Siegen. Sechs Siegener Straßen heißen seit Samstag anders. Anwohner müssen nun einiges beachten, einiges ändern – und für das ein oder andere bezahlen.

Die Umbenennungen von sechs nach fragwürdigen Persönlichkeiten benannten Straßen sind rechtskräftig. In einem auf den 4. September datierten Schreiben weist die Stadt Anwohnerinnen und Anwohner darauf hin, dass die neuen Namen seit dem 2. September gelten. „Die Hausnummer ändert sich hierdurch nicht“, heißt es weiter. „Wir möchten Sie bitten, zukünftig diese neue Adresse zu verwenden.“ Auf die Anwohnerinnen und Anwohner kommen nun in einem gewissen Umfang Kosten und Aufwand zu.

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Die Diskussionen liefen im Vorfeld über einen langen Zeitraum. Es ging um Straßen, die nach Antisemiten, Nationalsozialisten, Kriegstreibern oder – im Fall von Felix Graf Luckner – einem Kinderschänder benannt sind. Die endgültigen Entscheidungen fielen am 22. März im Rat („Graf-Luckner-Straße“ wird „Edith-Langner-Straße“) und am 23. August im Haupt- und Finanzausschuss („Bergfriederstraße“ wird „Auf dem Heuper“, „Lothar-Irle-Straße“ wird „Am Breitenbach“, „Porschestraße“ wird „Charlotte-Petersen-Straße“, „Diemstraße“ wird „Margarete-Lenz-Straße“, „Hindenburgstraße“ wird „Europastraße“). Die Anbringung der neuen Straßenschilder soll in den kommenden Wochen geschehen, die bisherigen Schilder bleiben für etwa sechs Monate parallel montiert, „damit Rettungsdienste, Paketzusteller, usw. in der Übergangsphase die Straße weiterhin auffinden können“.

Umbenannte Straßen in Siegen: Anwohner bleiben auf manchen Kosten sitzen

Zwar werden die wegen der Umbennungen erforderlichen „Änderungen von Ausweispapieren wie Personalausweisen, elektronischen Aufenthaltstiteln oder etwaigen sonstigen amtlichen Unterlagen … von der Stadt Siegen unentgeltlich bearbeitet“, wie dem Schreiben zu entnehmen ist – dafür sei lediglich ein Termin in einem der Bürgerbüros (oder gegebenenfalls bei der Ausländerbehörde) notwendig. Doch „sofern andere Behörden zuständig sind wie z.B. die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein für die Änderung von Kfz-Papieren, können Gebühren entstehen. [...] Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Stadt Siegen keine weiteren Auslagen, außer den oben beschriebenen, übernehmen kann, die im Zusammenhang mit der Straßenumbenennung entstehen.“ Die Verwaltung bittet Betroffene außerdem darum, „Ihre Krankenkasse, Versicherungen oder andere Stelle über die neue Adresse zu informieren“. Auch dafür werde keine Kosten erstattet.

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In der siebten Straße, die auf der Namens-Änderungs-Liste stand, müssen die Anwohnerinnen und Anwohner nicht weiter tätig werden. Die nach Adolf Stöcker benannte „Stöckerstraße“ wird nach Entscheidung des Rates vom 19. Oktober 2022 „umgewidmet“: Die Bezeichnung bleibt erhalten, verweist nun aber auf Helene Stöcker. Eine solche Lösung hatten auch die Bürgerinnen und Bürger aus der Graf-Luckner-Straße vorgeschlagen. Sie regten an, die Straße nicht dem von den Nazis als Kriegshelden gefeierten und wegen Kindesmissbrauchs überführten Felix Graf Luckner zu widmen, sondern seinem Urgroßvater Johann Nikolaus Graf Luckner. Erfolglos.

Siegen: Kritik an Straßennamen zur Ehrung realer Persönlichkeiten

Nicht nur in der Graf-Luckner-Straße wurde außerdem Kritik daran geäußert, Straßen überhaupt nach Personen zu benennen. Theoretisch, so die Argumentation, bestehe immer eine Gefahr, dass über Menschen irgendwann etwas bekannt werden könne, das eine solche öffentlich sichtbare Ehrung im Nachhinein unangemessen erscheinen lässt – immerhin fanden es Entscheidungsträger in der Vergangenheit auch in Ordnung, Straßen nach Lothar Irle oder Paul von Hindenburg zu benennen. Auf eine weitere Namensänderung haben die Anwohnerinnen und Anwohner nämlich keine Lust. Wobei im Falle der Graf-Luckner-Straße niemand Edith Langer etwas unterstellen möchte.

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Wer Edith Langner war, dazu schreibt die Stadt in Ihrem Brief übrigens nichts. Wer Näheres wissen will, muss selbst nachforschen: Sie war eine der ersten Frauen im Rat der Stadt Siegen, lange Jahre sozialpolitisch unter anderem in der Frauenhilfe aktiv und saß von 1966 bis 1975 für die CDU im nordrhein-westfälischen Landtag.

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