Ich betrete das Zimmer meiner Oma und weiß schon jetzt, was auf mich zukommt. Es ist wie bei jedem Besuch. Die gleichen Fragen, die gleichen Geschichten: Meine Oma lebt nur noch in der Vergangenheit. Sie ist dement. Es gibt keine Möglichkeiten, diese Krankheit zu überwinden. Wenn sie kommt, dann bleibt sie. Das Einzige, was man tun kann, sind Therapien, damit sich der Zustand nicht schneller verschlechtert.

Für die Angehörigen ist jeder Besuch schwer, denn man sieht, wie ein Mensch, den man liebt, in einer anderen Welt als der unseren lebt. Demenzkranke durchleben ihre Vergangenheit noch einmal und denken, das sei die Realität. Den Sprung zurück in die Gegenwart werden sie nicht mehr schaffen. Als Angehöriger weiß man nicht, wie man darauf reagieren soll. Soll man in der Scheinwelt mitspielen? Oder macht das die ganze Situation noch schlimmer? Meine Oma begrüßt mich wie immer und fragt, wie es mir gehe. Sie stellt ihre Fragen immer in der gleichen Reihenfolge, es gibt keine Abwechselung mehr. Die interessanten Gespräche und die lustigen Geschichten, die sie mir früher immer erzählte, sind vorbei.

Der ganze Prozess schleicht so langsam dahin, dass Angehörige es oft erst wahrnehmen, wenn die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten ist. Die betroffenen Personen verhalten sich anfangs ganz normal. Doch häufige Anzeichen der Demenz sind ein beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis, ein gestörtes Urteilsvermögen, Wortfindungsstörungen, Probleme bei alltäglichen Tätigkeiten, Depressionen, Reizbarkeit und Umkehrung des Tag-Nacht-Rhythmuses.

Meine Oma ist zwar dement, aber sie ist doch meine Oma. Und auch wenn mir jeder Besuch schwerfällt, wenn ich sie in diesem Zustand sehe, denke ich an die schöne Zeit zurück, die wir miteinander verbracht haben, wenn wir Weihnachten vor dem Tannenbaum saßen und Kekse gegessen haben, sie mir Weihnachtsgeschichten erzählt hat und wir gemeinsam auf die Bescherung gewartet haben.

Aber auch jetzt noch verstehen wir uns gut, und das Wichtigste, die Liebe, bleibt. Man darf sich nicht von der massiven Veränderung der Person abschrecken lassen. Man sollte immer an die schönen Momente zurückdenken und sich die Zuneigung erhalten, so schwer es auch fallen mag. Ich glaube und hoffe, dass die Liebe für den kranken Menschen spürbar bleibt.

Lena Lübker, Sachenka Sprado, 10b Gym. Kaiser-Friedrich-Ufer