Ein Psychologe soll am vierten Verhandlungstag im Prozess gegen Thomas Drach einen Einblick in das Verhalten des Reemtsma-Entführers geben.

Hamburg. Vierter Verhandlungstag im Prozess gegen Reemtsma-Entführer Thomas Drach: Vor dem Hamburger Landgericht werden heute Urkunden und Urteile aus früheren Vorstrafen des Angeklagten verlesen. Dabei wird voraussichtlich auch der psychiatrische Gutachter aussagen. Er soll unter anderem Auskunft darüber geben, für wie gefährlich er Drach hält. Drach ist wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, aus dem Gefängnis heraus versucht zu haben, einen Freund zur Erpressung seines Bruders Lutz Drach nzustiften. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der 51-Jährige damit seinen Anteil am Lösegeld aus der Reemtsma-Entführung sichern wollte. Drach bestreitet dies.

Drach hatte 1996 gemeinsam mit Komplizen den Hamburger Millionär Jan Philipp Reemtsma entführt. Nach 33 Tagen Gefangenschaft kam Reemtsma gegen ein Millionen-Lösegeld frei. Der Schwerkriminelle war als Strippenzieher der Entführung des Hamburger Multimillionärs im März 2001 wegen erpresserischen Menschenraubes zu 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Wird Drach im neuen Prozess nicht verurteilt, könnte er im Juli 2012 ein freier Mann sein.

Im bisherigen Prozessverlauf hatten bereits die frühere Leiterin der Sicherungsstation im Gefängnis Billwerder , in dem Drach einsitzt, ein LKA-Beamter und zuletzt die Mutter des 51-Jährigen ausgesagt. Der Schwerverbrecher gilt nach wie vor als hochgefährlich, es gibt daher massive Sicherheitsvorkehrungen im Gericht.

Chronologie der Reemtsma-Entführung:

Juni 1995: Thomas Drach und sein Komplize Wolfgang Koszics beginnen, Jan Philipp Reemtsma zu observieren. Koszics mietet in Garlstedt bei Bremen ein Haus, das später als Geiselversteck dient.

25. März 1996: Reemtsma wird von seinem Grundstück in Hamburg-Blankenese entführt. Die Kidnapper hinterlassen eine Lösegeldforderung über 20 Millionen D-Mark.

27. März 1996: Die Erpresser melden sich mit einem Brief, dem ein Foto Reemtsmas beiliegt. Nachdem die ersten Lösegeldübergaben scheitern, erhöhen die Entführer ihre Forderung auf 30 Millionen in D-Mark und Schweizer Franken.

24. April 1996: In Krefeld gelingt der dritte Versuch zur Geldübergabe. Die Entführer entkommen mit den Millionen.

26. April 1996: Reemtsma wird nach 33 Tagen Geiselhaft in der Nähe von Hamburg freigelassen.

24. Mai 1996: In einem Haus in der Nähe von Bremen wird das Kellerverlies entdeckt, in dem Reemtsma festgehalten wurde. Als Tatverdächtige werden Peter Richter aus Leverkusen, Wolfgang Koszics aus Krefeld und Thomas Drach aus Köln gesucht.

26. Mai 1996: Koszics wird in Südspanien verhaftet.

29. Mai 1996: Richter wird in Malaga festgenommen.

14. Februar 1997: Koszics und Richter werden in Hamburg zu zehneinhalb beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt.

28. März 1998: Drach wird in einem Hotel in Buenos Aires festgenommen.

12. Juni 1998: Ein Gericht in Buenos Aires ordnet zunächst an, dass sich Drach in Argentinien wegen Urkundenfälschung bzw. Passfälschung verantworten muss.

16. März 1999: Der letzte noch flüchtige mutmaßliche Täter, Piotr Laskowski, stellt sich der Polizei. Er wird am 2. September zu sechs Jahren Haft verurteilt.

24. September 1999: Richter wird auf Bewährung entlassen.

19. Juli 2000: Argentiniens Staatspräsident Fernando de la Rua stimmt der Auslieferung Drachs nach Deutschland zu.

29. Juli 2000: Drach trifft in Hamburg ein und wird kurz darauf in die Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis überstellt.

30. August 2000: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage vor der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts. Die Anklage gegen Drach lautet etwa auf erpresserischen Menschenraub. Die mögliche Höchststrafe dafür beträgt 15 Jahre Haft.

13. Dezember 2000: Vor dem Hamburger Landgericht beginnt der Prozess gegen Drach als Kopf der Entführerbande. Drach gesteht seine Beteiligung an Reemtsmas Verschleppung.

8. März 2001: Nach 14 Hauptverhandlungstagen wird Drach zu 14 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Fast das gesamte Lösegeld bleibt bis heute verschwunden.

Dezember 2002: Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Lutz Drach, Bruder von Thomas Drach, wird von spanischen Sicherheitskräften in Madrid verhaftet. Er soll seinem Bruder beim Verstecken der Beute und der Geldwäsche behilflich gewesen sein.

15. September 2003: Lutz Drach wird nach Deutschland ausgeliefert und kommt in Aachen in Untersuchungshaft.

14. April 2004: Thomas Drach wird wegen Widerstands gegen einen Vollstreckungsbeamten zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, womit sich seine Haftstrafe verlängert.

28. Oktober 2004: Lutz Drach wird vor dem Landgericht Aachen wegen Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

23. Februar 2006: Thomas Drach muss sich wegen Widerstands gegen Justizbeamte und versuchter Nötigung erneut vor dem Hamburger Landgericht verantworten und wird noch am selben Tag zu einer zusätzlichen Haftstrafe von drei Monaten und zwei Wochen verurteilt.

25. April 2006: Lutz Drach wird im neu aufgerollten Geldwäsche-Prozess vor dem Aachener Landgericht zu einer höheren Freiheitsstrafe von nun sechseinhalb Jahren verurteilt.

Mai 2009: Lutz Drach wird aus dem Gefängnis entlassen.

13. Oktober 2011: Thomas Drach muss sich wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung erneut vor dem Hamburger Landgericht verantworten.

Mit Material von dpa und dapd