Den Vorwurf, er habe in der Affäre um den Millionenbonus gelogen, weist Michael Freytag zurück. Doch es bleibt der schlechte Eindruck.
Finanzsenator Michael Freytag (CDU) ist eigentlich kein Politiker, der seine Gefühle öffentlich zeigt. Derzeit muss der Christdemokrat besonders häufig den Frust, den ihm sein Beruf bereitet, mit sich im stillen Kämmerlein abmachen. Stinksauer war Freytag zum Beispiel am Wochenende: Er war es, der - wieder einmal - öffentlich die Prügel dafür bezog, dass HSH-Nordbank-Vorstandschef Jens Nonnenmacher Sonderzahlungen in Höhe von 2,9 Millionen Euro kassieren soll.
Freytag musste sich sogar den Vorwurf einer "dreisten Lüge" anhören, weil er im Haushaltsausschuss die Sonderzahlung verschwiegen hatte, als es um die Begrenzung von Nonnenmachers Gehalt auf 500 000 Euro ging. Der Christdemokrat empfindet solche Vorhaltungen als tiefes Unrecht. Und im Gegensatz zu früher zeigt er das inzwischen mitunter auch. "Ich fühle mich als Prügelknabe", sagte er schon im März im Abendblatt-Interview.
Ungerecht ist jedenfalls der Vorwurf, Freytag habe die Sonderzahlungen Nonnenmachers geheim halten wollen. Das Gegenteil ist der Fall: Zusammen mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte der Finanzsenator bei der Bank darauf gedrängt, die pikanten Details des Arbeitvertrags mit dem HSH-Chef wegen des hohen Erregungspotenzials von sich aus publik zu machen. Wie unter Bankern üblich bestand dazu keine Neigung. Letztlich setzten sich die Politiker über die Banker hinweg, wobei eine schriftliche Anfrage der SPD zu den Vorstandsvergütungen, die der Senat diese Woche ohnehin beantworten muss, die Entscheidung noch beeinflusst haben dürfte. In jedem Fall gilt: Der schlechte Eindruck blieb.
Diese Erfahrung hat Freytag in den zurückliegenden Monaten häufig gemacht: Was er will, ist das eine. Was passiert, ist nur leider zu oft das Gegenteil.
Es kommt hinzu, dass er mit seinen öffentlichen Äußerungen gern einmal danebenliegt. Dass er die HSH Nordbank noch im Herbst als "im Kern gesund" bezeichnete, wird ihm sogar innerparteilich als Schönreden angelastet. Und für den Satz "Es macht keinen Sinn, den Feuerwehrmann bei der Arbeit zu erschießen" als Replik auf sein HSH-Krisenmanagement erntete er im November nur Kopfschütteln. Die Heckenschützen waren da noch gar nicht in Position, es gab nicht mal eine Rücktrittsforderung. Die ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Als der Finanzsenator im Februar vor Haushaltspolitikern aus Hamburg und Kiel tönte, heute komme "alles auf den Tisch", aber die geplante 200-Millionen-Ausschüttung an stille Einleger nicht erwähnte, waren selbst Parteifreunde sprachlos.
Freytag muss erleben, wie erbarmungslos das Gesetz der negativen Serie zuschlagen kann. Ob Bonuszahlungen für Manager, die Motoryacht, die Gemäldesammlung oder Kredite an Aufsichtsräte - jedes Mal, wenn der Name HSH fällt, setzt es Prügel für den Finanzsenator, und jedes Mal betont dieser, er sei doch nur eines von 20 Aufsichtsratsmitgliedern der Bank. Dass er sich nun als Kontrolleur zurückgezogen hat, ist auch ein Stück weit Selbstschutz.
Rückblende: 2001, als die christdemokratische Zeitenwende mit der Wahl Ole von Beusts zum Ersten Bürgermeister eingeläutet wurde, war Freytag Hoffnungsträger. Und er verdiente sich als Fraktionschef in der komplizierten Dreier-Koalition mit Schill-Partei und FDP durchaus Meriten. Die etwas dröge norddeutsche, aber sehr sachliche Art machte Freytag zum stabilisierenden Faktor in einem bisweilen stark irrlichternden Umfeld. Der nächste Karriereschritt war der Wechsel in den Senat: Der Job als Stadtentwicklungssenator war eine Zwischenstufe. Nachdem Wolfgang Peiner, lange Zeit der Spiritus Rector der Hamburger Union und Ratgeber von Beusts, Ende 2006 überraschend seinen Hut als Finanzsenator genommen hatte, galt Freytag als idealer Nachfolger. Der Jurist ist zugleich Bankkaufmann und damit vom Fach.
Der neue Hausherr der Finanzbehörde hat immer darauf geachtet, seine Partei-Karriere auszubauen. An Freytag lief in der CDU schon länger kaum ein Weg vorbei. Als er im September 2007 als Nachfolger von Dirk Fischer zum Landeschef der CDU gewählt wurde, hatte er den Gipfelpunkt erreicht: Aus dem Hoffnungsträger war der Kronprinz geworden: Es war in der CDU völlig unumstritten, dass Freytag dereinst den beliebten Bürgermeister "beerben" würde.
Fast zwei Jahre später sieht alles anders aus. In der Börsensprache: Freytags Kurswert ist dramatisch gefallen. Die Krise der HSH Nordbank, in der der Finanzsenator mittendrin steckt, ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Grund. Freytag hat es als Finanzsenator nicht geschafft, sich ein vergleichbares Renommee aufzubauen wie Peiner. Es ist einfach nicht gut für den Herrn über die Kassen der Stadt, wenn der Eindruck entsteht, der Senat könne mit Geld nicht richtig umgehen. Bei der Elbphilharmonie und der U-Bahn in die HafenCity sind die Kosten explodiert, die Haushaltssanierung ist vorerst gescheitert, und die Kritik des Rechnungshofes an der Finanzierung etlicher Großprojekte ist unüberhörbar.
Entscheidend ist die Erosion von Freytags Macht in der Partei. Viele CDU-Mitglieder haben es dem Vorsitzenden übel genommen, dass er nach dem Koalitionsschluss mit der GAL nicht oder nicht genug auf die "Befindlichkeiten" der Partei Rücksicht genommen hat. Das gilt vor allem für das schwierige Thema Schulreform. Viele CDUler hatten den Eindruck, dass es Freytag darum ging, die Kritik möglichst abzuwürgen oder unter dem Deckel zu halten. Wenn heute in der Union über die Nachfolge Ole von Beusts diskutiert wird, dann fällt Freytags Name kaum noch.