37 Messer, zwei Totschläger, ein Schlagring und zwei Sprühgeräte mit Reizgas wurden sichergestellt. Eine Reportage aus der Nacht.
Schwere Schranken aus Metall blockieren die Aufgänge der S-Bahn-Station Reeperbahn, allein am Ausgang Hans-Albers-Platz/Reeperbahn stehen rund 20 Bundesbeamte mit Schlagstöcken und Metalldetektoren leiten etwa ein Drittel der Menschen direkt in den abgetrennten Bereich. Hunderte Besucher drängen sich auf den Rolltreppen. Viele halten eine Flasche in der Hand mit Bier, Alkopops oder einem Liter Wodka pur. "He, was soll das?", rufen die Jugendlichen, und: "Ey, Alter, fass mich nicht an!" Die Beamten umstellen jeden Einzelnen, fordern sie auf, ihre Taschen zu leeren und ihre Jacken abzulegen, sie werden abgetastet und mit einem Metalldetektor untersucht. Die Polizei suchte nach Waffen: Seit dem vergangenen Wochenende gilt erstmals das Waffenverbot rund um die Reeperbahn. 300 Beamte überwachten den Kiez - das Abendblatt war dabei.
In der Nacht zum Sonnabend patrouillierten 210 Landesbeamte zwischen Simon-von-Utrecht-Straße und Erichstraße sowie zwischen Zirkusweg und der Großen Freiheit. 60 Bundespolizisten und 30 Sicherheitskräfte der Hochbahn kontrollierten die Bahnausgänge. Die Ausbeute: mehr als 40 Waffen. Die Beamten stellten zwei Totschläger, einen Schlagring, zwei Sprühgeräte mit Reizstoff sowie 37 Messer sicher. Sogar ein Küchenmesser war dabei. "Das Führen von Waffen kann teuer werden", sagte Polizeisprecher Ralf Meyer, "von 200 Euro beim ersten Mal bis hin zu 10 000 Euro für Leute, die mehrmals Kampfgeräte bei sich tragen."
Zu den verbotenen Waffen gehören neben Schuss-, Stoß- und Stichwaffen auch Messer aller Art sowie gewisse Sprays, Elektroschockgeräte und Armbrüste, ebenso Knüppel, Baseballschläger und Handschuhe mit Füllungen wie etwa Bleistaub oder Eisengranulat.
Obwohl seit Donnerstag vergangener Woche 50 Schilder auf das Waffenverbot hinweisen, waren viele Kiezbesucher von den Kontrollen überrascht. "Wir sind öfter hier unterwegs", sagten Jan Schunke (36) und Ursula Edenhofner (53). "Die Schilder haben wir noch gar nicht gesehen. Doch wer etwas vorhat, lässt sich durch Kontrollen auch nicht davon abbringen." Polizeisprecher Meyer hingegen sagte, Gewalt und Waffen sollten bewusst stigmatisiert werden. Die hohen Strafen würden aggressionsbereite Menschen abschrecken. "Es wird Zeit, dass etwas passiert", so Jürgen Wenzel, seit elf Jahren Koberer beim Table Dance "Blue Night". Wenzel: "Das ist hier ein richtiger Boxring geworden, ab drei Uhr morgens geht es rund, dann heulen die Sirenen, und die Kids hauen sich gegenseitig die Birne ein. Die vergraulen mir die Kundschaft. Und in meinen Laden kommt doch sowieso keiner von denen." Ab ein Uhr nachts sind kaum noch Besucher über dreißig auf der Meile zu sehen. Die Polizisten auf den Straßen kontrollieren zu dieser Uhrzeit mehr als zuvor. Vor allem junge Männer mit Schiebermützen und Goldketten, die in Gruppen unterwegs sind, scheinen verdächtig. Auch wer den Kopf gesenkt hält und sein Gesicht versteckt, wird angehalten. An fast jeder Ecke steht ein Mannschaftswagen, die Beamten wärmen sich auf. An zwei Stellen auf der Reeperbahn ziehen die Polizisten Autos aus dem Verkehr und überprüfen die Fahrer. Etwa 80 000 Menschen besuchten am Wochenende den Kiez. Die Beamten kontrollierten insgesamt 4000 Menschen, 21 davon nahmen sie fest, 18 in Gewahrsam. Es gab 129 Platzverweise. 65 Strafverfahren wegen Raub- und Körperverletzungen sowie anderer Delikte wurden eingeleitet.
Zu den verschärften Kontrollen und dem neuen Waffengesetz war es gekommen, weil es in jüngster Zeit immer wieder Messerstechereien unter Jugendlichen und Attacken mit abgebrochenen Flaschen gegeben hatte. Dank des 2005 geänderten Polizeigesetzes dürfen Beamte nun auch ohne einen besonderen Verdacht kontrollieren. Außer auf der Reeperbahn gilt auch auf dem Hansaplatz in St. Georg das Waffenverbot.