Harburg. Franziska Wedemann war in der vierten Generation Chefin des Familienunternehmens – nun gibt sie das Backhaus aus der Hand.

Sie war die vierte Generation der Wedemanns, die in Harburg zunächst eine Bäckerei, dann ein großes Backhaus betrieben. Am vergangenen Mittwoch hat Franziska Wedemann ihren Betrieb in fremde Hände gegeben.

Neuer Eigentümer ist die Familie Hastor mit ihrer Beteiligungsgesellschaft PrecapitalPartners. Sie hatte bereits 2020 die Bäckereikette Dat Backhus aus der Insolvenz gekauft.

Traditionsunternehmen: Backhaus Wedemann wird verkauft

„Es war eine strategische Entscheidung“, sagt Wedemann. „Ich bin 59 Jahre alt und kinderlos, so dass sich allmählich die Nachfolgerfrage stellte. Zwar habe ich nicht aktiv nach einem Nachfolger gesucht, aber ich habe die Augen und Ohren offen gehalten und mein Radar in den Markt geschickt. Daraus ist der Kontakt entstanden. Dabei ist mir besonders wichtig, dass die Mitarbeiter übernommen werden. Dies ist jetzt der Fall, und das ist ein beruhigendes Gefühl.“

Der Eigentümerwechsel erfolgt in krisenhaften Zeiten. Zunächst hatte die Pandemie fast das Aus für das Backhaus bedeutet und damit einer 133-jährigen Firmengeschichte. „Ohne Überbrückungshilfen hätten wir es nicht geschafft“, sagt Wedemann. Ausgerechnet die Filialen, die in der Geschäftspolitik eine untergeordnete Rolle spielten, haben das Backhaus durch die Corona-Lockdowns getragen, als die Hauptabnehmer, etwa Stadien, Hotels und Betriebskantinen, schließen mussten. Inzwischen läuft das Geschäft mit den Großkunden wieder. Wenn auch noch nicht auf Vor-Corona-Niveau, als am Großmoorbogen täglich rund 60.000 Brötchen gebacken wurden.

In ihren letzten Geschäftswochen hatte Franziska Wedemann mit der unsicheren Versorgungslage bei Weizen und anderem Getreide sowie in der Folge mit stark steigenden Preisen zu kämpfen. Aber das sei kein Anlass für den Verkauf gewesen – als Unternehmerin sei sie es gewohnt gewesen, auch in schwierigen Zeiten Verantwortung zu tragen.

Seit 1903 war das Backhaus in Händen der Familie Wedemann

Mit der Übergabe des Unternehmens in fremde Hände wiederholt sich die Firmengeschichte: Urgroßvater Otto Wedemann war 1892 in die 1888 gegründete Bäckerei Köhler am Reeseberg in Rönneburg eingetreten. 1903 fragte ihn sein Chef, ob er die Bäckerei übernehmen wolle, weil der Firmeninhaber keine Kinder und damit keinen Nachfolger in der Familie hatte. Damals florierte die Bäckerei. Die Harburger Industrie beschäftigte viele Arbeitskräfte und die wollten ernährt werden. Otto Wedemann ergriff die Chance und legte den Grundstein für weit mehr als eine kleine Bäckerei.

Um die Jahrhundertwende war Harburg eine wachsende Stadt. Für Otto Wedemann war die eingeführte Bäckerei eine sichere Sache. Nachdem er 1902 geheiratet hatte, kam im Jahr der Geschäftsübernahme schon der potenzielle Nachfolger zur Welt: Otto Wedemann, der Zweite. Zusammen mit seiner geschäftstüchtigen Frau Elisabeth investierte Otto Wedemann I. in sein Unternehmen. Um 1920 erwarb er einen riesigen Dampfbackofen mit ausziehbaren Blechen in der Größe von Tischtennisplatten. Damit konnte er günstiger produzieren als alle anderen Bäckereien in Harburg.

Großteil der Ware wird an Großkunden ausgefahren

Der Dampfbackofen stellte die Weichen Richtung Massenproduktion für Großkunden. Allein über die Filiale am Reeseberg waren die Backwaren nicht mehr zu verkaufen. Also begann der Chef sie auszuliefern – mit Fahrrad und Pferdefuhrwerk. Diese Geschäftspolitik trägt bis heute: Ein Großteil der Ware, die die rund 30 Mitarbeiter im Backbetrieb (von insgesamt 80 Mitarbeitern) täglich produzieren, wird ausgefahren. Nur am alten Firmenstandort Reeseberg 5 und am Veritaskai im Binnenhafen gibt es Filialen. Dazu den Fabrikverkauf am Großmoorbogen.

Ein Bild aus der Anfangszeit: Otto Wedemann mit dem Pferdefuhrwerk vor der Bäckerei am Reeseberg (1924).
Ein Bild aus der Anfangszeit: Otto Wedemann mit dem Pferdefuhrwerk vor der Bäckerei am Reeseberg (1924). © Archiv Franziska Wedemann

Sohn Otto II. machte 1927 seinen Meister und war im Alter von 24 Jahren einer der jüngsten Bäckermeister der Stadt. 1928 hat er die Bäckerei übernommen. „Es folgten die schönsten Jahre für ihn“, erzählt die Enkelin. „Er belieferte seine Kunden um 1930 bereits mit dem Auto. Und war einer der ersten, der einen Privatwagen besaß.“ In dieser Zeit entstand ein Foto der Mitglieder vom „Fachverein der Bäckermeistersöhne Harburg-Wilhelmsburg e.V.“ Wedemann: „Damals gab es im Hamburger Süden 31 Bäckermeistersöhne und ebenso viele Bäckereien. Heute sind noch genau zwei backende Betriebe in Harburg übrig.“ Außer dem Backhaus Wedemann hat Bäcker Becker überlebt.

Anno 1936 kam Otto der Dritte zur Welt, der ältere von zwei Söhnen des Firmenchefs und Franziska Wedemanns Vater. Er habe in der Nachkriegszeit klug investiert, mit dem Ziel, die Umsätze über Wiederverkäufer zu steigern. Wedemann belieferte Krankenhäuser, Betriebskantinen, die Speisesäle der Bundesbahn und vieles mehr. „In der 1960er und 1970er Jahren wurde tonnenweise Schiffszwieback an die Reedereien geliefert. Die Schiffe hatten damals noch keine Kühlaggregate."

Das Unternehmen sei den Bedarfen der Kunden gefolgt. Ein Beispiel sei die Flugzeugwerft auf Finkenwerder, die seit 50 Jahren beliefert werde: „Damals war das noch MBB. Und später sind wir mit Airbus groß geworden.“ Auch Fußballfans in Hamburger Stadien beißen in der Halbzeitpause in Wedemann-Brötchen. Die Massenproduktion im Backhaus nennt Wedemann eine „handwerksgeneigte Produktion“ in großem Maßstab. Eine industrielle Bäckerei stelle auf riesigen Produktionsstraßen rund um die Uhr jeweils nur ein Erzeugnis her. Am Großmoorbogen werden auf einer Anlage mehrere Produkte geformt, es müsse deshalb ständig umgerüstet werden. „Die Wedemann-Bäcker sind nicht nur Maschinenführer, sondern ganz nah am Teig und am Produkt dran.“

Seit 1981 backt Wedemann Brot und Brötchen am Großmoorbogen

Ein Meilenstein der Unternehmensgeschichte sei 1981 der Umzug vom Reeseberg an den Großmoorbogen gewesen, sagt Wedemann. „Zu der Zeit war dort eine grüne Wiese. Nur wenige Betriebe wie Metro, Dello und Tesmer hatten sich bereits angesiedelt.“ Ihr Vater wollte ursprünglich nach Meckelfeld, wegen der niedrigeren Grundstückspreise. Dort war bereits in den 1970er Jahren eine Autobahnausfahrt geplant – die Logistik spielt für den Betrieb eine wichtige Rolle. Der Firmenchef entschied sich dann aber für den Großmoorbogen. Eine kluge Entscheidung. Meckelfeld hat bis heute keinen Anschluss an die A1.

Mit viel Herz spricht Franziska Wedemann über die Geschichte des Harburger Backhauses. Die passionierte Jägerin freut sich auf mehr Freizeit, wird aber weiterhin Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden bleiben und weiter im Handelskammer-Ausschuss Hamburger Süden mitarbeiten. Es bleibt also viel Arbeit, aber Wedemann sieht es gelassen: „Bisher war für mich eine 40-Stunden-Woche ein halber Urlaub.“

Bäckerei Becker schließt in Harburg zwei Filialen:

  • Die Marmstorfer Bäckerei Becker wird ihre Filialen an der Lüneburger Straße und an der Bremer Straße 67 schließen. Bei beiden Geschäften stimme das Umfeld nicht mehr, sagt Bäckerei-Chefin Wiebke Krüger. An der Lüneburger Straße sei zudem die Ladenmiete inzwischen zu hoch geworden, um noch rentabel arbeiten zu können, so Krüger.
  • An der Bremer Straße habe es neben der Bäckerei einst zwei Fleischer und ein Gemüsegeschäft gegeben, also ein gutes Angebot für den Lebensmitteleinkauf. Das sei nun nicht mehr gegeben.
  • Wiebke Krüger sieht das nicht als Rückzug: 2021 sei eine neue Filiale in Neuwiedenthal entstanden. Eine weitere neue Filiale sei möglich, wenn der Standort passe