Auf den ersten Blick sind die Hamburger Grünen die großen Verlierer des schwarzen Sonntags für die repräsentative Demokratie.
Zwar haben alle vier Bürgerschaftsfraktionen beim Volksentscheid gegen die Primarschule das Nachsehen gehabt. Aber das sechsjährige gemeinsame Lernen ist ein Projekt der Hamburger GAL, vorangetrieben von Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und zähneknirschend akzeptiert vom Koalitionspartner CDU.
Auf den zweiten Blick und strategisch gesehen ist die Lage der Grün-Alternativen nicht ganz so betrüblich. Die Grünen betonen zu Recht, dass sich die Geschäftsgrundlage des Bündnisses nach dem Abgang des Schwarz-Grün-Architekten Ole von Beust verändert hat. In der unklaren Gemengelage nach der Von-Beust-Demission gilt: Ohne die GAL geht nichts. Die Grünen sind das Zünglein an der Mehrheits-Waage. Die einzige Machtoption der CDU ist angesichts der schlechten Umfragewerte die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition, auch wenn deren Fundament augenblicklich erschüttert ist.
Die SPD hat als Opposition nur eine Chance über Neuwahlen. Parteichef Olaf Scholz argumentiert genau in diese Richtung, gewissermaßen als zweites Plebiszit: Nach der Primarschule soll das Volk nun bei einer Bürgerschaftswahl über das schwarz-grüne Bündnis entscheiden. Eine Mehrheit für die Auflösung der Bürgerschaft bekommen Scholz und die SPD aber nur mit den Linken - und eben den Grünen. Die GAL hat wenig überzeugende Gründe, Schwarz-Grün nach zwei Jahren platzen zu lassen - sieht man einmal vom tiefen Frust ab, der viele Grüne angesichts des Primarschul-Desasters gepackt hat. Es gibt kein personelles Zerwürfnis zwischen Schwarzen und Grünen. Ja, die Grünen sind verschnupft über von Beusts Abgang mit kaltem Herzen. Aber verantwortliche Landespolitik lässt sich kaum von einem Infekt abhängig machen.
Es gibt auch keine schwerwiegenden inhaltlichen Differenzen, mit denen sich ein Bruch des Bündnisses begründen ließe. Aber es gibt einen Koalitionsvertrag, auf den sich CDU und GAL 2008 verständigt haben. Laufzeit: bis Frühjahr 2012. Und: Was könnte die GAL mit der SPD mehr durchsetzen, als sie mit der CDU schon vereinbart hat?
Die Christdemokraten und vor allem der designierte Bürgermeister Christoph Ahlhaus sollten sich aber nicht zu früh freuen. Die GAL ist nach ihrer Niederlage beim Volksentscheid kein billigerer, sondern ein teurerer Koalitionspartner geworden. Die Grünen könnten auf Nachbesserungen zum Beispiel im Kita-Bereich drängen. Zur Not bleibt den Grünen immer noch, die Rote Karte zu ziehen: Neuwahlen.