Siegen-Wittgenstein. Finanzexpertin Lisa Breloer weiß, worauf Frauen bei Geld achten sollten und wie sie sich vor Altersarmut schützen können. Die besten Tipps.

Frauen sind weitaus häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. „Das ist nicht nur ein Mütter-, sondern auch ein Freundinnen- und Ehefrauen-Problem“, sagt Betriebswirtin Lisa Breloer. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, bietet sie in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Siegen-Wittgenstein am Dienstag, 7. März, um 19.30 Uhr einen Online-Vortrag mit dem Thema „Frauen und Finanzen – So gelingt finanzielle Unabhängigkeit für Frauen“ an. Doch wie wird man als Frau finanziell unabhängig und wie kann man Altersarmut vorbeugen? Finanzexpertin Lisa Breloer gibt vorab ein paar Tipps.

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Gründe: Wer sich um andere kümmert, verdient weniger

Jeder dritten Frau mit einer Vollzeitarbeit in Deutschland droht auch nach 40 Arbeitsjahren eine Rente von weniger als 1000 Euro pro Monat. Laut Bundesarbeitsministerium verdienen rund 2,7 Millionen vollzeitbeschäftigte Frauen so wenig, dass ihre monatliche Rente auch bei regulärem Renteneintritt nach 40 Jahren unter 1000 Euro liegen wird. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Linken-Anfrage hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

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Dass gerade Frauen von Altersarmut betroffen sind, sei vor allem auf ein „strukturelles Problem“ zurückzuführen, erklärt Lisa Breloer. Frauen würden sich zum Beispiel meist an anderen Frauen orientieren und dabei sehen, dass ihr Geschlecht hauptsächlich die Care-Arbeit (Sorgearbeit) übernimmt: „Sie kümmern sich um die Kinder, die Familie und ihre Eltern.“ Dadurch haben sie natürlich weniger Zeit für ihren Job. Schon bei der Berufswahl schauen sie meist danach, ob der zukünftige Job mit einer Familie vereinbar ist – ein Gedanke, der bei Männern längst nicht so präsent ist. Hinzu komme, dass Frauen sich häufiger für soziale Berufe entscheiden. „Da verdient man in der Regel weniger“, so Lisa Breloer. In anderen Ländern würden Frauen stärker darin unterstützt, Berufe im MINT-Bereich zu übernehmen, wo man zumeist ein höheres Gehalt bekommt.

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Männer bauen finanziellen Vorsprung aus

In einer Partnerschaft komme dann noch hinzu, dass die Männer meist mehr als die Frauen verdienen und sich in der Regel derjenige um die Finanzen kümmere, der mehr Geld nach Hause bringt. „Viele Familien können sich auch nicht leisten, dass der, der mehr verdient, seine Arbeitszeit für die Kinderbetreuung stärker reduziert.“ Einige Frauen scheuen sich außerdem, sich mit dem Thema Finanzen und Geldanlagen konkret auseinanderzusetzen. „Wenn Frauen dann Kinder haben, kommen sie oft vom Karrierepfad ab. Sind weniger im Büro, weniger dabei.“ Sie würden daher auch bei Beförderungen weniger berücksichtigt. All das sind Gründe und Entwicklungen, warum vor allen Dingen Frauen von Altersarmut betroffen sind und meist über weniger Vermögen als Männer verfügen.

Vortrag nur für Frauen

In dem interaktiven Vortrag am internationalen Frauentag am Dienstag, 7. März, 19.30 Uhr, geht Lisa Breloer schwerpunktmäßig zum Beispiel auf die Ursachen finanzieller Abhängigkeit, die Bausteine für finanzielle Unabhängigkeit und die Folgen der Familiengründung und unbezahlter Care-Arbeit für das Einkommen sowie die Altersvorsorge von Frauen ein und erklärt, wie man Altersarmut vorbeugt.

Lisa Breloer ist Betriebswirtin und Autorin des Ratgebers „Finanzielle Unabhängigkeit für Frauen“ aus der Reihe „für dummies“. Sie hat sich auf die Finanz- und Vermögensberatung von Frauen spezialisiert und war lange Zeit im Finanzbereich von Unternehmen tätig. Mehr Infos über sie und ihre Arbeit gibt es im Netz unter www.herindependentlife.de.

Ihr Online-Vortrag richtet sich ausschließlich an Frauen. „Sie können jede Frage stellen, die ihnen unter den Nägeln brennt“, betont Lisa Breloer. Das können sie auch noch 24 Stunden nach dem Vortrag per Mail.

Weitere Informationen und Anmeldung: Martina Böttcher, . Den Einwahllink zur Veranstaltung erhalten die Teilnehmerinnen nach der Anmeldung.

Eine Scheidung, der Tod des Partners oder andere Ursachen können dann dazu führen, dass Frauen auf einmal wieder auf sich selbst gestellt sind. „Nach der Ehe wird man dann ins kalte Wasser geworfen“, erläutert die 34-jährige Betriebswirtin. Gerade weil man in Deutschland auf die „wirtschaftliche Selbstverantwortung“ setze: Das heißt, wenn zum Beispiel Kinder aus einer Ehe hervorgegangen sind, würde nach einer Scheidung zwar Kindesunterhalt gezahlt, aber nicht unbedingt Ehegattenunterhalt. Der ehemalige Ehegatte oder die ehemalige Ehegattin bekommt nur Unterhalt vom jeweiligen Partner, wenn der Ehegatte oder die Ehegattin den Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft aufbringen kann. Gerade das sei vielen Frauen nicht bewusst, so Lisa Breloer.

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Vorbeugung: Anschluss ans Berufsleben halten

„Es ist wichtig, dass sich Paare über ihre Finanzen austauschen und der eine weiß, was der andere verdient.“ Ob als Teil eines Paars oder als alleinstehende Frau, gelte es, die regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben zu kennen. So wüsste man auch, was übrig bleibt und womit man fürs Alter vorsorgen könne. „Eine Frau sollte immer einen Fuß in der Tür des Arbeitslebens behalten“, betont die Finanzexpertin. Wenn man einmal den Anschluss verliere, falle es umso schwerer, wieder einzusteigen. Gerade nach der Elternzeit würden viele Frauen an sich zweifeln. „In Zeiten des Fachkräftemangels ist der Wiedereinstieg aber nicht mehr so schwer für Frauen wie früher“, sagt Lisa Breloer. Sie könnten auch bestimmte Anforderungen (z. B. Arbeitszeit, Bezahlung, etc.) stellen und trotzdem gute Chancen haben.

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Wenn man sich einen Überblick über die Einnahmen und Ausgaben verschafft habe, gelte es auch zu überprüfen, ob man richtig versichert sei. „Da geht es immer danach, wie hoch der Schaden wäre, wenn man nicht versichert ist“, so Lisa Breloer. Eine Haftpflicht- und Berufsunfähigkeitsversicherung hält sie für die wichtigsten Versicherungen, für Paare käme eventuell noch eine Risikolebensversicherung in Frage. Lisa Breloer empfiehlt auch, sich einen „Notgroschen“ zusammenzusparen, an den man immer rankomme. „Das sind in der Regel drei bis sechs Nettogehälter.“ Dieser „Notgroschen“ sei zum Beispiel dafür gedacht, wenn plötzlich das Auto oder die Waschmaschine kaputt gehe und man für Ersatz sorgen müsse.

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Geld richtig anlegen

Wie viele Finanzexpertinnen und -experten rät sie, Geld nicht einfach irgendwo zu „parken“: „Wenn ich das Geld nur auf dem Sparbuch oder dem Bankkonto lasse, würde es die Inflation auf lange Sicht auffressen. Es wäre nur noch die Hälfte wert.“ Sie setzt stattdessen auf Aktien-ETFs. ETF steht für „Exchange Traded Funds“. „Sie bilden einen Index nach und bestehen aus Aktien“, erläutert Lisa Breloer. Einzelne Aktien hin und her zu verhandeln sei „unglaublich aufwendig“. Bei einem Aktien-ETF investiere man in einen börsengehandelten Aktienfonds. „Es sind Körbe, in denen Aktien von vielen Unternehmen sind.“ Darein investiere man Geld, dass man mindestens 10 bis 12 Jahre nicht brauche. „Der zeitliche Faktor ermöglicht eine zusätzliche Vermögenssteigerung.“

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Natürlich könne man auch in Immobilien investieren. „Da ist der Markt aber immer noch überhitzt.“ Wenn man sich darauf spezialisiere, Immobilien zu kaufen, um sie zu vermieten, sei „der Verwaltungsaufwand hoch und der Mehrwert sehr gering“. Generell könne niemand die Zukunft vorhersehen, dennoch hält sie Aktien-ETFs langfristig für eine gute Lösung, um Altersarmut vorzubeugen. „Das Depot sollte dann auf dem eigenen Namen laufen.“ Um einschätzen zu können, wie viel man investieren sollte, sei es ratsam, sich vorab Gedanken zu machen, wie hoch einmal die Rente und die Kosten in Zukunft seien werden. „Manche werden in Zukunft zum Beispiel ja auch etwas erben.“

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Wer in einer Partnerschaft oder in einer Ehe seine Finanzen zusammenführen will, dem empfiehlt Lisa Breloer ein 3-Konten-Modell: Die (Ehe-)Partner haben so jeweils ihr eigenes Konto plus noch ein weiteres für gemeinsame Kosten (z. B. Miete, Lebensmitteleinkäufe, etc.). Das ermöglicht allen Parteien selbstbestimmt und unabhängig über ihre jeweils eigenen Konten zu verfügen. „Man sollte aber als Paar besprechen, was für einen am besten passt.“

Betriebswirtin Lisa Breloer hat sich auf die Finanz- und Vermögensberatung von Frauen spezialisiert. 
Betriebswirtin Lisa Breloer hat sich auf die Finanz- und Vermögensberatung von Frauen spezialisiert.  © Sybilla Heusser | Sybilla Heusser

Aufklärung: Vor der Familiengründung beginnen

„Finanzielle Unabhängigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil von einem gleichberechtigten Miteinander. Daher möchte ich das Thema aus der Tabuzone holen“, sagt Martina Böttcher, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Siegen-Wittgenstein, über den Anlass des Online-Vortrags. Dieser solle Frauen Mut machen, sich mit dem Thema der eigenen Finanzen zu beschäftigen. „Als Mutter weiß ich, dass ein eigenes Einkommen wichtig ist, Frauen sich rechtzeitig vor Altersarmut schützen müssen und das Thema Geld in einer Beziehung nicht totgeschwiegen werden sollte“, unterstreicht auch Lisa Breloer.

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Gerade die „Rushhour des Lebens“ mit Familiengründung und Leben als junge Familie sei herausfordernd. Umso besser sei es, wenn man schon davor damit beginne, sich mit Finanzen auseinanderzusetzen, gerade weil man als Frau mit Vollzeitstelle noch mehr verdiene als später in Teilzeit – vorausgesetzt, man entscheidet sich überhaupt für eine Teilzeitstelle. Vor der Familiengründung habe man „mehr finanziellen Spielraum“.

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Rechtzeitig über Gehalt sprechen

Wenn man kurz vor der Rente steht oder bereits in der Rente ist und dann merkt, dass man nicht über genügend Vermögen und Einnahmen für den Ruhestand verfügt, sei es in der Regel zu spät. „Dann bleibt meist nur noch der Gang zum Sozialamt“, sagt Lisa Breloer. „Je früher man sich kümmert, desto einfacher ist es.“ Umso wichtiger sei es, auf das Thema Finanzen bereits in Schulen hinzuweisen. „Viele schieben das Thema weg und wissen nicht, wo sie anfangen sollen“, sagt Lisa Breloer. Es gehe darum, sich Schritt für Schritt vorzuarbeiten. „Am besten, man eignet sich so viel Wissen wie möglich an.“ Sei es aus Büchern oder Infos aus dem Netz. Es gehe schließlich auch darum, ein Vorbild für andere Frauen zu sein, unterstreicht Lisa Breloer. Sie ermutigt Frauen außerdem, mehr über ihr Gehalt zu sprechen. „Durch den Austausch erfährt man, ob man genug verdient oder unterbezahlt wird.“ Man solle sich nicht scheuen, den Arbeitgeber nach einer Gehaltserhöhung zu fragen. „Männer machen das regelmäßig.“

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Lisa Breloer ist bewusst, dass viele Männer „in ihrer Rolle gefangen sind“, weil sie als Mehrverdiener meist viel und lange arbeiten und oft den Großteil der finanziellen Verantwortung für die Familie tragen. Auch ihre Rolle will sie nicht herunterspielen. Im Endeffekt möchte sie Frauen vor allem dazu animieren, selbst Verantwortung für ihre Finanzen zu übernehmen. „Man sagt ja auch, Frauen sind die besseren Anleger“, sagt sie mit einem leichten Schmunzeln.

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