Hamburg. Von 2020 bis heute gibt es viele Probleme. Doch die Bilanz des Bezirks fällt in der ersten Hälfte der 20er-Jahre erstaunlich gut aus.

Geht es nach dem Vorbild Bergedorf, sollten sich CDU und SPD bei den Wahlen im März in Hamburg und dann möglicherweise wohl auch in Deutschland auf eine gemeinsame Mehrheit einstellen. Mit deutlich abgestraften Grünen, einer FDP ohne Fraktionsstatus – und zum Glück im Parlament nicht auf gefährliche Größe angewachsenen Extremisten. Denn Bergedorfs Ampel-Koalition, schon seit ihrer Gründung im Januar 2020 prägendes Element der Politik im Bezirk, ist im Juni 2024 abgewählt worden.

Was angesichts der seit Dezember 2021 regierenden Ampel in Berlin nach einer ziemlich verrückten ersten Hälfte der 20er-Jahre für Bergedorf klingt, war hier bei der Durchsicht der jüngsten Jahrgänge der Bergedorfer Zeitung allerdings gar nicht chaotisch. Im Gegenteil: Der Bezirk kann sogar auf ziemlich erfolgreiche Jahre von 2020 bis heute zurückblicken. Und das trotz der Corona-Krise von 2020/21 mit massiven Querdenker-Demos in Bergedorf, den Folgen des Ukrainekriegs ab Februar 2022 sowie nicht zuletzt der Karstadt-Krise, die Bergedorf und seine gesamte Innenstadt nun schon seit dem Juni 2020 durchschüttelt.

150 Jahre bz: Corona-Krise und das Aus für Bergedorfs Karstadt-Häuser

Damals musste bz melden, dass die Tage der beiden Warenhäuser in unserer Fußgängerzone gezählt sind – und ein halbes Jahr später, dass sie mit dem Corona-Lockdown im Dezember 2020 tatsächlich für immer geschlossen bleiben. Dennoch: Der Blick zurück in diesem letzten regulären Teil unserer Serie zum 150-jährigen Jubiläum der bz fällt überraschend positiv aus. Denn die erste Hälfte der 20er-Jahre unseres Jahrhunderts ist geprägt von Bergedorfer Erfolgen.

Ende September 2022: Karstadt am Bergedorfer Markt wird abgerissen.
Ende September 2022: Karstadt am Bergedorfer Markt wird abgerissen. © Matti Noetzel | Matti Noetzel

Während die Welt andernorts aus den Fugen gerät – sogar in den USA, wo nach der Abwahl von Donald Trump im Januar 2021 das Kapitol gestürmt wird: Im Bezirk Bergedorf geht vieles voran, was im Jahrzehnt zuvor liegengeblieben ist. Zusammengezählt sind heute 17 Zukunftsprojekte erledigt oder in der Realisierung, die über Jahre immer wieder verzögert oder verschobenen wurden. Stillstand herrscht bloß noch bei sechs ärgerlichen Dauerbrennern.

Baudezernent: „Es macht Spaß, Bergedorf in der Phase des Aufbruchs zu erleben“

„Es macht Spaß, Bergedorf in der Phase des Aufbruchs zu erleben“, fasst Baudezernent Lars Rosinski Ende Dezember 2022 die Stimmung bei der Innenstadt-Entwicklung zusammen. Einzelhändler, Bürger und Verwaltung hätten den Schock der Karstadt-Schließung zwei Jahre danach in großes Engagement für Bergedorfs Innenstadt der Zukunft verwandelt. Mehr als 1000 Menschen hatten sich da an den beiden Werkstatt-Verfahren zur konkreten Entwicklung der beiden ehemaligen Kaufhaus-Areale beteiligt.

Bergedorfer Schlossstraße
So soll der Neubau auf dem heutigen Parkhaus-Areal an der Ecke Vinhagenweg/Bergedorfer Schlossstraße gleich neben dem Schlosspark (l.) aussehen. © B99 | Architekturbüro B99

Zudem wurde die City kurz darauf in die viele Millionen Euro schwere Städtebauförderung Rise aufgenommen, erhielt 2023 die beiden noch bis 2025 aktiven Stadtmanagerinnen samt Veranstaltungszentrum „Plietsch“ am Sachsentor. Und ganz nebenbei nimmt seither auch der Neubau auf der heutigen Parkhaus-Fläche an der Bergedorfer Schlossstraße so konkrete Formen an, dass hier wohl schon ab 2025 die Bagger anrücken und damit auch ein Stück Grün des Schlossparks in die City ziehen kann.

Bergedorfs Hafen wird mit neuer Gastro-Promenade zur beliebten Adresse

Ein Erfolg auf ganzer Linie wird die Umgestaltung der Bergedorfer Hafenpromenade zur Gastromeile: „Bergedorfer feiern ihre neue Flaniermeile“ titelt die bz im Juli 2022, als Tausende zum Einweihungsfest kommen – und anschließend für ausgebuchte Tische in den Restaurants sorgen. Die Zwei-Millionen-Euro-Investition macht das Areal rund um den 120 Jahre alten Hafenkran zum neuen Treffpunkt. Der hässliche 60er-Jahre-Komplex des Kaufhauses Woolworth ist da endlich durch einen Neubau mit Gastronomie, Design-Hotel und Einzelhandel ersetzt worden.

10. Juli 2022: Der Verein Bergedorfer Hafen feiert die Einweihung der Serrahnstraße als Gastronomiemeile mit großem Fest.
10. Juli 2022: Der Verein Bergedorfer Hafen feiert die Einweihung der Serrahnstraße als Gastronomiemeile mit großem Fest. © Michael Solscher | Michael Solscher

Noch wichtiger ist eine Entscheidung im Herbst 2022: „Plant der Körber-Konzern die Abwanderung seiner Keimzelle, der Hauni-Maschinenfabrik aus Bergedorf?“, fragen sich die bz und der ganze Bezirk angesichts von Umzugsplänen nach Harburg oder Stapelfeld. Doch im Dezember gibt es Entwarnung: Nach massiven Protesten der 2000 Mitarbeiter und zähen Verhandlungen des Senats und Bergedorfs neuer Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann mit dem Konzern-Vorstand heißt es: „Die Hauni bleibt in Bergedorf!“ Doch nicht nur das: Körber investiert weit über 200 Millionen Euro und baut an der A25 eine ganz neue „Fabrik der Zukunft“ in Bergedorf.

Endlich wird gebaut: Körberhaus, Bergedorfer Tor und neue Polizeiwache

Weitere Dauerbrenner, die in der ersten Hälfte der 20er-Jahre endlich erledigt werden: 2021 startet mit rund fünf Jahren Verspätung der Bau des Großprojekts „Bergedorfer Tor“ mit Büros, Arztpraxen, Geschäften und einer Seniorenwohnanlage gegenüber dem ZOB. Die Firma Glunz reißt 2022 ihr bereits 2004 geschlossenes Kaufhaus am Mohnhof ab und startet den Bau von 76 Wohnungen. Im Herbst beginnt endlich auch der 24 Millionen Euro teure Neubau der Polizeiwache. Die gut 200 Bergedorfer Beamten ziehen derweil in die umgebaute ehemalige Berufsschule an der Wentorfer Straße.

Chorfestival
Neu und sehr beliebt: der Saal des Lichtwarktheaters im Körberhaus, hier mit Christiane Canstein bei der Generalprobe des Abschluss-Abends ihres Chorsingens. © Martina Kalweit | Martina Kalweit

Auch die Tage des 1962 eingeweihten Lichtwarkhauses sind gezählt. An seiner Stelle entsteht das neue Körberhaus, das nach einigen Engpässen beim Bau schließlich mit einem Jahr Verspätung am 5. Dezember 2022 samt seinem fast 500 Plätze großen Lichtwarktheater eingeweiht wird. Damit steht Hamburgs modernste Bühne in Bergedorf. Und ganz nebenbei sitzt im Zentrum des Bezirks auch Hamburgs älteste Tageszeitung: Unsere bz zieht am 4. November 2021 nach 54 Jahren vom Gewerbegebiet Lehfeld wieder zurück in die City, sitzt bis heute am Sachsentor/Ecke Chrysanderstraße.

Lohbrügges Großprojekte in der Warteschleife, ebenso das Stuhlrohr-Quartier

Doch nicht alles ist gelungen in den jüngsten fünf Jahren seit 2020. Vor allem tut sich in Lohbrügge rund um die Fußgängerzone nichts. Weder sind die Umbaupläne für den seit Jahrzehnten zum Großparkplatz umfunktionierten Sander Markt realisiert, noch ist der alte Edeka-Markt am Ludwig-Rosenberg-Ring endlich dem vielfältigen Neubau „Markthaus Lohbrügge“ gewichten. Und selbst die Pläne für einen attraktiven Lohbrügger Bahnhofsplatz stecken im Dickicht der Politik fest.

Stuhlrohr-Quartier
Wird derzeit als provisorischer Parkplatz genutzt: Blick ins Stuhlrohr-Quartier. Auf bevorstehende Bauarbeiten deutet hier bisher nichts hin. © bgz | Ulf-Peter Busse

Auf der Stelle treten seit 2018 zudem die Pläne für das neue Stuhlrohr-Quartier, das auf dem 4,5 Hektar großen früheren Fabrikgelände gleich hinter dem CCB-Fachmarktzentrum 1000 Wohnungen, 15.000 Quadratmeter Gewerbeflächen und ein Zentrum für Unternehmensgründer mit Park am Schleusengraben schaffen soll. Ferner fehlen Umsetzungspläne zu der Jahrzehnte alten Idee einer Reaktivierung der Eisenbahnstrecke nach Geesthacht oder zur Nachnutzung des Lohbrügger Hochschulkomplexes, wenn die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) ihren Campus Bergedorf tatsächlich irgendwann in der 2030er-Jahren in den neuen Stadtteil Oberbillwerder verlegt wird.

Zukunftsstadtteil Oberbillwerder: Viel politischer Sand im Getriebe der Planung

Auch beim Zukunftsstadtteil steckt viel Sand im Realisierungsgetriebe. Obwohl die Planungen für das 15.000-Einwohner-Quartier nördlich vom S-Bahnhalt Allermöhe abgeschlossen sind, fehlt noch der finale Beschluss der Bezirksversammlung. Doch den soll es nun gar nicht mehr geben: Am 15. Oktober hat der rot-grüne Senat die Planungen an sich gezogen. Weil absehbar war, dass Bergedorfs Politik mit ihren neuen Mehrheitsverhältnissen nach der Bezirkswahl vom Juni 2024 das Projekt ablehnen wird, haben Hamburgs SPD und Grüne die Notbremse gezogen. Das wäre zwar auch nach einem negativen Bergedorfer Votum möglich gewesen, aber so behält Hamburgs künftig 105. Stadtteil im finalen Genehmigungsverfahren des Bebauungsplans seine weiße Weste.

Vorerst noch Wiesen so weit das Auge reicht: Blick von Neuallermöhe-West über den S-Bahnhalt Allermöhe ins künftige Oberbillwerder.
Vorerst noch Wiesen so weit das Auge reicht: Blick von Neuallermöhe-West über den S-Bahnhalt Allermöhe ins künftige Oberbillwerder. © Johannes Arlt | Johannes Arlt

Nun ist es an der CDU zu zeigen, ob sie Oberbillwerder dennoch, wie angekündigt, zum Wahlkampfthema für die neue Bürgerschaft macht. Sie hatte erklärt, im Falle eines Wahlsiegs am 2. März 2025 den Zukunftsstadtteil auf den Wiesen nördlich des S-Bahnhalts Allermöhe zu stoppen. Auch eine andere Bergedorfer Frage muss dann dringend geklärt werden: Will Hamburg die Sternwarte nach zwei selbst verschuldeten, erfolglosen Anläufen erneut ins Rennen um den Titel „Weltkulturerbe“ schicken?

Viel Aufmerksamkeit für die Sternwarte, von der das Observatorium heute nur träumen kann: Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg und erklärter Fan einer Bewerbung des Ensembles als Weltkulturerbe, bei der Eröffnung des frisch restaurierten 1-Meter-Spiegelteleskops samt historischem Anbau als Besucherzentrum im April 2010.
Viel Aufmerksamkeit für die Sternwarte, von der das Observatorium heute nur träumen kann: Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg und erklärter Fan einer Bewerbung des Ensembles als Weltkulturerbe, bei der Eröffnung des frisch restaurierten 1-Meter-Spiegelteleskops samt historischem Anbau als Besucherzentrum im April 2010. © BGZ / Ulf-Peter Busse

Die Antworten versprechen einige Spannung. Im Vergleich zum Drama, das sich zum Auftakt der 20er-Jahre unseres Jahrhunderts anbahnte, wirken sie aber überschaubar: Das Corona-Virus erobert von China aus kommend schon im März 2020 Deutschland. Auch in Bergedorf folgen darauf Abstandsregeln, Maskenpflicht, tägliches Testen und infolge der Lockdowns leere Geschäfte und Restaurants. Das Bethesda Krankenhaus legt Isolierstationen an, die Bergedorfer Zeitung berichtet täglich über Infektionszahlen, schwerste Krankheitsverläufe, auch immer wieder über Todesfälle.

„Dieses Virus macht Angst. Corona hat auch das Jahr 2021 in seinen Bann gezogen“

Nach langen Monaten des Bangens gibt es endlich erste Impfstoffe, flächendeckende Impfkampagnen aber erst ab April 2021. Dennoch nimmt das Drama kein Ende, wie wir im Jahresrückblick 2021 schreiben: „Dieses Virus macht Angst. Leider hat Corona auch das Jahr 2021 wieder in seinen Bann gezogen. Begonnen haben wir mit einem Lockdown, der die Innenstädte leer fegte. Mit dem Frühling keimte dann zwar vorsichtige Hoffnung auf, die viele erstaunlich schnell zu einem Sommer der Normalität übergehen ließ. Aber dann, im Herbst, der Hammer: Erst die Delta-Welle und nun Omikron. Also alles wieder auf Null? Geht bald wirklich nichts mehr?“

Das Impfzentrum im Bethesda Krankenhaus sorgt von 2021 an zunächst allein für die Immunisierung der Bergedorfer. 
Das Impfzentrum im Bethesda Krankenhaus sorgt von 2021 an zunächst allein für die Immunisierung der Bergedorfer.  © BGDZ | Jan Schubert

Doch es ging noch weiter, quasi mit einer Nebenwirkung der Impfpflicht: Fast unbemerkt trifft sich ab Mitte 2021 eine kleine Gruppe vor der Kirche St. Petri und Pauli – „immer montags, wenn es dunkel wird“, wie die Bergedorfer Zeitung schreibt. Mit selbst gemalten Schildern wie „Gegen die Impfdiktatur“ marschieren die Menschen durch die Fußgängerzonen hinauf zum Lohbrügger Markt und wieder zurück.

Plötzlich erobern die Querdenker Bergedorf – Pastor Baldenius hält dagegen

Doch sie sollen Unterstützung bekommen aus Hamburg und wohl auch darüber hinaus. Plötzlich wirkt alles professioneller, Schilder und sogar Banner sind vorbereitet, werden der rasant wachsenden Zahl der Teilnehmer von den Organisatoren nur noch in die Hand gedrückt. Die Querdenker-Szene hat ihren Bergedorfer Ableger geboren. Sie trägt jetzt deren typische Parolen von unverfänglichen „Für Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“ bis zu „Kinderlachen statt Maskenzwang“ und verbreitet über die stets mitgeführten Lautsprecher Verschwörungstheorien, wie den angeblich von Kanzlerin Merkel geplanten Bevölkerungsaustausch.

Pastor Andreas Baldenius am 3. Januar 2022 beim Gottesdienst unter freiem Himmel vor St. Petri und Pauli gegen die wöchentlichen Märsche der Verschwörungstheoretiker durch Bergedorf. Das Motto: „Die Querdenker umarmen“
Pastor Andreas Baldenius am 3. Januar 2022 beim Gottesdienst unter freiem Himmel vor St. Petri und Pauli gegen die wöchentlichen Märsche der Verschwörungstheoretiker durch Bergedorf. Das Motto: „Die Querdenker umarmen“ © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Zu Weihnachten 2021 setzt Pastor Andreas Baldenius ein Zeichen gegen die Demonstranten: Er verbannt die Impfgegner vom Kirchenvorplatz, der seiner Gemeinde St. Petri und Pauli gehört. Und der Pastor ergreift ihr Mikrofon, um sie aufzurufen, besser der Wissenschaft zu vertrauen als rechten Demagogen. Die Folge ist ein tagelanger Shitstorm auf den Sozialen Medien. Doch Baldenius gibt nicht klein bei: Für den ersten Montag im Jahr 2022 organisiert er einen Gottesdienst vor seiner Kirche. Motto: „Die Querdenker umarmen“. Mitfeiern wollten die rund 100 Demonstranten allerdings nicht. „Dafür kamen gut 250 Bergedorfer zum Freiluftgottesdienst“, um dem Pastor den Rücken zu stärken, berichtet die bz: „Querdenker treffen auf viel Gegenwind“.

Bis zu 800 Querdenker marschieren jeden Sonnabend durch Bergedorf

Doch die Verschwörungstheoretiker werden im Frühjahr 2022 auch in Bergedorf immer dominanter: „Mit bis zu 800 Teilnehmern ziehen sie lautstark durch die City“, berichtet die bz von den jetzt auf Sonnabendnachmittag verlegten Märschen. „Warnungen des Verfassungsschutzes, jeder Teilnehmer marschiere Seite an Seite mit Verfassungsfeinden, werden beiseite gewischt.“ Es gibt Gegendemonstrationen von Grünen, Jusos, Linken und dem „Omas gegen rechts“. Hunderte Polizisten müssen aufmarschieren, Bergedorf wird über Wochen jeden Sonnabend zum Hexenkessel, der von den Lockdowns gebeutelte Einzelhandel fürchtet um seine Existenz.

Die „Omas gegen rechts“ vor dem Block House in der Bergedorfer City bei einer ihre Demonstrationen gegen die Märsche der Querdenker.
Die „Omas gegen rechts“ vor dem Block House in der Bergedorfer City bei einer ihre Demonstrationen gegen die Märsche der Querdenker. © BGDZ | Jan Schubert

Das Ende kommt mit dem Abflauen der Corona-Infektionszahlen – „und zeigt am 2. April 2022 das wahre Gesicht der Bewegung“, schreibt die Bergedorfer Zeitung: „Als Hauptredner führt ein Russe namens ‚Eugen‘ die jetzt nur noch 150 Teilnehmer lautstark an. Über die mitgeführte Lautsprecheranlage bezeichnet er Deutschlands Impfpolitik als Faschismus.“ Dem wolle er mit seinen Kindern jetzt entfliehen und in seine sibirische Heimat zurückkehren. Danach werden alle Querdenker-Märsche in Bergedorf abgesagt.

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Im Rückblick ist es beeindruckend, wie engagiert die Bergedorfer gegen die Invasion der Verschwörungstheoretiker auf die Straße gegangen sind. Und mit wie viel Herz sie seit Sommer 2022 nun schon die Ukraine-Flüchtlinge nach dem russischen Überfall auf ihr Land aufnehmen. Es zeigt, wie groß die Bereitschaft ist, sich hier vor der Haustür für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte persönlich einzusetzen. Trotz gern geäußerter, vielleicht typisch Bergedorfer Nörgelei an hiesigen Defiziten, wie der zu langsamen Entwicklung der City, schlechten Straßen oder Bummel-Behörden: In der ersten Hälfte der 20er-Jahre ist in Bergedorf von Politik, Wirtschaft, Bürgern und Bezirksamt überraschend viel gemeinsam bewegt worden.

Serie 150 Jahre bz: Abschluss mit einem weiten Blick in die Zukunft

Zukunftsangst scheint in Bergedorf derzeit kein Thema zu sein, zumindest nicht für das Miteinander hier im Bezirk. Mal sehen, wie das nach den Wahlen im März für Hamburg sein wird und welche Folgen das aktuelle Scheiterten der Ampel in Berlin haben wird. Vielleicht noch wichtiger: Was wird auf der ganzen Welt geschehen, sollten die USA nach ihrer Wahl vom 5. November 2024 dank von den Extremisten um Donald Trump ins Chaos gestürzt werden?

Kleiner Vorteil für die Bergedorfer: Zumindest vor ihrer Haustür läuft derzeit vieles rund, trotz aller Krisen. Eine Chance für den Bezirk, die wir nächste Woche zum Finale unserer Serie zu 150 Jahren Bergedorfer Zeitung beleuchten wollen: Mit Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und dem renommierten Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Straubhaar schauen wir in Bergedorfs Zukunft bis 2050.