Harburg/Landkreise. Karstadt in Harburg, Fleischer Blanck in Eißendorf, Gasthof Zum Kiekeberg – welche alteingesessenen Betriebe noch dichtmachen mussten.
Nach 300 Jahren hat es mit dem Familienbetrieb Röhrs im Alten Land fast Norddeutschlands älteste Schlachterei erwischt. Für die Fleischerei von Meister John Blanck in Eißendorfist das Aus nach mehr als einem Jahrhundert dagegen besiegelt. Nicht die einzigen Beispiele für Traditionsbetriebe in Harburg und Umgebung, die jüngst für alle Zeit ihre Pforten schließen mussten – oder dem Hamburger Süden den Rücken kehrten.
Diese wichtigen Unternehmen und Geschäfte in der Region haben sich 2023 und in den Vorjahren aus ganz unterschiedlichen Gründen verabschiedet – und werden von Ihren Kunden beziehungsweise Gästen teils schmerzlich vermisst:
Karstadt Harburg: Ein emotionaler Abschied vom Warenhaus
Für großes Aufsehen sorgte die Karstadt-Schließung in der Harburger Innenstadt im vergangenen Juni. Viele Kunden reagierten emotional auf das Ende des Warenhauses, das im Jahr 1927 eröffnet hatte. „Es ist so tragisch für die häufig langjährigen Beschäftigten“, sagt eine langjährige Kundin dem Abendblatt. Die Mitarbeiter selbst schwiegen.
Mehrere Sanierungsrunden des in Schwierigkeiten geratenen „Galeria Karstadt Kaufhof“-Konzerns hatte der Standort am Schloßmühlendamm in den Vorjahren überlebt, zum Juli 2023 war dann Schluss in Harburg.
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Fleischerei Blanck und Backhaus Janeke in Eißendorf – Traditionshandwerk adé
Jüngster Verlust in Sachen Traditionshandwerk ist das Unternehmen von Schlachtermeister John Blanck in Eißendorf. Der Betrieb schließt spätestens Ende Oktober nach 106 Jahren, obwohl es nicht an Kunden mangele. Der Grund für den Schritt: Fehlendes Personal. „Es ist einfach nicht möglich, geeignetes Personal zu finden, daher mussten wir die Reißleine ziehen“, so der Inhaber in vierter Generation.
Eißendorf hatte es bereits im Juni 2023 getroffen, als die Traditionsbäckerei und Konditorei Janeke nach 124 Jahren das Aus verkündete. Auch Iris Janeke und Anton Rutterschmidt betrieben das Geschäft in der vierten Generation und nach eigener Aussage mit Erfolg. Dort fehlte es an einem Nachfolger, sodass das Ehepaar den Betrieb zum Renteneintritt einstellen musste.
Auch Geschichte seit 2023: Drogerie Quast und Harburger Lokschuppen
Ebenfalls im Jahr 2023 geschlossen hat eine Institution in Neuenfelde. Nach fast 70 Jahren gingen im April die Lichter der Drogerie Quast aus. Claus-Carsten Quast hatte das Geschäft bis dahin in zweiter Generation in einer früheren Lagerhalle für Meerrettich betrieben.
Zwei Monate zuvor hatte sich Harburgs letztes Modellbahngeschäft verabschiedet. Der „Lokschuppen“ fungierte ab 1982 in der Denickestraße Anlaufpunkt für Modellbauer. Inhaber Ingo Czekai übernahm die Geschäfte im Jahr 2008 und entschied sich, den Standort nach Hamburg-Wandsbek zu verlagern.
Traditionslokal Zum Kiekeberg und Promi-Italiener Rossini
Mit dem Gasthaus „Zum Kiekeberg“ verlor der Süden Ende 2022 zudem eine Ikone der Ausflugsgastronomie. Juniorchefin Irma Schuster entschied sich unter anderem wegen des starken Personalmangels, das Familienunternehmen trotz guter Auslastung nicht weiterzubetreiben. Sie führte den Gasthof in fünfter Generation – 120 Jahre bewirteten sie und ihre Vorfahren dort Gäste.
Wer den Ausblick auf die Hamburger Skyline aus dem Gebäude weiterhin genießen will, muss sich künftig einmieten. Die ehemaligen Gästezimmer sollen teils zu Ferienwohnungen, teils zu Dauermietwohnungen umgewandelt werden.
Immerhin 20 Jahre lang lud der Promi-Italiener Rossini in Hittfeld zu italienischer Lebensart ein. Die Wirtin bekam keinen neuen Miettvertrag, schloss das Restaurant und verließ die Gastrobranche. Allerdings ohne Groll, wie sie dem Abendblatt sagte.
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Bäcker Becker schließt Filialen, Backhaus Wedemann geht in fremde Hände
In Sachen traditionelles Backhandwerk kam es in Harburgd im Sommer 2022 zu zwei Umbrüchen.
Der Marmstorfer Traditionsbäcker Becker schloss zwei der sieben Filialen. Eine in der Lüneburger Straße, eine in der Bremer Straße. Reine Standortentscheidungen: Bei Bäcker Becker geht der Betrieb weiter, ein Jahr zuvor hatte das Unternehmen noch eine neue Filiale in Neuwiedenthal eröffnet und über einen weiteren Standort nachgedacht.
Beim Backhaus Wedemann endete im Juni 2022 hingegen die Ära des Familienbetriebs. Eigentümerin Franziska Wedemann übergab die Geschäfte in krisenhaften Zeiten aus strategischen Gründen an eine Beteiligungsgesellschaft – nach 133 Jahren in Familienhand. Gestartet war das Unternehmen als Bäckerei Köhler am Reeseberg in Rönneburg. Die große Produktionsstätte liegt am Großmoorbogen, dort werden seit 1981 Brötchen in großer Zahl gebacken.
Gewürzladen und Fahrrad-Brinkmann: Weitere Schließungen in 2022 und 2021
Ein überraschendes Ende hatte es 2022 in Hittfeld gegeben: Dort machte die Fleischerei Lissewski im Dorfkern nach 72 Jahren dicht. Der Grund: die dramatisch gestiegenen Energiekosten. Ebenfalls in den 1950ern gestartet und 2022 geschlossen wurde das Gewürzgeschäft Karl Boettcher am Harburger Rathaus.
Winsens einziger Fischladen beendete den Verkauf im Mai 2022. Es habe sich nicht mehr gelohnt, den Betrieb des 1907 gegründete Geschäfts Fisch Köhler aufrechtzuerhalten.
Mit dem Traditionsgeschäft Brinkmann hatte Ende 2021 der letzte traditionelle Fahrradladen in der Harburger Innenstadt geschlossen. Das Unternehmen mit Räumen in der Wilstorfer Straße hatte Ernst Brinkmann vor 94 Jahren gegründet.
Hinweis: Als Service- und Reparaturwerkstatt betreibt Jürgen Arndt das Geschäft ohne Verkaufsfläche und Fahrradhandel allerdings in der Harmsstraße weiter.
170 Jahre nach der Eröffnung gingen Anfang 2021 beim Goldschmied Brunckhorst für immer die Lichter aus. Das Geschäft in der Altstadt war stets in Familienhand, der Grund zur Schließung von anderen alteingesessenen Unternehmen bekannt: Das Ehepaar Brunckhorst fand keinen Nachfolger. Ein paar Kilometer weiter in Neugraben schloss kurze Zeit später zudem das Geschäft Paulsen Männermode – das Ende von 40 Jahren Herrenbekleidung.