Siegen. Von wegen alt und senil: Paul von Hindenburg legitimierte Adolf Hitler als seinen Nachfolger, bekräftigt Historiker Prof. Wolfram Pyta in Siegen.

Wer einen Weg suche, einen langjährigen politischen Weggefährten besonders unanständig loszuwerden, könne sich ein gutes Beispiel an Paul von Hindenburg nehmen, rät Prof. Wolfram Pyta seinen Zuhörern beim Siegener Forum augenzwinkernd und führt sie zum 30. Mai 1932 zurück. Ein Datum, das aus Sicht des renommierten Historikers von der Universität Stuttgart zu Unrecht kaum noch im Bewusstsein der Deutschen vorhanden sei, wie er im Krönchen-Center betont.

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Damals wurde Reichskanzler Heinrich Brüning in einer nur dreieinhalbminütigen ‚Zeremonie’ von Hindenburg entlassen, der seinen Gefolgsmann – Brüning hatte kurz zuvor die entscheidende Mehrheit für die Wiederwahl des Reichspräsidenten gegen den starken Konkurrenten Hitler geschmiedet – bewusst ganz kurz vor einem nicht verschiebbaren öffentlichen Termin einbestellte. Die Anwesenden im gut gefüllten VHS-Vortragsraum lachen gedämpft. Sie bekommen den einstündigen Vortrag „Der politische Lebensweg Hindenburgs“ zu hören, der durch den unterhaltsamen, auch humorigen Stil des Referenten deutlich kürzer wirkt.

Hindenburg sei durch und durch militärisch geprägt gewesen

Vor allem ist spannend, wie der Historiker mit Bildern aufräumt, die sich über die Jahrzehnte verfestigt haben. Bei Wolfram Pyta bleibt nichts übrig von dem 1933 schon leicht senilen alten Feldmarschall, der unter dem Einfluss seiner dominanten Berater Hitler in die Reichskanzlei verhilft und mit Politik wenig an der Pickelhaube hat. Für Pyta war Hindenburg „ein Entscheider“, der stets wusste, die Deutungshoheit über wichtige Ereignisse zu behalten, und fragwürdige Sachverhalte zu vernebeln, um gut dabei auszusehen.

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Bis 1931 sei Hindenburg zur Gamsjagd in die Alpen gefahren, immer ein Mann von kräftiger Gesundheit gewesen, „bis er 1934 an Urämie erkrankte“. Ein wichtiger Hintergrund zum Verständnis der Hindenburgschen Persönlichkeit sei dessen durch und durch militärische Erziehung, betont Pyta. Mit zwölf Jahren in eine Kadettenanstalt eingetreten, habe der spätere Feldmarschall und Reichspräsidenten bis zu seiner Pensionierung 1911 mit 64 Jahren nur in einer militärischen Welt gelebt.

Wahrscheinlich wäre er danach in der Bedeutungslosigkeit versunken, hätte es nicht den Weltkrieg und die Schlacht von Tannenberg im August 1914 gegeben, ist der Historiker überzeugt. Da habe „der Zufall“ Hindenburg an die Spitze der 8. Armee gebracht, und an diesem Punkt verortet Pyta auch den ersten Hinweis auf die politischen Fähigkeiten Hindenburgs. Der übernimmt den fertigen Schlachtplan Erich Ludendorffs, erringt damit den Sieg über zwei russische Armeen in Ostpreußen, wird in der Öffentlichkeit zum Helden.

Hindenburg verdrängte selbst den Kaiser

Nicht nur Ludendorff sei hinter Hindenburg verschwunden, auch der Kaiser immer weiter zurückgetreten. Hindenburg habe Wilhelm höchstpersönlich in die Niederlande entsorgt und auch später nie ein Interesse gehabt, die Monarchie wieder herzustellen. Hindenburg, führt der Referent aus, sei ausschließlich an einem starken und einigen Deutschland interessiert gewesen. Die Rückkehr der Hohenzollern sei da nur ein potenzieller Spaltmoment gewesen, hingegen Hitler der ideale Mann für die Einigung des Volkes in schwieriger Zeit.

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Pyta verweist auf das politische Testament Hindenburgs, indem dieser Hitler praktisch als Nachfolger legitimiere. Die Entscheidung für den Kanzler Hitler durch den Reichspräsidenten sieht Pyta ganz bewusst. Was aber nicht bedeuten müsse, dass der 1934 verstorbene Hindenburg den späteren Vernichtungskrieg Hitlers gutgeheißen hätte. Pyta hat keinerlei antisemitische Tendenzen bei seinen ausgiebigen Nachforschungen finden können.

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