Nicht nur der Kiez, sondern auch Viertel wie Eimsbüttel gehören zu den zehn am stärksten belasteten Quartieren. SPD fordert Ausweitung des Alkoholverbots.
Es ging nur um eine Cola-Flasche. Bei einem Streit darüber, wem sie gehört, prügelten Jugendliche im vergangenen August vor der Disco Patenbrigade an der Nordkanalstraße (Hammerbrook) aufeinander ein. Der 18 Jahre alte Sülejman S. erlitt mehrere Faustschläge auf den Kopf. Wenige Minuten später war er tot - gestorben an Herzversagen. Die Polizei nahm den mutmaßlichen Schläger, einen 17-Jährigen, fest. Es ist nur einer von mehr als 2400 jetzt veröffentlichten Fällen von Gewaltkriminalität bei Jugendlichen im Jahr 2007. Und die Tendenz zeigt nach oben.
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Noch vor fünf Jahren zählte die Polizei 2287 Fälle von Gewaltkriminalität von unter 21-Jährigen. Für das vergangene Jahr liegen bislang nur Zahlen von Januar bis September vor. Da waren es allerdings schon 2426. Nicht mitgezählt ist etwa der brutale Überfall auf den 19-jährigen Sohn von Nord-Bezirkschef Mathias Frommann. Dieser Fall hatte im November wochenlang für Schlagzeilen gesorgt. Es ist zu erwarten, dass es im ganzen Jahr 2007 erstmals mehr als 3000 Jugendgewalttaten gab.
Auch der Anteil dieser Altersgruppe an allen Tatverdächtigen bei der Gewaltkriminalität hat sich erhöht. 2002 lag er bei 40,4 Prozent, 2007 schon bei 43,3 Prozent. Diese Zahlen gehen aus einer Senatsantwort auf eine Große Anfrage von SPD-Innenexperte Andreas Dressel hervor.
Erneut ist untersucht worden, wie stark die Stadtteile von Jugendgewaltkriminalität betroffen sind. Zur Gewaltkriminalität gehören unter anderem Geiselnahme, erpresserischer Menschenraub, Vergewaltigung, gefährliche und schwere Körperverletzung, Raub sowie Mord und Totschlag. Heraus kommt, dass St. Pauli mit 271 Tatverdächtigen unter 21 Jahren am meisten zu kämpfen hat. Ihr Anteil an allen Tatverdächtigen dieser Delikte liegt bei 32,2 Prozent.
Überraschend taucht Eimsbüttel bei den zehn am meisten belasteten Stadtteilen auf. Und auch der Anteil der unter 21-Jährigen differiert stark. So liegt er in St. Georg bei 20 Prozent, in Lurup bei 67,7 Prozent. Überdurchschnittlich sind auch Rahlstedt (59,8 Prozent), Wilhelmsburg (53,4 Prozent) und Harburg (50,6 Prozent).
"Die Statistik zeigt, dass die weiter steigende Jugendgewalt nicht nur ein Kiez-Problem ist. Sie hat sich über weite Teile der Stadt ausgebreitet", so Dressel. "Sie belegt, dass es kurzsichtig ist, gegen Waffen und Alkohol nur auf dem Kiez und dem Hansaplatz konsequenter vorzugehen." Neben einer "Entwaffnungsstrategie" für die ganze Stadt fordert Dressel, den offenen Straßenverkauf von Alkohol abends und nachts in Hamburg einzudämmen. "Schließlich werden 40 Prozent aller Straßengewalttaten unter Alkoholeinfluss begangen."
Innensenator Udo Nagel (parteilos) hält diesen Vorstoß für "unsinnig". "Das ist rechtlich gar nicht machbar. Und das sollte Herr Dressel als Jurist auch wissen." Auch die Kritik, nicht wirkungsvoll genug gegen Jugendgewalt vorzugehen, weist er zurück. "Die Hamburger Polizei ist sehr aktiv bei der Bekämpfung. Wir haben speziell ausgebildete Polizisten, Präventionsbeamte, Jugendbeauftragte, Jugendschutztrupps und Jugendsachbearbeiter bei der Kripo." Zudem habe der Senat mit dem Neun-Säulen-Konzept eine gute Grundlage gelegt, verhaltensauffälligen Jugendlichen zu helfen und kriminelle Karrieren zu beenden.
Auch CDU-Jugendexperte Klaus-Peter Hesse wehrt sich gegen die Kritik: "Das sind populistische und völlig unrealistische Forderungen im Wahlkampf. Hamburg ist bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität im Städtevergleich führend und hat sich im Bundesdurchschnitt gut entwickelt." Er betont, dass gerade Hamburg mit dem Waffenverbot auf dem Kiez und dem Hansaplatz als erste Stadt in Deutschland konsequent gehandelt habe.
GAL-Innenexpertin Antje Möller bemängelt indes, dass es ein Defizit bei der Prävention gebe. Auch sie fordert ein Waffenverbot für die ganze Stadt. "In Hamburg braucht niemand Waffen. Das muss man in den Schulen sagen, anstatt Schilder aufzustellen", so Möller. "Und im Übrigen war es die CDU, die die Straßensozialarbeit auf dem Kiez eingestellt hat."