Um 500 Soldaten will die Bundesregierung die Truppen in Afghanistan aufstocken. Gleichzeitig plant sie, ab 2011 mit dem Abzug zu beginnen.
Berlin. Die Bundesregierung will mit einer neuen Strategie den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan vorbereiten. Bereits ab 2011 solle die deutsche Truppe in Afghanistan verkleinert werden, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin. Anders als Westerwelle nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die zuvor die neue Afghanistanstrategie vorgestellt hatte, zwar kein Abzugsdatum. Sie unterstütze aber ausdrücklich die Absichtserklärung von Präsident Hamid Karsai, wonach Afghanistan ab 2014 möglichst selbst für seine Sicherheit sorgen soll. „Es wird jetzt die Etappe der Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung beginnen“, sagte Merkel.
Um die Voraussetzungen für den Abzug schaffen zu können, sollen aber zunächst sowohl die deutschen Truppen als auch die Entwicklungshilfe aufgestockt werden. 500 Bundeswehrsoldaten will Merkel zusätzlich nach Afghanistan schicken. Zudem sollen 350 Soldaten als flexible Reserve zur Verfügung stehen, kündigte sie an. Sie könnten in besonderen Situationen – etwa bei der Absicherung der Parlamentswahlen im Herbst – eingesetzt werden. Der Einsatz der 350 Soldaten müsse aber jedes Mal vom Verteidigungsausschuss genehmigt werden. Die Gesamtstärke des Bundeswehr-Kontingents würde damit von derzeit 4500 Soldaten auf 5000 bis 5350 steigen. Zusätzlich soll die Zahl der Polizeiausbilder von 123 auf 200 erhöht werden. Damit sei Deutschland in der Lage, pro Jahr 5000 afghanische Polizisten auszubilden. Die Ausbildung von Sicherheitskräften soll im Mittelpunkt der neuen Afghanistanstrategie stehen.
Die endgültige Entscheidung über die Aufstockung der Truppen trifft wie bei jedem Bundeswehr-Auslandseinsatz der Bundestag. Auf die Frage, ob die SPD nun zustimmen könne, sagte Merkel: „Ich kann als Regierungschefin die Zustimmung nicht wie auf einem Basar verhandeln, sondern ich muss nach den Realitäten und nach den Notwendigkeiten gehen.“ Die SPD erklärte daraufhin, sie werde der Aufstockung zustimmen, Voraussetzung sei aber, dass mit dem Abzug der deutschen Soldaten im kommenden Jahr begonnen und dass die Entsendung zusätzlicher Soldaten zeitlich befristet werde.
Neben der Aufstockung der Truppen kündigte Merkel auch an, dass die Aufbauhilfe ab 2010 von 220 Millionen Euro auf 430 Millionen Euro pro Jahr steigen soll. Mit dem Geld solle erreicht werden, dass künftig 75 Prozent der Menschen in Nordafghanistan Zugang zu Beschäftigung haben statt bisher 30 Prozent. Zudem sollen 700 Kilometer neue Straßen gebaut werden. Jeder zweite Afghane soll Zugang zu Energie und Trinkwasser erhalten (bisher 22 Prozent), 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen zur Schule gehen können.
Allein 50 Millionen Euro will Deutschland in den nächsten fünf Jahren in einen internationalen Fonds für die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Taliban einzahlen. Aus diesem Fonds von insgesamt 350 Millionen Euro (500 Millionen US-Dollar) soll Mitläufern ein Ausweg aus der Radikalität angeboten werden. „Wer kein Auskommen hat, ist leichter verführbar, auf der falschen Seite mit Taliban mitzukämpfen“, sagte Merkel. Mit einer beruflichen Perspektive könne das ganz anders aussehen. Über die „Feinheiten“ des Fonds solle bei einer weiteren internationalen Konferenz im Frühjahr in Kabul entschieden werden.