Nach ihrer Großen Anfrage fordert die SPD die Koalition auf, das Sicherheitskonzept für den Kiez neu zu überdenken. Ahlhaus widerspricht.

Seit zwei Jahren erfassen Videokameras auf der Reeperbahn und dem oft zum Bersten gefüllten Hans-Albers-Platz rund um die Uhr, was sich auf der Amüsiermeile tut: Sie filmen friedlich Feiernde, Betrunkene und immer wieder Gewalttäter. Dass die sich durch die Kameras, die ihre Bilder direkt ins Polizeipräsidium übertragen, nicht abschrecken lassen, legen Zahlen nahe, die der Senat nach einer Großen Anfrage der SPD veröffentlicht hat - und die dem Abendblatt vorliegen.

Auch zwei Jahre nach ihrer Installation haben die Video-Augen der Polizei - und die Menschen dahinter - nicht für eine Reduzierung der Straftaten auf der sündigsten und mit großem Abstand gefährlichsten Meile der Hansestadt sorgen können. Der Innensenator führt ins Feld, dass die Zahl der Besucher und ihre Eigenarten sich massiv gewandelt hätten, und stellt die Frage, ob die Kriminalitätsquote ohne die Kameras, die Bestandteil eines raumgreifenden Gesamtkonzeptes seien, nicht noch viel höher wäre (siehe Interview). Die SPD fordert die Koalition auf, das Sicherheitskonzept für den Kiez neu zu überdenken.

Insgesamt 1008 Straftaten wurden im Bereich der Videoüberwachung zwischen dem 1. April 2007 und dem 31. März 2008 registriert. Ein Großteil davon: Körperverletzungsdelikte, aber auch Drogengeschäfte. Im vorangegangenen Zwölf-Monats-Zeitraum waren es 979 Delikte, davor, zum Start der Video-überwachung, 856 Delikte. Im Umfeld der Videoüberwachung, also in den Kiez-Nebenstraßen, ist die Kriminalitätsbelastung leicht gesunken. 612 Taten waren es im Referenzzeitraum, nach 657 in den vorangegangenen zwölf Monaten.

Erstaunlich: Die Zahl der durch die Videoüberwachung auf der Reeperbahn ausgelösten Einsätze hat sich im zweiten Jahr des Bestehens dieser technischen Fahndungshilfe massiv verringert. Während die Beamten im Präsidium im ersten Jahr 271-mal die Kollegen der Davidwache alarmierten, taten sie dies im zweiten Jahr nur noch 162-mal. SPD-Innenexperte Andreas Dressel: "Hier gerät die Innenbehörde in Erklärungsnot. Das alles ist kein Ruhmesblatt auch für den neuen Senator, der sich noch als Staatsrat in die Maßnahmen selbst eingeschaltet hat. Die Ergebnisse beweisen, dass Kameras Polizisten nicht ersetzen können."

Die Gesamtzahl der Straftaten im Stadtteil St. Pauli hat sich im ersten Quartal des laufenden Jahres um sieben Prozent verringert. Die Zahlen in den Deliktsbereichen Körperverletzung und Gewalt sind erneut gestiegen. Dressel sieht den Senat in der Pflicht: "Die sichtbare Präsenz muss gehalten und in einzelnen Nächten ausgebaut werden. Das Agieren gegen Alkoholmissbrauch reicht ebenfalls noch nicht aus. Das Sicherheitskonzept für den Kiez muss auf den Prüfstand. Diese Zahlen dürfen nicht einfach hingenommen werden." Reinhard Fallak, Leiter der Präsidialabteilung der Innenbehörde, betont, dass Videoüberwachung und Messerverbot Teile eines Gesamtkonzepts seien: "Unser Handeln beschränkt sich nicht auf diese Teilaspekte. Wir tun viel mehr, haben z. B. zusammen mit der zuständigen Behörde für eine bessere Ausleuchtung dunkler Ecken gesorgt, setzen jetzt gemeinsam mit den Gastronomen einen freiwilligen Flaschenverzicht um. Und: Seitdem das Problem der Gewalt auf dem Kiez größer wird, schauen wir genauer hin. Da ist es zwangsläufig, dass auch mehr Taten bekannt werden - und die Fallzahlen steigen."