitzungen, die der Sachaufklärung über die Vorgänge von Kundus dienen sollen. Erst ab dem 18. März sollen Spitzenpolitiker, darunter der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und sein Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg auf die Zeugenliste gesetzt werden.
Die Koalition sah Georg Klein nach der ersten Runde vom Vorwurf des leichtfertigen Handelns entlastet. "Die einzige Motivation für seine Entscheidung war tatsächlich der Schutz der Soldaten", sagte Unions-Obmann Ernst-Reinhard Beck. "Er konnte davon ausgehen, dass Zivilisten nicht zu Schaden kommen."
Aus Sicht der Opposition hat die Vernehmung hingegen neue Fragen aufgeworfen. Im Laufe der Sitzung sei der Eindruck entstanden, dass Klein während des Einsatzes nicht über alle Schritte informiert worden war. Der Oberst habe einige Punkte genannt, über die er informiert worden sei, "und sehr viele, wo er nicht informiert worden ist", sagte der Grünen-Obmann im Ausschuss, Omid Nouripour. "Das bedeutet, dass jetzt das Puzzeln beginnt." Der Linken-Vertreter Paul Schäfer sagte, es sei deutlich geworden, dass es bei der Entscheidung zu dem Angriff eine "völlige Verwischung" des normalen Kontingents und der Bundeswehr-Sondereinheit Task Force 47 gegeben habe. Auch der SPD-Obmann Rainer Arnold meinte: "Hier gibt es manche mysteriösen Dinge, die einer Aufklärung bedürfen."