Hamburg. Nefeli Kavouras ist für das Programm der Literatur-Altonale verantwortlich. Sie mischt in Hamburgs Kulturszene auch sonst kräftig mit.
Altonale, endlich geht es wieder los. Und Mensch, ist das wieder ein schönes Programm. Also, buchstäblich schön, man denkt dieser Tage ja auch immer das Wetter mit. Bei der Literatur-Altonale, die immer schon mit Veranstaltungen glänzen konnte und das jetzt im zweiten Jahr aber vielleicht noch ein wenig mehr tut, geht es viel ums Draußensein. Am 26. Mai zum Beispiel: „Poeten im Park“ im Jenischpark. Am 5. Juni, toller Titel, auf der Christianswiese: „Liebling, ich hab‘ dir Blumen mitgebracht!“ Mit den Autorinnen und Autoren Julia Herrgesell, Herbert Hindringer, Dagrun Hintze und Till Raether, die zum Thema etwas geschrieben haben.
6. Juni, noch mal Christianswiese, der Oberknüller: „Pixi feiert Midsommar – Das literarische Sommerfest“. Ein Treffen der Szene. Mit Spezial-Entertainment. Isabel Bogdan (neuer Roman „Wohnverwandtschaften“ erschein im Oktober!), Nils Mohl, Andreas Moster, Marie-Alice Schultz und andere stellen anlässlich des 70. Pixi-Geburtstags ihr jeweils liebstes Pixibüchlein vor.
Literatur-Altonale: Saša Stanišić ist auch am Start – und die Pixis!
Liest sich gut, stimmt‘s, Nefeli Kavouras? Nun, sie würde das nie so forsch sagen. Lieber erwähnt die 28-Jährige, die seit 2023 das Altonale-Programm kuratiert, ihre programmplanerische Vorgängerin Katrin Weiland, die, wir erwähnten es, ja tatsächlich über Jahre auch hervorragende Arbeit machte. Kavouras treffen wir übrigens an diesem sonnigen Tag, bei leichter Brise, am Altonaer Balkon. Das passt alles, und auch, dass Kavouras, die Programmmacherin, Netzwerkerin, Moderatorin, Podcasterin und Autorin ist, mit Blick nicht nur auf den Hafen, sondern auch auf das Grün um die Sitzbänke vom „Spielwiesen-Gedanken“ spricht, wenn sie ihren Altonale- und Literaturjob erklärt.
Einfach nur Lesungen mit Pult und Wasserglas, damit kommt man heute nicht mehr weit. Aber selbst wenn es in diese Richtung geht: Wer einen Mann wie den Ottenser Global-Literaten Saša Stanišić zum Festival und da in die Christianskirche (2. Juni) einlädt, der bekommt fraglos einen Literatur-Unterhalter der Extraklasse. Besonders am Herzen liegt Kavouras aber auch die „Fiction for Future“-Veranstaltung am 7. Juni im August-Lütgens-Park. Da wird es um die sozialen Unterschiede in einer Gesellschaft gehen. „Klassismus ist ein Thema, das mich sehr interessiert“, sagt Kavouras.
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Und dann ist man drin in ihrer Biografie, denn wer nach Klasse fragt, der schaut immer auch auf sich. Nefeli Kavouras wurde 1996 in Bamberg geboren, als Tochter zweier griechischer Einwanderer. Sie wuchs bei ihrer Mutter auf und begann erst mit etwa viereinhalb zu sprechen. Was nur deshalb besonders interessant erscheint, weil Kavouras so entschieden eine Frau des Wortes ist. Sie entschied sich übrigens, wenn man so will, früh fürs Deutsche, obwohl Griechisch doch eigentlich ihre Muttersprache ist. Ihre Mutter sprach sie auf Griechisch an, Nefeli antwortete auf Deutsch. „Ich verstehe Griechisch gut, aber das, was ich spreche, spreche ich mit relativ starkem deutschen Akzent“, sagt sie. Im September fährt sie nach Griechenland. Seit vor zwei Jahren ihr Vater starb, sind ihr die Wurzeln wichtiger.
Nefeli Kavouras: Die Frau hinter der Literatur-Altonale
Sie hat in ihrer Jugend dennoch gewissermaßen beschlossen, sich auf ihre deutsche Sozialisation zu konzentrieren. Bamberg („Die fränkische Kleinstadt ist noch sehr in mir drin“) ist ihr Zuhause. Inzwischen ist Kavouras fast zehn Jahre in Hamburg, sie kam einst wegen Jugendbuchautor Finn-Ole Heinrich, der sie als eine Art Assistentin an die Elbe holte. Studiert hat Kavouras übrigens auch, Kulturwissenschaft und Philosophie, in Lüneburg, da war dann Pendeln angesagt. „Meine Mutter bläute mir ein, dass ich studieren muss“, erinnert sich Kavouras, deren eigentlicher Berufswunsch aber die Schriftstellerei war. Und was tat Nefeli Kavouras? Sie nutzte die Zeit neben dem Studium, um den Literaturbetrieb „in- und auswendig zu lernen“, wie sie sagt. Der für Hamburg angenehme Nebeneffekt war dann, dass mit der zugezogenen Fränkin ein Player in die Kulturszene der Stadt kam, der sich aufs Kontakteknüpfen und Veranstalten versteht.
Kavouras mischt ziemlich gut mit, als Moderatorin und Initiatorin von Veranstaltungen („Hafenlesung“, „Sorbet“), Podcasterin mit Anselm Neft („laxbrunch“) und Mitarbeiterin im Mairisch-Verlag. Der wird in diesem Jahr tatsächlich, genau wie die Altonale, 25 Jahre alt. Gegründet wurde Mairisch von Daniel Beskos und Peter Reichenbach, zwei erfolgreichen und umtriebigen Verlegern. Männlichen Verlegern, um das mal hervorzuheben und hinüberzuschwenken auf ein auch irgendwie, vielleicht, tatsächlich besonders weibliches Gebiet, das die Literatur speziell in Hamburg ist.
Literaturstadt Hamburg: Frauen spielen eine gewichtige Rolle
Es sind neben der leidenschaftlichen Literatur-In-Szene-Setzerin Kavouras („Natürlich wäre es ein Traum, in Hamburg einen eigenen literarischen Salon zu haben“) oft Frauen, die im literarischen Leben keine kleine Rolle spielen. Die Rowohlt-Verlegerin Nicola Bartels, NDR-Moderatorin und Literaturexpertin Julia Westlake, Buchhändlerinnen wie die Niendorferin Christiane Hoffmeister, die die Lange Nacht der Literatur erfand, Bestsellerautorinnen wie Isabel Bogdan und Simone Buchholz. Und im Literaturhaus gibt es mit Carolin Löher und Lena Dircks („Debüts & Drinks“) zwei Frauen, die ebenfalls Ideen haben. Die Fäden der Szene laufen bei Literaturreferentin Antje Flemming zusammen, der vermutlich überhaupt wichtigsten Person im Hamburger Betrieb.
Je länger man mit Nefeli Kavouras spricht, desto deutlicher wird, wie wohl sich die Netzwerkerin gerade in Hamburg fühlt. Sie sagt dazu Folgendes: „Es gibt hier viele liebe Leute in der Literatur.“ Kavouras wird das alles, auch über Hamburg hinaus, demnächst noch viel besser kennenlernen. Als Autorin mit erstem veröffentlichten Roman nämlich. Dann wird ihr Kindheitstraum wahr werden, das kann man wohl so sagen. Veröffentlicht und prämiert wurden ihre Texte schon, zum Beispiel ein Auszug dieses Romans im Hamburger Literatur-Jahrbuch „Der Ziegel“.
Gearbeitet an diesem ersten großen Text hat sie unter anderem als Stipendiatin in der Roger-Willemsen-Villa. Und sie wollte alle Zeit der Welt für diesen Roman haben. Weshalb es umso bemerkenswerter ist, dass sie seit 2023 die Programmmacherin der Literatur-Altonale ist. Das Angebot sei gekommen, als sie beschlossen hatte, vornehmlich selbst zu schreiben. Ein, zwei feste Schreibtage in der Woche, an denen man auf den Punkt kreativ sein muss, schwierige Sache. Geschafft hat sie das alles trotzdem. Ein Verlag für ihr Buch dürfte bald gefunden sein.
Altonale: Literaturveranstalterin Nefeli Kavouras und die erschwinglichen Getränke
Und rein als freie Autorin arbeiten, erzählt sie dann noch, wollte sie wohl selbst dann nicht, wenn der unwahrscheinliche Fall eintrete, dass dies möglich sei. „Ich mag es, viele Sachen gleichzeitig zu machen“, sagt Nefeli Kavouras, die Literatur-Macherin, die so gut darin ist, Barrieren abzubauen, wenn es um Literatur geht. Bei der Altonale werden auch dank ihrer Ideen wieder viele von denen kommen, die gar nicht in erster Linie begeisterte Leserinen und Leser sind. Wie kann man diesem Publikum, das ab kommender Woche am Fischmarkt, im Hafenbahnhof oder in der Hebebühne Literatur präsentiert bekommt, gerecht werden? „Man muss ein einladendes Ambiente schaffen“, sagt Kavouras, „dazu kann zum Beispiel einfach gehören, dass es Getränke zu erschwinglichen Preisen gibt.“
Dann sagt sie noch, dass sie derzeit die vielleicht beste Zeit ihres noch nicht so lange währenden oder (kommt ganz auf die Perspektive an) schon ganz schön lange währenden Berufslebens erlebe, „ich fühle den Druck, mich beweisen zu müssen, nicht mehr so stark wie früher.“