Hamburg. Familienschau im Altonaer Museum – mit Hommagen von Cornelia Funke und anderen prominenten Fans. Wie Kinder die Ausstellung bewerten.
Eine Ausstellung wie ein riesiges, knallgelbes Kinderzimmer: An den Wänden hängen gerahmt unzählige kleine bunte Büchlein, in einem Fernseher erzählen Buchhändler ihre Lieblingsgeschichten, gemütliche Sitzkissen laden zum Lümmeln und Lesen ein, kleine Zelte zum Verstecken. Und in der Mitte – das Highlight: eine Art Bällebad. Nur ist es nicht mit Kunststoffkugeln gefüllt, sondern mit „Pixi“-Büchern. Und da geht es auch gleich mit einem beherzten Sprung hinein für die sechs Grundschülerinnen und -schüler der Schule Alsterredder in Sasel. Sie sind am Dienstagvormittag gemeinsam mit Pressevertretern ins Altonaer Museum zu einer besonderen Jubiläumsfeier gekommen.
Die Erfolgsgeschichte aus Ottensen hat die Maße zehn mal zehn Zentimeter und immer – immer! – 24 vierfarbig illustrierte Seiten. Jedes Kind kennt die berühmten kleinen Bücher mit Conni, Petzi, Wilma, Umbärto oder Hase Langbein. Mit 3000 Ausgaben und 14 Millionen verkauften Exemplaren pro Jahr ist die Anfang der 1950er-Jahre gegründete Reihe eine der umfangreichsten und generationenübergreifend populärsten auf dem Markt überhaupt. Und diese feiert nun 70. Geburtstag. Was läge da näher, als benachbartes Haus eine große Geburtstagsparty zu schmeißen?
„Pixi“-Bücher werden 70 – die ganze Welt in einer Altonaer Ausstellung
Ab Mittwoch zeigt das Altonaer Museum also „Pixi – die Ausstellung. 70 Jahre kleine Bücher“. Sie ist, wie schon zuvor „Von hier nach dort. Unterwegs mit Kompass und Navi“ und „Mein Name ist Hase. Redewendungen auf der Spur“, eine explizite Familienausstellung. Die Illustratorin Regina Kehn hat in einem großen Raum den ganzen „Pixi“-Kosmos mit mehr als 1000 Exemplaren aufgefächert. In Bildern, Geschichten und Filmen wird sehr eindrücklich geschildert, wie sich die Reihe im Laufe der Jahrzehnte verändert und den jeweiligen Zeitgeist aufgegriffen hat.
Was stets gleich geblieben ist: Dass die Geschichten schon auf Seite eins ihre Leser packen und später ein gutes Ende haben sollen. Dabei sind die Bilder wesentlicher Teil der Erzählung. „Die Ausstellung unterstreicht, dass Illustration als Kunstform einfach unersetzlich ist“, sagt Regina Kehn. Eleonore Grigori, Lektorin bei Carlsen, erzählt, dass noch immer Baustelle und Bauernhof die Dauerbrenner-Themen sind, daneben Gute-Nacht-Geschichten und Saisonales wie Weihnachten und Ostern sowie Geschichten zum Schulanfang.
„Der Wunderstürmer“, das ist ganz klar der Favorit von Diego und Constantin, beide neun Jahre alt und große Fußball- und HSV-Fans. Diego findet „Pixi“-Bücher super, weil man sie überall mit hinnehmen kann. Klassenkamerad Mian (8) hat sich im „Bällebad“ das Exemplar „Der kleine Igel und die rote Kuscheldecke“ ausgesucht. „Ich lese selbst am liebsten mit einer Kuscheldecke und finde es auch toll, dass man aus den ‚Pixi‘-Büchern kleineren Geschwisterkindern vorlesen kann.“
Elise (8) und Emilia (9) haben es sich auf Sitzkissen gemütlich gemacht und gleich eine Handvoll Bücher mitgenommen; am besten finden sie Geschichten zu Pferden und dem Leben unter Wasser. Bei Emilia stehen dazu Insekten und Ballett hoch im Kurs. Die neun Jahre alte Mara ist begeistert von der Ausstellung, „weil man sich so viel angucken und in seine Fantasiewelt abtauchen kann. Oder wo gibt es sonst schreibende Ponys?“. Sie interessiert sich am meisten für die WerWieWas-Bücher rund ums Klima und freut sich, dass der Verlag gerade an einer neuen Reihe zu den Themen Natur und Umwelt arbeitet.
Der dänische Verleger Per Hjald Carlsen hatte die Vision, dass jedes Kind Zugang zu Büchern und Geschichten haben sollte. Also suchte er nach einem Weg, qualitativ hochwertige Bilderbücher möglichst preisgünstig anzubieten, und wählte das Format zehn mal zehn Zentimeter. Auf einen Druckbogen passten exakt 24 dieser Seiten; so konnte das Papier optimal genutzt und die Produktion günstig gehalten werden. Das erste „Pixi“-Buch erschien 1954 unter dem Titel „Miezekatzen“ und kostete 50 Pfennige (heute sind es 99 Cent). Anfangs übernahm Carlsen Illustrationen aus dem angloamerikanischen Raum und schrieb selbst die Texte dazu. Mitte der 1960er-Jahre zog er mit dem Verlag nach Altona, und der Stamm an deutschen Autorinnen und Autoren wuchs.
„Alles fing mit Cat Content an“, scherzt Museumsdirektorin Anja Dauschek in ihrer Eröffnungsrede. Aber in der Tat seien Tiergeschichten unverfängliches Terrain gewesen in der Nachkriegszeit. „Es gab schließlich kaum Kinderliteratur, die nicht von der NS-Ideologie kontaminiert war.“ Über die Anfänge von „Pixi“ habe ihr André Düpre berichtet. Der Rheinländer Sammler von „Pixi“-Büchern übergab dem Museum zweieinhalbtausend Exemplare zur freien Verfügung und beriet die Kuratoren.
Von Heidi Klum bis Fatih Akin: „Pixi“-Bücher von Prominenten
Der Name leitet sich übrigens vom englischen Wort „Pixie“ für Kobold ab. Ab 1982 nahm Pixi selbst als kleiner Wichtel mit Zipfelmütze und Stiefeln Gestalt an, erdacht von der Illustratorin Eva Wenzel-Bürger. Durch die Jahrzehnte erfuhr der Kobold immer wieder kleine Änderungen bis zur heutigen „Pixi“-Figur mit roter Zipfelmütze, rot-weiß-gepunktetem Halstuch, blondem Strubbelhaar und roten Stiefeln, die die beliebten Schütten in Buchläden und Drogeriemärkten für Kinder bereithält, um selbst auszuwählen (auch das war für Carlsen sehr wichtig).
An einer Mitmach-Station können Fans ihr liebstes „Pixi“ anderen präsentieren oder Selfies mit Pixi und seinen Freundinnen und Freunden machen. Außerdem gibt es ein umfangreiches Workshop-Programm. Zum Beispiel können Kinder in einer Performance in verschiedene Rollen aus den Büchern schlüpfen, eine eigene „Pixi“-Geschichte illustrieren oder als Comic zeichnen, ein Sachbuch oder Lesetagebuch erstellen.
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In einem Bilderrahmen zum Ende der chronologisch erzählten Schau sind die „Pixi“-Bücher prominenter Autorinnen und Autoren aufgeführt. Heidi Klum und Anke Engelke, Jörg Pilawa und Fatih Akin, Sarah Wiener und Giovanni di Lorenzo: Sie alle verewigten sich schon mit Geschichten. Zum 70. Geburtstag gratulieren Cornelia Funke, Paul Maar und Andreas Steinhöfel („Dirk und ich“, „Rico und Oskar“-Geschichten) der großen kleinen Reihe. Letzterer erinnert sich in einer Videosequenz, wie er selbst als Junge stolz war, wenn er mit einem „Pixi“ durch war, weil er dann ein ganzes Buch gelesen hatte, „wie die Erwachsenen“. Und im März kommt dann der jüngste Neuzugang in die Ausstellung: „Ava auf einem Bein“ vom Hamburger Bestseller-Autor Saša Stanišić.
„Pixi – die Ausstellung. 70 Jahre kleine Bücher“bis 18.8., Altonaer Museum (S Altona), Museumstraße 23, Mo, Mi–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt 8,50/5,- (erm.), Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren Eintritt frei; shmh.de