Harburg. Ab Montag vorbereitende Arbeiten am „Doppelknoten“. Eine Woche später erste Sperrung erwartet. Hochbahn hinkt hinterher.
„Und irgendwann in naher Zukunft wird auch noch der Doppelknoten saniert“: So geht ein geflügelter Satz in der Harburger Verkehrsplanung, über Jahre stets mit unheilvollem Unterton ausgesprochen, so wie „Winter is coming!“ in der Erfolgsserie „Game of Thrones“. Die Sanierung der fünf Hauptstraßen verbindenden Zweifachkreuzung am Harburger Bahnhof lauerte stets am Horizont und schien doch weit weg. Montag geht es los.
In neun Bauphasen soll bis zum Winter 2025/26 die gesamte Kreuzung von Grund auf neu gebaut werden. Gleichzeitig wird der Harburger ZOB ebenfalls abgerissen und neu gebaut und die große Harburger Fahrradstation in die Erde versenkt. Am Ende sollen über die neue Kreuzung mehr Busse und Fahrräder fahren als bislang; und weniger Autos. Das ist aber nicht der Grund für die Baustelle: Saniert werden muss die Kreuzung so oder so, andernfalls würde sie wegen Baufälligkeit demnächst unpassierbar.
Vollsperrung des Kreuzungskomplexes ist zunächst nicht geplant
Eine Vollsperrung des Kreuzungskomplexes ist nicht geplant. In jeder der neun Bauphasen soll die Kreuzung in irgend einer Richtung passierbar bleiben. Die ersten zwei Bauphasen betreffen zunächst nur die Hannoversche Straße zwischen Schlachthofbrücke und ZOB.
Am Montag beginnt der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) mit der Einrichtung der Baustelle. Die Hannoversche Straße wird in dieser Woche um eine Spur reduziert, ist aber noch in beide Richtungen befahrbar. Ab der kommenden Woche wir es dann ernst: Die Hannoversche Straße wird vor dem Bahnhof zur einspurigen Einbahnstraße in Richtung Moorstraße.
Busse können nicht mehr am Bahnhof vorbeifahren
Das hat Auswirkungen: Der Busverkehr auf dem so genannten „Korridor Harburg“ von Eißendorf nach Sinstorf beziehungsweise von Neugraben und Bostelbek nach Rönneburg kann ab kommenden Montag in Fahrtrichtung Harburger Osten nicht mehr am Bahnhof vorbeifahren und wird über die Wilstorfer Straße umgeleitet. Der Halt am Bahnhof entfällt.
Für die Haltestelle Moorstraße wird für diese Linien eine Ersatzhaltestelle in der Wilstorfer Straße zwischen Quarree und Kalischerstraße eingerichtet. Die wird aber nicht rechtzeitig zum Baustart fertig. Einige Wochen lang werden die Harburger ohne diesen Halt auskommen müssen. Die Hamburger Hochbahn AG (HHA) hat die letzten notwendigen Genehmigungen nach eigener Auskunft gerade erst bekommen.
Baustelle hängt fast ein Jahr hinter dem Plan
Frank Wiesner, Bezirksabgeordneter der SPD und dort Verkehrsexperte, ärgert das. „Diese Baustelle ist über Jahre vorbereitet worden und sie hängt jetzt schon fast ein Jahr hinter dem zuerst angekündigten Plan hinterher, da kann man von den beteiligten Behörden und Bauträgern doch erwarten, dass die Genehmigungen vorliegen“, kritisiert er. „Ich fürchte, solche Koordinationsfehler werden sich die ganze Bauzeit über durchziehen, wie ein roter Faden.“
Wiesner weist auch auf eine andere Ungereimtheit hin: Eigentlich sollte der Umbau des ZOB zeitgleich mit Bauphase 1 starten. Das hätte übrigens geheißen, dass kein Bus mehr den Bahnhof anfahren kann. Dann soll der Bahnhof Harburg Rathaus alleiniger Umsteigepunkt von Bus zu Bahn sein. „In der Baustellenliste des Bezirksamt steht als Baubeginn für den ZOB jetzt aber September“, sagt Wiesner. „Ich habe dazu eine Anfrage bei den Behörden gestellt, aber ich habe noch keine Antwort!“
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Nach Informationen des Abendblatts verzögert sich der Abrissstart des alten ZOB, weil die Ingenieure der Hochbahn bei Baugrunderkundungen festgestellt haben, dass sie die Statik ihrer Baustelle und des Neubaus anders berechnen müssen, als bislang gedacht. Der HHA gehört nur der Deckel über dem S-Bahnhof. Alles darunter gehört der DB Station and Service AG und soll möglichst wenig angetastet werden.
ZOB wird dringend für den Schienenersatzverkehr gebraucht
Dass die Hochbahn in absehbarer Zeit den Rückstand aufholen und den angekündigten Endzeitpunkt Mitte 2025 einhalten kann, möchte dort niemand mehr versprechen. Für Mitte 2025 stehen jedoch schon Sperrungen der S-Bahn zwischen Harburg und Wilhelmsburg fest: Der ZOB wird dann dringend für den Schienenersatzverkehr gebraucht.
Wiesner kritisiert, dass weder der Baustart am Montag, noch die Umleitung der Busse ab dem darauffolgenden Montag und erst recht nicht die Verzögerung beim ZOB-Umbau offensiv kommuniziert wurde. „So kann man mit den Fahrgästen und den Autofahrern nicht umgehen“, sagt er.
Der Verkehrsexperte der CDU-Bezirksfraktion, Rainer Bliefernicht, befürchtet zweienhalb Jahre Bau-Chaos: „Das wird eine Katastrophe“, sagt er. „Vor allem bei Situationen, wie in den letzten Tagen, wo Staus auf der Autobahn den Fernstraßenverkehr dazu bringen, über das Harburger Stadtgebiet auszuweichen. Wenn dann auch noch diese Baustelle für Behinderungen sorgt, ist die Stadt dicht. Dann hat auch kein Harburger mehr Lust, in die Harburger Innenstadt zu fahren und die City verödet noch weiter. Aber das scheint ja gewollt!“