Unruhe an der Parteibasis. Erste Mitglieder fordern Neuwahlen, andere wollen die Fortsetzung der Koalition. Entscheidung am 22. August
Es war eine hitzige Debatte, obwohl der Saal der Feien Akademie der Künste am Hauptbahnhof angenehm kühl klimatisiert war. Dort hatte die Hamburger GAL-Führung gestern Abend nach Bürgermeister-Rücktritt und gleichzeitigem Scheitern des schwarz-grünen Senats bei seinem Schulreform-Projekt zu einem sogenannten Mitgliederabend eingeladen. Traditionell eine Gelegenheit, um ohne Medienbeobachtung und ohne Beschluss die Meinung zu sagen.
Und davon machten gestern gut 250 GAL-Mitglieder trotz des schönen Sommerabends auch Gebrauch, nachdem sich vor Fernsehkameras und Reportern die Türen geschlossen hatten. Ein "Weiter so" könne es jetzt angesichts des Doppel-Desasters nicht geben, forderten manche. Andere mahnten zu Besonnenheit, ein verlorener Volksentscheid sei kein Grund, die "Brocken hinzuschmeißen", wie ein Teilnehmer sagte. Noch, so scheint es, tobt eine heftige Debatte in der Hamburger GAL, ob es auch mit einem Bürgermeister Christoph Ahlhaus eine Fortsetzung der schwarz-grünen Zusammenarbeit geben wird. Vielen in der grünen Partei gilt der jetzige Innensenator als weit weniger liberal als Ole von Beust, der wichtigster Architekt dieser CDU/GAL-Koalition war. Am 22. August dürfte Klarheit herrschen: Dann ist eine offizielle Mitgliederversammlung der GAL geplant, die aller Voraussicht nach über die Zukunft der schwarz-grünen Koalition und damit ihrer GAL-Senatoren entscheiden wird.
Für den Altonaer GAL-Bezirksabgeordneten Lars Andersen muss dabei ein Votum für Neuwahlen herauskommen. "Mit der Schulreform ist jetzt ein zentrales Projekt der Koalition gescheitert, Neuwahlen wären die sauberste Lösung", sagt er.
Eine Forderung, mit der er sicher nicht allein stehen werde, vermutet Andersen, der sich schon mehrfach kritisch über die schwarz-grüne Koalition geäußert hatte. "Es gibt da viel Frust an der Basis, zum Beispiel wegen der Entscheidung zu Moorburg", sagt er. Fraglich sei auch, ob es mit einem Bürgermeister Ahlhaus eine Zusammenarbeit geben könnte. "Der wird nun die konservative Klientel der CDU einfangen - und das wird mit uns nicht passen." Ähnlich äußert sich auch Sven Kuhfuß, Vize-Fraktionschef der GAL in der Bezirksversammlung Altona. "Ich tendiere auch zu Neuwahlen", sagt er. Der Rücktritt von Ole von Beust habe die Lage deutlich verändert.
Auch in Eimsbüttel wird die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition kritisch gesehen: Roland Seidlitz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Eimsbütteler GAL, sieht das Fortbestehen des schwarz-grünen Bündnisses skeptisch. "Ich wage es zu bezweifeln, dass die Koalition ohne die Person Ole von Beust weiter Bestand hat", sagt er. "Von Beust hatte eine liberale Haltung in der Koalition. Das hat Christoph Ahlhaus nicht drauf. Der ist anders gestrickt." Ähnlich ist die Einschätzung im Bezirk Harburg. Dort hat der GAL-Politiker Ronald Preuß selbst eine schwarz-grüne Koalition in der Bezirksversammlung eingefädelt. Doch die aktuellen Ereignisse machten auf Länderebene möglicherweise eine Neubewertung erforderlich. Preuß: "Man muss das jetzt in Ruhe bewerten - aber, dass es ein einfaches ,Weiter so' geben wird, das sehe ich nicht."
Allerdings gibt es auch Stimmen in der GAL, die Neuwahlen ablehnen oder zumindest Beratungsbedarf sehen. "Ich kann verstehen, dass viele Kollegen aus dem Bauchgefühl heraus für Neuwahlen plädieren", sagt der Blankeneser GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Gwosdz. "Aber wir müssen die Situation zunächst intern und mit dem Koalitionspartner bereden."
Martin Bill, GAL-Geschäftsführer und Vize-Vorsitzender der Bezirksversammlung im Bezirk Nord, ist sogar durchaus bereit für eine Fortsetzung der Koalition: "Ole von Beust war in der Koalition der vermittelnde Part, er hat diese Koalition geschmiedet." Dennoch glaube er nicht, dass nun die Koalition auseinanderbricht. "Neuwahlen sind immer das letzte Mittel", sagt er.
Im Bezirk Nord habe man zudem bereits gut mit dem designierten Bürgermeister Christoph Ahlhaus zusammengearbeitet. "Wir haben hier im Bezirk einen Koalitionsvertrag mit ihm ausgearbeitet. Senator Ahlhaus war immer ein angenehmer Partner." Dennoch hänge nun alles davon ab, wie sich Ahlhaus positioniere. Auch im Bezirk Mitte werden Neuwahlen eher kritisch gesehen: Sören Janssen, Vorsitzender des Kreisverbandes Mitte der GAL: "Neuwahlen sind noch kein Thema. Man muss das erst in Ruhe angehen und gucken, ob der neue Bürgermeister zum Koalitionsvertrag steht."
So sieht es auch der grüne Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin: "Wir dürfen nichts überstürzen, sondern müssen uns erst mal orientieren." Farid Müller, GAL-Bürgerschaftsabgeordneter für Mitte, ist ebenfalls gegen Neuwahlen - auch, weil die Aussicht auf andere Koalitionen nicht erstrebenswert erscheint. "Ich bin noch geschockt", sagt Müller zu den Ereignissen.
Am Ende, es war kurz vor Mitternacht, entschied sich die Partei- und Fraktionsspitze, in den nächsten Tagen ihren weiteren Regierungskurs mit der CDU auszuloten. Die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank: "Wir nehmen die Stimmen sehr ernst, die sich kritisch zu Ahlhaus geäußert haben." Er sei bisher eher als "Hardliner" denn als liberaler Politiker wahrgenommen worden. Daher seien Skepsis und Vorbehalte laut geworden. Fegebank bekräftigte, dass die GAL von Ahlhaus ein Bekenntnis zum Koalitionsvertrag einfordern werde. "Wir brauchen Verlässlichkeit."