Hamburg. Viele Verkehrs- und Wohnungsbauprojekte im Hamburger Süden stocken derzeit oder verzögern sich. Einige Lichtblicke gibt es aber auch.
Eine Prognose, was das Jahr 2024 im Bezirk Harburg bringt, ist schwierig: Derzeit hängen im Bereich Wohnungsbau und Verkehr viele Vorhaben in der Schwebe, und mit dem bevorstehenden Wahlkampf ist der langfristige Wille der Bezirkspolitik, hier noch Druck zu machen, eher gedämpft.
Was man sicher sagen kann: Es wird gebaut. Mit dem Mega-Projekt „Doppelknoten und ZOB“ wird der zentrale Kreuzungsbereich rund um den Harburger Bahnhof 2024 zur Staufalle, allerdings mit Verzögerung. Auch im Binnenhafen rollen die Bagger für diverse Projekte, in Neugraben entstehen zwei neue Schulen, an der Bremer Straße entstehen Wohnungen. An der Winsener Straße ist der Wohnungsbau allerdings mit einem fetten Fragezeichen versehen worden.
1. Harburger „Doppelknoten“: Was auf der Mutter aller Baustellen 2024 passiert
Hier kommen Moorstraße, Buxtehuder Straße, Hannoversche Straße und Großmoorbogen, die Parkhauszufahrt eines Großeinkaufszentrums sowie die wichtigste Umsteigestelle zwischen Bus und Bahn auf einer Fläche von 400 mal 100 Metern in einem Komplex aus zwei Knotenpunkten und zwei Brücken zusammen und werden, weil es dringend nötig ist, allesamt und bis 2025 grundsaniert, beziehungsweise neu gestaltet. Der Ablauf wurde in neun Bauabschnitten minutiös getaktet, kommt jetzt aber schon nach dem zweiten Schritt aus dem Tritt.
Der Abriss des alten ZOB, der genau jetzt beginnen sollte, verzögert sich bis zum Sommer. Zunächst einmal freut dies die Harburger: Zumindest in eine Richtung werden sie noch etwas länger ihren gewohnten Umstieg zur S-Bahn beibehalten. In Fahrtrichtung Osten sind die Busse allerdings bereits seit den ersten Bauphasen umgeleitet und bieten einen Vorgeschmack darauf, wenn beide Fahrtrichtungen sämtlicher durchgängigen Buslinien Harburgs und der gesamte Individualverkehr diese Umleitung durch die schmale Wilstorfer Straße wählen.
Umgestiegen wird dann am Bahnhof Harburg-Rathaus. Für alle Pendler aus dem Harburger Osten bedeutet das pro Fahrt fünf Minuten mehr. Stattdessen mit dem Auto zur S-Bahn zu fahren, ist derweil nicht ratsam: Das P+R-Haus, dessen „fertige“ Erweiterung bereits vor zwei Jahren gefeiert wurde, bleibt auch 2024 Baustelle.
Mit dem Auto sollte man die Harburger Innenstadt während der Bauzeit ohnehin gleich umfahren, wenn es denn ginge: Weil Bezirk und Verkehrsbehörde mit dem Bau der Velorouten 10 und 11 hinterherhängen, liegen auf der Ausweichstrecke Binnenhafen/Hannoversche Straße zeitgleich zum Doppelknoten auch noch weitere Straßenbaumaßnahmen an.
2. Ankerplatz und Aquadock: zwei große Bauprojekte im Harburger Binnenhafen
Im Harburger Binnenhafen gehen zwei große Bauvorhaben an den Start: Das Projekt Ankerplatz wird Wohn- und Betreuungsangebote für Menschen mit eingeschränkten Hirnleistungen vorhalten.
Neben einer Tagespflege sind Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen geplant, betrieben durch Träger der Diakonie. Im März soll der Hochbau starten, Ende 2025 der vier- bis sechsstöckige Gebäudekomplex fertiggestellt sein.
Schräg gegenüber lässt die Unternehmerfamilie Mönke (Paletten-Service Hamburg, PSH) ein Bürogebäude und ein Hotel errichten. Auch beim Projekt Aqua2Dock sollen die Arbeiten bald nach der Jahreswende starten. Das H-förmige Bürogebäude am Lotse- und Ziegelwiesenkanal wird rund 7700 Quadratmeter bieten, im Erdgeschoss ist Gastronomie vorgesehen. Daneben entsteht ein zweites Gebäude: ein Mittelklasse-Hotel der Marke The Niu vom Hamburger Unternehmen Novum Hospitality mit 146 Zimmern und 20 kleinen Apartments.
Noch etwas könnte im Binnenhafen 2024 an den Start gehen: Am Treidelweg, von Stadt und Bezirksamt seit Jahren als Beachclub-Standort auserkoren, können sich vielleicht schon in diesem Sommer Strandfans in der Sonne aalen. Und womöglich auf einem Restaurantschiff schön essen gehen.
Allerdings wird die Zeit knapp: Die Kaifläche und ein bis zwei Liegeplätze für Gastro-Schiffe werden erst Ende April vergeben, sodass potenzielle Betreiber bis zur Sommersaison nur wenig Vorlauf haben.
3. Wohnungen weg, Wohnungen neu: Nachverdichtung an der Bremer Straße
Auch weiter weg vom Zentrum wird in Harburg weitergebaut. Der Eisenbahnbauverein Harburg baut noch einmal 95 Wohnungen an der Bremer Straße, gegenüber der Einmündung der Hohen Straße. Es ist der zweite Bauabschnitt eines Projekts, in dem insgesamt 145 neue Wohnungen entstehen.
Allerdings mussten zunächst 69 Wohnungen weichen. Sie befanden sich in den 100 Jahre alten Siedlungshäusern der Baugenossenschaft. Nur ein Teil der historischen Häuser im Stadtteil Eißendorf (Bremer Straße 126 bis 134) werden als Baudenkmäler erhalten.
Wiederum mitten in der Harburger Innenstadt ist ein Wohnungsbauprojekt bereits weit fortgeschritten: Auf der Fläche des ehemaligen Harburg Centers, am Harburger Ring 6, sollen bis Ende kommenden Jahres 234 Wohnungen bezugsfertig sein. Anders als an der Bremer Straße werden hier unter dem Namen Canvas Living wohlhabende Mieterinnen und Mieter gesucht.
4. Baustelle oder Brachfläche? Wilstorf blickt 2024 gespannt auf die Rewe-Ruine
An der Winsener Straße sind auf den 140 Metern zwischen den Hausnummern 32 und 42 die Lichter aus. Vor Kurzem war hier noch reger Betrieb im Supermarkt und vor einiger Zeit auch noch an der Tankstelle. Wann hier wieder Lichter angehen soll, ist unklar.
Eigentlich sollten hier laut Bebauungsplan „Wilstorf 37“ demnächst 300 Wohnungen entstehen, dazu ein neuer Vollsortimentssupermarkt, ein Discounter, ein Drogeriemarkt und einige kleine Geschäfte. Die Baugenehmigungen sind da, aber der Investor ist klamm.
Große Teile der Fläche sind bereits geräumt. Angekündigt war, den Rewe-Markt so lange hier weiterzubetreiben, bis auf der Freifläche daneben im ersten Bauabschnitt der Neubau des Marktes bezugsfertig ist. Dann sollte der Altbau abgerissen werden und dort der zweite Bauabschnitt des Großprojekts entstehen.
Im November allerdings wurden die Wilstorfer unangenehm überrascht: Mit einer Woche Frist kündigte Rewe an, jetzt schon zu schließen und erst 2025 wieder zu öffnen.
Dafür allerdings müsste der alte Markt abgerissen werden. Danach sieht es derzeit nicht aus. Im Gegenteil: Die Spielhalle im ersten Stock des Gebäudes hat gerade erst ein neues, größeres Leuchtschild angebracht. 2024 wird das Jahr sein, in dem Bezirk und Stadtteil sehr intensiv eine Baulücke beobachten werden.
5. Zwei neue Schulen in Neugraben-Fischbek
Auch wenn der Baustart des letzten großen Neubaugebiets im Hamburger Südwesten, den Fischbeker Reethen, noch zwei Jahre hin ist: Durch die beiden gerade fertiggestellten Neubaugebiete Vogelkamp und Heidbrook ist die Bevölkerung im Stadtteil Neugraben-Fischbek bereits jetzt stark angewachsen, und die Altersstruktur in der Region ist auch unter den Alteingesessenen jünger als im Schnitt der Stadt.
Neue Schulen müssen her, alte erweitert werden, zumal mit der jüngst geschlossenen Katholischen Grundschule auch noch eine abgängig ist. Vier neue Schulen sind geplant, zwei gehen in diesem Sommer an den Start.
Das Gymnasium Neugraben und die „Zweigstelle Scheideholzweg“ der Grundschule Schnuckendrift werden beide auf dem Gelände der ehemaligen Katholischen Schule Neugraben entstehen. Dafür werden einige Gebäude der Katholischen Schule erhalten. Andere können nur noch der Bauschuttverwertung zugeführt werden. Viele Gebäude werden neu entstehen, darunter auch mehrere Sporthallen, die in der Region ebenfalls dringend benötigt werden.
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Die Grundschule befindet sich auf dem südlichen Teil des Geländes und wird über den ruhigen Scheideholzweg zu erreichen sein. Der Haupteingang des im nördlichen Teil geplanten Gymnasiums wird hingegen an der viel befahrenen Cuxhavener Straße liegen. Wahrscheinlich wird aber auch hier ein weiterer Zugang von Süden möglich sein.
Das Profil des Gymnasiums soll seinen Schwerpunkt auf kultureller und ästhetischer Bildung haben. Als eine Besonderheit wird im Fremdsprachangebot auch Polnisch enthalten sein. Ein Tag der offenen Tür ist am 15. Januar geplant.