Harburg. Die Türen sind seit Freitag verriegelt. Wie sich die letzten Kunden äußerten und ihre Wertschätzung für die Mitarbeiter zeigten.
- Die Karstadt-Filialen in Harburg schlossen am Freitag vorzeitig
- Kunden reagieren emotional auf das Aus – Mitarbeiter schweigen
- Zukunft des großes Gebäudes in der Harburger Innenstadt ist ungewiss
Die fast 100-jährige Geschichte des Karstadt-Warenhauses in Harburg ist zu Ende. Heute, am Freitag, um 12.50 Uhr, schlossen Mitarbeiter das Gebäude am Harburger Ring zu. Kopierte Zettel an den Türen besagen seitdem: „Die Filiale ist geschlossen. Wir sagen DANKE Harburg.“ Noch Donnerstag hatte es geheißen, dass bis Sonnabend verkauft werde.
Angelika Deutsch aus Neugraben und ihre Schwester Brigitte Krause (Sinstorf) waren die letzten Kunden. Brigitte Krause hat noch ein paar Knöpfe gekauft, aber eigentlich kamen sie, um sich von den Verkäuferinnen zu verabschieden.
Schließung von Karstadt Harburg: Mitarbeiter eilten ohne Worte nach Hause
40 Jahre haben sie Karstadt die Treue gehalten – wie so viele Menschen in Harburg. Heute beim Marktbesuch am nahen Sand hatten sie erfahren, dass Karstadt um 13 Uhr endgültig schließt. Um 12.45 standen die beiden vor der Tür und hatten noch das Glück, eingelassen zu werden. Um 12.50 Uhr war endgültig Ende, Mitarbeiter an der Tür ließen niemanden mehr rein.
Ein Mann, der gestern noch seine Hose beim Änderungsschneider abgegeben hatte und sie heute abholen wollte stand überrascht vor dem Eingang. Er hatte Glück, der Schneider verließ gerade mit zwei schweren Plastiksäcken das Gebäude und so erfuhr er die neue Adresse der Schneiderei – er kann seine Hose morgen abholen.
Kundin: „Es war uns eine Herzensangelegenheit, uns noch einmal zu verabschieden“
Bereits um 12 Uhr wurden alle die den Laden betreten wollten darüber informiert, dass Karstadt um 13 Uhr für immer schließen wird. „Mal ehrlich, bereits in den vergangenen Tagen gab es kaum noch Ware in den Regalen – nur noch Knöpfe und Reißverschlüsse, aber ich habe oftmals mein Nähzeug bei Karstadt gekauft, jetzt gibt es sowas in Harburg nicht mehr“, sagt eine traurige Kundin.
„Es war uns eine Herzensangelegenheit, uns noch einmal zu verabschieden“, sagt Brigitte Krause beim Verlassen des Karstadt-Warenhauses und wird dann ernst, „es ist so tragisch für die häufig langjährigen Beschäftigten.“ Deshalb sei es für die Schwestern wichtig gewesen noch einmal vorbeizuschauen. „Wir haben mit unserer Lieblingsverkäuferin sogar die Nummer getauscht. Über die vielen Jahre sind fast freundschaftliche Beziehungen entstanden. Über 40 Jahre sind wir regelmäßig zu Karstadt gegangen und haben alles hier gekauft“, ergänzt Angelika Deutsch, früher sei man regelmäßig im Untergeschoss zum Mittagstisch gegangen.
Lebensmittelabteilung ist bereits seit 2019 geschlossen
Das ist lange vorbei, die Lebensmittelabteilung hatte Karstadt bereits zum September 2019 geschlossen. „Ich glaube das Zeitalter der Kaufhäuser ist vorbei“, findet hingegen Hans-Joachim Brünig (74) aus Heimfeld. Er prognostiziert, „die Kaufhäuser, die jetzt gerettet wurden, werden in wenigen Jahren auch schließen.“ Dennoch sei es trauriger Tag für Harburg, weil man viele Produkte nur noch im Warenhaus kaufen und anfassen konnte, dies ginge Online nun mal nicht, deshalb würden viele Waren wieder zurückgeschickt.
„Ein ganz schlimmer Tag für Harburg“, trauern Josef Lech (73) und seine Lebensgefährtin Helena Adamus (68) aus Harburg. „Wir haben hier sehr viel gekauft, direkt nachdem ich vor 35 Jahren aus Polen kam, gingen wir zu Karstadt. Die Qualität hat uns einfach überzeugt“, sagt die rüstige Rentnerin. „Ich bin fassungslos, ich hatte zwar gelesen das Karstadt schließt, aber dass es jetzt so schnell ging...“, zeigt sich die Harburgerin Palina Michalek überrascht.
Politik hofft, dass längerer Leerstand in Harburg ausbleibt
„Ich hoffe für Harburg, dass dieses Gebäude nicht zu lange leer steht und schnell eine Nachnutzung gefunden wird“, sagt Michalek, „ich habe die Hoffnung, dass sich hier vielleicht mehrere kleinere Unternehmen ansiedeln und sich Handwerker, Künstler und vielleicht sogar ein Kindergarten die Räume teilen.“
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Eine Hoffnung die auch Bezirksamt und Politik teilen. Seit vielen Wochen wird hinter den Kulissen mit den Eigentümern verhandelt, um einen längeren Leerstand zu vermeiden.
Für viele Mitarbeiter war es heute der letzte Tag bei Karstadt, diejenigen die noch keinen neuen Job haben, gehen erst einmal in die Transfergesellschaft. „Jobangebote gibt es genug, aber die meisten werden auf Höhe des Mindestlohns vergütet“, sagte Betriebsratschef Marcus Junker kürzlich dem Abendblatt, ein großer Teil seiner rund 70 Kolleginnen und Kollegen werden daher erstmal in die angebotene Auffanggesellschaft wechseln.
Heute wurden erstmal zahlreiche Abschiedsfotos gemacht, zwischen den leeren Regalen und Verkaufstresen nutzen viele Mitarbeiter die Gelegenheit, noch Bilder untereinander oder mit besonders treuen Kunden zu machen. „Jetzt wo es vorbei ist, ist es ein ganz komisches Gefühl“, sagt eine Mitarbeiterin kurz nachdem sie das Warenhaus verlassen hat und verdrückt ein paar Tränchen. Viele hatten bis zuletzt die Hoffnung auf Rettung nicht verloren, immerhin hatten mehr als 7000 Harburgerinnen und Harburger für den Erhalt des Warenhauses unterschrieben. Leider erfolglos.
Galeria Wandsbek steht ebenfalls vor der Schließung
Auch Galeria Karstadt in Wandsbek, das ebenfalls auf der Schließungsliste des Warenhauskonzern steht, hatte am Freitagmorgen zum letzten Mal die Türen geöffnet. Ursprünglich war für beide Hamburger Häuser der 30. Juni als letzter Verkaufstag geplant. Aber offenbar war der Räumungsverkauf mit Rabatten von zuletzt 90 Prozent so gut gelaufen, dass die Waren früher als erwartet ausverkauft waren. Gegen Mittag war das Kaufhaus am Wandsbeker Markt, das 1924 eröffnet worden war, für immer zu. Zu erreichen war niemand mehr.
Für die Beschäftigten sei die Belastung aufgrund des Abverkaufs der Ware enorm groß gewesen, erklärte Heike Lattekamp, stellvertretende Ver.di-Landesleiterin in Hamburg. „Auch die psychische Belastung ist riesig.“ Bis zuletzt hätten sie nicht gewusst, wie lange sie noch an der Kasse stehen würden. „Die Beschäftigten sind teilweise total erschöpft und haben große Zukunftsängste. So geht man nicht mit Menschen um, die 20, 30 oder noch mehr Jahre im Unternehmen beschäftigt waren“, so die Gewerkschaftlerin.
Schließung bei Karstadt: Kein Umtausch für reduzierte Artikel
Auf seiner Internet-Seite hat der Warenhaus-Konzern Galeria Karstadt Kaufhof eine Mitteilung unter der Überschrift „Wir sagen Danke!“ veröffentlicht. Darin erklärt das Unternehmen, dass alle reduzierten und rabattierten Artikel vom Umtausch ausgeschlossen sind und verweist auf die drei verbliebenen Standorte in Hamburg: in der Mönckebergstraße, Eimsbüttel und im Alstertal-Einkaufszentrum